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VERFLIXTE TECHNIK

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Ernas Glücksgefühl, wieder mit der Außenwelt verbunden zu sein, sollte nicht lange anhalten. Urplötzlich schwieg das Handy. „Verflixte Technik“, schimpfte sie. „Was ist denn nun schon wieder los?“

Sie saß gemütlich im Sessel. Hier war es schon öfter passiert, dass sie kein Netz bekam, also erhob sie sich, humpelte auf Krücken durch alle Räume zu den Fenstern und betrachtete die Anzeige auf dem Display. Nichts, kein Netz. „Wahrscheinlich überlastet“, dachte sie und verschob ihre Telefonate auf später.

Als sie nach Stunden immer noch kein Netz hatte, kam ihr die Sache nicht geheuer vor. Sie schaltete den Fernseher ein. Er funktionierte. Nicht einer der vielen Sender war gestört. Außerdem hörte sie, wie bei der Familie, die über ihr wohnte, das Telefon klingelte und gesprochen wurde.

Durch ihre Krankheit war sie immer noch nicht in der Lage, die Wohnung zu verlassen. Eine jüngere Frau, die genauso lange in dem Mietshaus wohnte wie Erna, hatte ihr schon die eine oder andere Gefälligkeit erwiesen. Sie kannten die gegenseitigen Gepflogenheiten. Als sie an der Wohnungstür vorbei ging, sprach Erna sie an. Wie es im Leben so ist, ein Unglück kommt selten allein. Die Frau war lange arbeitslos. Ausgerechnet jetzt hatte sie vom Job-Center eine Maßnahme mit Praktikum erhalten. Da auch hier die Bürokratie nicht klappte, hatte sie viele zusätzliche Wege. Deshalb konnte sie sich nicht auch noch um Ernas Belange kümmern. Nun schwieg das Handy schon den vierten Tag. Das Wochenende stand vor der Tür. Der Kühlschrank war leer, das Brot alle, so wie auch die Medikamente und Spritzen. Es war zum Verzweifeln.

In ihrem ganzen Leben war sich Erna noch nie so allein und hilflos vorgekommen. Was sollte, was konnte sie tun? Mit dem Besenstiel gegen die Decke klopfen? Sie hätte weinen, schreien, toben mögen. Doch in solchen oder ähnlichen Situationen kam kein einziger Laut über ihre Lippen.

Ihr war bekannt, dass die Notfallnummer, die 110 immer funktionierte. Konnte man ihre Lage als Notfall betrachten? Durfte sie dort anrufen und um Hilfe bitten, obwohl sie sich in keiner lebensgefährlichen Situation befand? Sie würde es nie erfahren, wenn sie es nicht ausprobierte. Beherzt griff sie zum Handy, wählte die 110 und schilderte ihre Situation, nachdem sich eine sonore Männerstimme gemeldet hatte.

„Wir kümmern uns darum“, war die knappe, aber nicht unfreundliche Antwort.

Einige Zeit war vergangen, als es an ihrer Wohnungstür läutete. Sie sah durch den Spion. Zwei Polizisten. Erna öffnete und wollte wissen, ob sie etwas verbrochen hätte. „Sie nicht, aber ihr Handy“, meinte der Korpulentere von beiden. Das schweigsame Teil nebst Vertrag wurde konfisziert. Zurück kamen die Polizisten in Damenbegleitung, einer jungen Mitarbeiterin des Handy-Shops. Als Stammkundin kannte Erna sie schon lange und ließ sich gern von ihr bedienen, denn trotz ihrer Jugend erklärte sie der älteren Generation die Kommunikationstechnik verständlich.

„Die Simkarte ist defekt“, sagte sie. „Der Netzanbieter tauscht sie kostenlos um. Es könnten aber einige Tage vergehen, da das Wochenende vor uns liegt.“ Zur Überbrückung gab es sofort ein Ersatzhandy.

Voll des Lobes über die schnelle und unkomplizierte Lösung, und weil die Medien dem Ruf der Polizei erheblich geschadet hatten, schrieb Erna einen Dankesbrief an die Leserbriefredaktion der Tageszeitung. Diese hielt es aber nicht für nötig, ihn zu veröffentlichen. „Warum haben die Polizei und die Rentner keine Lobby?“, fragte sie sich.

Am nächsten Tag, einem Sonnabend, sollte Erna eine angenehme Überraschung erleben. In der Post war ein Brief vom Netzanbieter mit der neuen Simkarte, die noch am gleichen Tag aktiviert wurde.

Es gibt sie eben doch noch, die Anbieter, Geschäfte und Institutionen, bei denen der Kunde König ist.

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