Читать книгу Manchmal kann Glück eben stinken - Silvia Dober - Страница 6

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3. Na warte!

Paddy, ein Border-Collie-Husky-Mix, kam mit sechs Wochen zu uns. Das ist nicht das richtige Alter, um als Welpe die Mutter und den Wurf zu verlassen. Jedoch war die Vorlage des Halters: Was jetzt nicht abgeholt wird, kommt ins Tierheim. Der Wurf war groß, die Wohnung nicht und die Bande hatte dem Mann das Interieur in Grund und Boden gewohnt.

Wir holten den kleinen Racker ab, machten auf der Rückfahrt alle Stunde eine Pause und soweit lief alles gut.

Unser erster Welpe.

Im Haus, damals war er der erste Vierbeiner (von lebenslang und begleitenden Familienhunden mal abgesehen), gefiel es ihm recht gut und insgesamt war der Knopf mehr als nur gewillt, sein Quäntchen zum Sozialgefüge beizutragen.

Die ersten Spaziergänge, die stetig immer ausgedehnter wurden. Bekanntschaften knüpfen, Lebensformen kennenlernen. Zwischendurch immer Nickerchen, damit der Geist nicht abraucht, sich der Körper erholen und das Gehirn das Gelernte verarbeiten kann.

So weit, so gut.

Wenn da nicht dieses eine Aber gewesen wäre. Er fraß eher mäßig. Anfangs gierig und zuverlässig, dann etwas schlechter. Gut, kann mal vorkommen. Der Kohldampf ist nicht jeden Tag gleich. Das hängt von vielen Parametern ab, wie zum Beispiel Bewegung, Angebot, Wachstum, Beschäftigung, Neid, Hormonstatus und so weiter.

Mit fünfzehn Wochen wurde es zum Teil bedenklich. Da steht die kleine Puderquaste vor einem, die Mini-Plauze gurgelt mangels Füllstand, und dennoch kriegt Hundi die Zähne nicht auseinander.

Ein kurzer Check: Nase gut, Puls gut, Körpertemperatur gut, Augen klar und glänzend, Pfoten warm … scheint soweit gesund zu sein. Na gut, wenn er jetzt nicht will, dann warten wir ein wenig. Somit kam das Futter wieder weg. Trotz massiver Knochen kann ein Gesicht länger werden, wenn Schnuffi die lukullische Collage schwinden sieht.

Das mehr und mehr sporadisch werdende Futter wurde nun via Ausschlussverfahren eruiert.

Was frisst er, was nicht. Was manchmal, was immer. Was gerne, was eher aus Höflichkeit (so zumindest der Eindruck, wenn er gnädig darauf rumkaute).

Zwar verlor der kleine Hund ein wenig Gewicht, aber nichts, was besorgniserregend war. Der Welpendurchschnitt ist eine konsequente Zunahme, wegen der Mischung aus Wachstum und Kohldampf. Mal stagniert es ein wenig, dann wird weitergespachtelt und das Gewicht geht nach oben.

Bei Paddy wurde die Mahlzeit jedoch immer mehr zum zu absolvierenden Tagespunkt. Ok, dann kommen jetzt die harten Bandagen. Wenn Butter nicht geht, dann geht nichts mehr. Butter verfolgt ein ähnliches Konzept wie Schokolade beim Menschen. Süßes Fett, noch Fragen?

Butter ging. Was geht denn noch? Nassfutter ohne Trockenfutter, erst aus dem Napf, später nur noch aus der Hand. Noch später saß man beim Vieh auf den Fliesen.

Und da kommt ein bekanntes Problem, welches Branchen übergreift, ins Spiel. Betriebsblindheit.

Das Füttern wurde mehr und mehr zum Drama, denn dem kleinen Wurm darf es doch an nichts fehlen. Der muss doch mehr brauchen als für nen hohlen Zahn. Oder er verarscht uns nach Strich und Faden.

Verdammte Axt, das geht so nicht. Also das Kummerküken eingepackt und mit Paddy zum Onkel Doktor gefahren.

Beim Paddy-ater, unserem seit Jahrzehnten geschätzten Veterinärmediziner, wurde nach einem physischen Check-up noch ein wenig Blut abgezapft. Der Körpersaft ist aufschlussreich und seine Untersuchung entlarvt manches Geheimnis. Der Doktor zog das Objekt der Besorgnis durch seine kompetenten Finger. Das Ergebnis vom Blutbild sollte am nächsten Tag da sein. Soweit war mit dem kleinen Allwetter-Mikrofon alles paletti.

