Читать книгу Manchmal kann Glück eben stinken - Silvia Dober - Страница 5

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2. Verräter und andere Helden

Normalerweise sprudeln meine Untertanen devot und ausgelassen auf mich zu, wenn ich nach Hause komme. Unsere Omi hüpft mit den Vorderläufen auf einem imaginären Pogostab, der Rudelchef winselt und kriegt beim tiefen Wedeln freudig Schlagseite und der Belgier rotiert standesgemäß unter der Decke. Anspringen fällt aus, wegen is nich. Normalerweise.

Und dann kommt man nach Hause und das Einzige, was einen begrüßt, ist die am Briefkasten liegende Post. Gähnende Leere im Eingangsbereich. Man hört keinen Mucks, man sieht keine Nase, das ist nicht nur bei kleinen Kindern verräterisch. Vorsichtiges Schnüffeln meinerseits, soweit alles gut, niemand hat einen in die Bude gebrummt.

Erstmal alles so wie immer, Schuhe aus, Tasche wegstellen, Schlüssel ans Brett. Noch immer nichts.

Ok, offensichtlich ist da etwas faul. Nicht nur die Monster sind zu faul zum Aufstehen.

Der investigative Teil der Hundehaltung beschäftigt sich nicht nur mit den Fragen, warum ein Hund was macht, sondern auch, warum er etwas nicht macht.

Durch den Flur in die Küche. Der Rudelchef fläzt lässig in der Wohnzimmertür.

Guckt mich an, den Chillmodus cool beibehaltend, blickt wieder gen Wohnzimmer. Jedoch hat es einen Beigeschmack von unauffällig bleiben. Er guckt mich wieder an, dann ins Wohnzimmer, guckt mich an, dann ins Wohnzimmer.

Ok, was es auch ist, so cool ist er bei Kollaboration nicht, also scheint er unbeteiligt zu sein.

Nachtigall, ick hör dir trapsen.

Ich folge seinem Blick, sehe die Omi. Selbige ist nicht ganz so entspannt wie der sich aalende Hunde-Cheffi, aber das gehört bei ihr zur Werkseinstellung. Dennoch adressiert sie mich, guckt weg, schluckt, leckt sich die Lefzen, guckt wieder weg. Astreine Beschwichtigung, also muss irgendwas passiert sein. Immer in die gleiche Richtung.

Na fein, bei zwei Souffleusen lasse ich meinen Blick mal in die anvisierte Richtung schweifen. Und siehe da, ich weiß immer noch nicht, worum es geht, aber zumindest habe ich eine lauwarme Ahnung, wer es war.

Im Korb zwischen Ohrensessel und Hauswand pumpt ein Maikäfer. Und was für einer. Der hellbraune Maikäfer mit schwarzer Maske und den samtigsten Stehohren kann nicht fliegen, wiegt 23 kg und ihr geht ordentlich die Flatter. Meine Belgierin sitzt angenagelt im Korb und schaut mich an wie eine Kuh, wenn es blitzt. Über ihre Stirn läuft in Leuchtbuchstaben AU BACKE, JETZT ISSE DA.

Ich freue mich ja immer, wenn ich bei meinem Fußvolk eine Reaktion auslöse, aber Ungemach ist nicht vorsätzlich dabei. Zudem weiß ich immer noch nicht, was denn nun der Grund für das emotionale Hoch der beiden Petzen ist.

Nach einem Streifzug durch den vermeintlichen Ort des Geschehens kam der Stein des Anstoßes zum Vorschein. Vom Wohnzimmertisch war ein Stoff-Haargummi gefallen.

Auch Hunde können aus einer Mücke einen Elefanten machen. Der Couchtisch ist niedrig, da reicht es, wenn im Vorbeigehen die Rute ihr Ding durchzieht. Ein Wisch plus Schwerkraft und da haben wir den Salat.

