Читать книгу Manchmal kann Glück eben stinken - Silvia Dober - Страница 8
ОглавлениеZu der Ernährung meiner Hunde gehört auch Fleisch. Diverse Abwandlungen tierischen Proteins machen die Menükarte nicht nur interessant, sondern werten sie ebenso auf. Nassfutter, Trockenfutter, Fleisch, Obst, Fisch, ein bisschen was zu Schlickern, mal etwas Hüttenkäse oder ein Löffel Lebertran dazu machen die Mahlzeiten abwechslungsreich und ansprechend.
Man kann ebenso immer eine Sorte Trockenfutter mit ner Tasse Wasser drüber geben. Das wird genauso gefressen und hat unseren damaligen Deutsch Kurzhaar 15 Jahre lang bei Laune gehalten. Damals war die Einstellung zu Hunden jedoch noch eine andere, heute wird viel mehr Brimborium darum gemacht.
Aber warum auch nicht? Früher gab es auch keine Physiotherapie, keine Prothesen, keine blühende Auswahl an Aktivitäten für den durchschnittlichen Familienhund, keine 25.000 Halsbänder und Leinen passend zum Outfit.
Dennoch haben sich die Schnuffis nicht vom Bürgersteig gestürzt, weil alles schrecklich war. Es war halt so.
Bei uns stand zimmerwarme Beinscheibe auf dem Plan und lag auch schon parat zum Schnibbeln auf dem Brett in der Küche. Verpackung auf und ganz unauffällig patrouillierten die kleinen Hungerhaken sporadisch über den Fliesenspiegel. Vielleicht fällt ihr ja was vom Brett, die perfekte Gelegenheit, um sich als Ionenwischer anzubieten.
Die Kuh wurde gewürfelt. Die halbierten Knochen als Nachtisch an die Seite und dann auf zur Raubtierfütterung. Ich sitze vor den Orgelpfeifen und in hierarchischer Reihenfolge verschwindet das Rinderpuzzle in den Fängen. Es gibt bei uns keinen Futterneid bei der Handfütterung. Das kann, bei dessen Duldung, zu derben Ausrutschern führen. Anfangs gab es durchaus noch Diskussionsbedarf, der aber wohlwollend im Keim erstickt wurde.
Sobald einer Theater macht, das Fleisch des anderen haben will, sich vordrängelt oder meint, seinen Unmut bezüglich der Reihenfolge und Auswahl der Brocken kundzutun, ist eben Ende. Für alle. Dann wandert das Fleisch mit der Regierung wieder in die Küche. Basta.
Volkszorn für den Hund mit Starallüren und beim nächsten Mal klappt es schon viel besser.
So saßen nun drei Bedürftige auf ihrem Poppes vor mir und genossen das Mahl.
Am Ende ging ich wieder in die Küche, räumte den restlichen Kram weg und wollte den Tag endlich ausklingen lassen.
Ellie lag friedlich auf ihrem Polster, als sie abrupt aufstand. Ein paar Schritte vom Korb weg und mit fünf Atü das Abendbrot auf die hellste Stelle des Teppichs gegöbelt.
Wohin auch sonst, die Fliesen vielleicht? Oder Bescheid sagen, um in den Garten gelassen werden zu können?
Super, ne Viertelstunde Pause reicht mir ja auch völlig. Der Hund hatte sich wegen des blitzartigen Rückwärtsessens offensichtlich selber erschrocken. Sie sah auf das Ergebnis. Verdammter Mist, wie ist das denn passiert? Hoffentlich hat das die Regierung nicht gesehen.
Ein kleiner Kondensstreifen wies den Weg diametral von der Proteinbrosche in die entgegengesetzte Ecke des Zimmers.
Ellie saß danach in einem anderen Korb, wirkte tiefergelegt und wich mir mit allem aus, was eine vermeintliche Angriffsfläche bot. Damit das nicht falsch rüberkommt: sowas erfährt keine Wertung.
Das passiert und wird behoben. Hunde sind keine Nestbeschmutzer. Wenn sie die Wahl haben, zeigen sie es immer an, sofern die Zeit da ist und basteln einen Maulwurfhaufen nicht von sich aus vor den Fernseher, weil es so lustig ist.