In unserem Fall war das Geheimnis keines. Der Köter war blitzgesund! Dickköpfig und mit einer Michelin-Ader wollte der Feinkostschmarotzer nur seine Mahlzeiten optimieren.

Er weiß, was er will und das zieht er dann beinhart durch.

Für Paddy ist das souverän und gut, das bringt nur für die zukünftigen Jahre ein krasses Potenzial an Grundsatzdiskussionen mit sich.

Der Border macht ihn fit im Oberstübchen, der Husky anteilig bestimmt bis kurz vor verbohrt. So ist das eben, wenn man sich entscheiden muss, in welche Richtung man bei zweistelligen Minusgraden rennt. Man trifft eine Entscheidung und lebt damit. Oder eben nicht mehr so lange.

Paddy hatte festgestellt, dass er beim Rumbocken immer andere Optionen für seinen kleinen Kullerwanst bekommt, die nicht zwangsläufig schlechter sind als das, was einem die Regierung in wachsender Verzweiflung beim letzten Dinner präsentierte. Da wäre man doch doof, den Gaul nicht zu reiten, bis er umfällt.

Außerdem änderte der Gaul die Präsentation der Tageskalorien von einem Napf, über diverse Napfvariationen und Orte in Handfütterung mit tendenziell verzweifelter Ausstrahlung.

Super, wenn die eigene Funktion als Nabel der Welt endlich vom Zweibeiner anerkannt wird. Schade, dass Menschen so lange für diese Erkenntnis brauchen.

Dumm nur, dass sich der Hottemax für einen ruckartigen Abwurf entschieden hat. Das Blutbild war ausgewertet, dem Tyrann für Anfänger fehlte nichts.

Noch nichts.

Mit dem Ergebnis im Bewusstsein änderte sich Zuhause etwas für Paddy.

Trockenfutter.

Nur Trockenfutter, als Hauptmahlzeit. Gut, dass der Hund keine Waffe besaß, sonst wäre ich standesrechtlich erschossen worden. Trockenfutter ist schon ein Affront gegen das Selbstverständnis des Dickfelligen. Dein popeliges Trockenfutter kannst du mal schön selber fressen! In deutlicher Reaktion verneinte er das offerierte Mahl. Gut, dann nicht.

Nichts, um genau zu sein.

Für die nächsten zwölf Stunden.

Aber so ein armer kleiner Hund, den kann man doch nicht auf Nulldiät setzen! Hab ich auch nicht, denn die Futterabstände haben sich lediglich vergrößert und Wasser gab es in Hülle und Fülle. Man muss sich nur mal die traurigen Augen angucken, wie enttäuscht er doch ist. So, wie der Manipulator guckte, hatte er locker schon beim Kreisveterinär angerufen und die kalorienfreie Haltungsform gemeldet.

Schlecht gelaunt brummelte sich der Flauschomat durch den Tag. Man kann ja winselnd immer wieder anklopfen. Findet nur kein Gehör.

Nach dem ersten Intervall der Selbstkasteiung kam wieder Futter ins Spiel.

Sie geht in die Küche, holt den Napf, raschelt an der Tüte … Speichelsturz aktiviert und auf die Socken gemacht. Aber wofür? Schon wieder Trockenfutter.

Persönlich beleidigt zog der Dickfellige von dannen.

Die Alte schnallt es einfach nicht!

Es geht nicht darum, via erzeugtem Nahrungsentzug dem Hund den eigenen Willen aufzuzwingen. Aber wenn man nur Appetit auf Spirentzchen hat, dann ist es Appetit, kein Hunger. Fehlt nur noch, dass man dem Verzogenen eine Pfauenfeder neben das Mahl, zur Erleichterung seiner selbst, reicht.

Hundi war mittlerweile nicht mehr so wirklich beschwingt unterwegs. Denken ist anstrengend. Mit Kohldampf noch mehr. Um dem Ganzen nicht den Touch von Schikane zu verleihen, bietet es sich an, die Kalorienpause als Mensch mitzumachen. Theoretisch.

Das zweite Zeithäppchen war vorbei. Nun hatte der gnädige Herr in 24 Stunden nichts bekommen. Nicht meinetwegen, sondern wegen seines verbohrten Gaumens und seines Praktikums als Pseudoimperator.

Ich ging in die Küche, holte einen Napf, etwas Trockenfutter rein. Dicht hinter mir stand der Flauschomat mit dem Dickschädel.

Mit dem Napf an den Platz des Fressens. Pott abgestellt. Einen Schritt zurück. Paddy guckte mich an, guckte auf seine Ration und fing mit langen Zähnen an zu mampfen.

Die Oma hat es schon gesagt: Hunger ist der beste Koch.


Manchmal kann Glück eben stinken

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