Es ist nichts Schlimmes und selbst wenn, es ist passiert. Und die Reaktion sollte darauf auch entsprechend sein.

Man legt das Objekt zurück, schnauft beruhigend ab, entspannt die Mimik (auch, wenn man sich eigentlich amüsiert) und lädt die Hunde zu sich ein. An den Tatorttisch des Geschehens, in die Nähe des Stoffkollateralschadens.

Brutus und Brutine, das pelzige Verrätergespann, werden genauso dazu gebeten wie der Malinois, der sich am liebsten in Luft aufgelöst hätte. Eine stressige Situation wird gemeinschaftlich und ruhig aufgelöst, der Mensch zeigt, dass alles halb so wild ist. Wegen eines Haarbandes sauer werden ist zum einen nicht der Rede wert, zum anderen habe ich das gar nicht nötig.

Wenn mich eine Haarbandlappalie aus der Reserve lockt, was bin ich dann im Ernstfall für eine Niete?

Man hätte sich wegen des Gefallenen aufregen können, den Hunden das Teil erzürnt präsentieren können, allen den gleichen Anranzer verpassen können. Schließlich gilt es doch landläufig als respektlos, sich an den Sachen des anderen zu vergreifen. Aber warum?

Etwas fällt runter, man hebt es auf. Einer baut Mist, es wird korrigiert. Ein Versehen geschieht und man macht es ungeschehen.

Obwohl gerne und häufig propagiert wird, dass Hunde kein Gefühl für Falsch und Richtig haben oder Handlungen nicht bewerten, erlebe ich es immer wieder.

Das Haarband fällt und 1 und 2 des Rudels wissen, dass 3 sich an den Klotten der Regierung vergangen hat. Nicht vorsätzlich, sonst wäre das Teil zur Unkenntlichkeit durchgekaut, vollgelüllert und im eigenen Korb gebunkert worden.

Kommt nun die Regierung nach Hause, können sie sich ganz relaxt der Vorstellung widmen, wie die 3 Blut und Wasser schwitzt. Sie verpfeifen sogar den Belgier, wähnen sich in Sicherheit.

Die Verteilung der Rollen war schon klar, da hatte ich noch keinen Fuß im Haus. Wäre es eine Reaktion auf mich gewesen, hätten mich alle begrüßt und sich dann rubbeldikatz verpieselt, sobald ich den Fauxpas erblickt und darauf eine Reaktion gezeigt hätte.

Das war kein Einzelfall, auch unser Neuzugang Ellie zeigt solches Verhalten. Seit sie bei uns ist, wurde Stufe für Stufe das Alleinbleiben geübt. Wohlgemerkt, die Wuffis sind nun zu viert allein. Manchmal geht durch unseren Gehirnazubi etwas kaputt, manchmal geht viel kaputt. Manchmal auch gar nichts. Was bei ihr jedoch immer gleich ist, wenn ihr schreddernder Kiefer etwas annektiert hat: sie parkt unter dem Esszimmertisch und lugt, in Spannung ausharrend, hervor. Nähert man sich dem Opfer, zum Beispiel einem Sofakissen, was von ihr runtergefallen worden ist, steigt die Spannung. Da wird dann gerne ein kurzintervalliges Zittern nachgelegt, ein wenig rumgefiept und zum Zwinkern bleibt keine Zeit mehr.

Ich nehme das Kissen in die Hand, sie fällt ins Wachkoma.

Das Kissen wird wieder aufs Sofa gelegt, ich breite meine Arme aus, die Augen werden leicht mandelförmig, der Körper steht tendenziell seitlich und ich lade sie ein. Dann guckt die Kurze ganz ungläubig, als ob gleich ein Team von der „Versteckten Kamera“ um die Ecke kommt, und hopst mir freudig entgegen. Wieder ein schöner Tag, um von der Menschin mit Führungsanspruch überrascht zu werden.


Manchmal kann Glück eben stinken

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