Außerdem gibt es Unterschiede. Meist melden sie vorher an, dass die nächste Fahrt rückwärts geht. Sie sabbern vermehrt, die Ohren legen sich flach an den Hinterkopf, das Maul zieht sich lang nach hinten, die Augen werden unruhig, sie laufen auf der Suche nach einem geeigneten Übergabeort durch die Gegend. Dann wird tief aus dem Bauch gepumpt. Und gepumpt, bis dann unter bekannten Geräuschen aus dem Magen der Bremsklotz entfernt wird. Manchmal gehen sie dann einfach weg, manchmal stehen sie bedröppelt daneben. Und manchmal werden ausgewählte Bestandteile, oder eben alles, wieder einverleibt.
Manchmal ist es schlicht ein leichtes Blubbern und schon drapiert Hundi ein Modell aus Beinscheibe und einem Kubikmeter Wasser auf den Wohnzimmerteppich.
Ist doch schön, wenn man sich selber noch überraschen kann. Wenn die Bestandshunde das machen, sind sie zwar nicht begeistert, jedoch entspannt. Ellie suchte ihr Heil in der Flucht. Bei Secondhand-Schnuffis kann man nie genau wissen, was in ihrem vorherigen Leben alles gewesen ist. Mutmaßungen bringen einen nur grob weiter und letztendlich kann man die Vergangenheit nicht ändern. Vielleicht hat Ellie beim Hervorwürgen mal Ärger bekommen. Oder sie göbelte fröhlich vor sich hin und zeitgleich geschah etwas ihr Unangenehmes.
Zwei Situationen, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben, werden verknüpft. Ich kenne einen Hund, der Angst vor großen Linienmaschinen hat und unglücklicherweise in der Einflugschneise zu einem Flughafen wohnt. Jetzt ist ihm noch nie das Ticket nach Andalusien gestrichen worden. Aber oft, wenn er von einem mobbenden Besuchshund hingebungsvoll die Zwölf poliert bekam, flog eben ne fette Boeing über die beiden.
Das Opferlamm kombinierte den Mobber mit den Passagiermaschinen und so entstand seine Angst vor selbigen. Ein Flieger zuckelte in ein paar tausend Metern Höhe über ihn weg und simultan erwartete er eine Attacke vom Mobber. Da muss man erstmal hinterkommen, wenn man von dem Unterdrücker erst nichts weiß und nur den Hund in blinder Panik flüchten sieht.
Wenn die Alteingesessenen spucken müssen, dann sind sie nicht verängstigt oder beschwichtigen danach. Bei denen fehlt nur noch, dass sie ein Fähnchen reinstecken wie Amundsen bei der Hatz nach dem Südpol.
Also lässt man den Fleischbausatz erstmal unbeachtet und guckt nach dem kleinen Knopf. Ich nähere mich ihr und der Hund wird immer winziger. Man kann den Puls am Wippen der Ohren mitzählen.
Ich stehe leicht seitlich, die Augen wie an Silvester (wenn man denkt, dass man noch fahren kann, das jedoch nicht mehr wirklich den Tatsachen entspricht), gucke freundlich, ohne die Zähne zu zeigen, die Stirn ist glatt und ich mache beruhigende Laute. In greifbarer Nähe lehnt sich der Hund weg.
Also bleib ich stehen.
Ellie wartet offensichtlich auf den Abdecker.
Bin ich aber nicht.
Sie bekommt kurz Zeit, um das in ihrem Oberstübchen zu verarbeiten. Meine Atmung ist ruhig und kommt aus dem Bauch. Der Zimmerspringbrunnen schnauft einmal kurz, als ob sie sich ein Herz fassen muss, und wagt einen zaghaften Versuch in meine Richtung. Mit der Rückseite der Hand streiche ich über die mir zugewandte Schulterseite.
Sie erkennt den Unterschied zwischen Hand und Distanzschocker, wird mutiger und kann dann endlich das Adrenalin dem Anlass entsprechend runterfahren.
Der Geifer hängt noch etwas in der Maulspalte.
Soll heißen, das dauert nicht alles ewig, Reaktionen auf Gestik und Mimik gehen in Bruchteilen von Sekunden.
Während die Kurze ein wenig gepuckert wird, mache ich simultan einen Check. Ohren warm, Nase kalt, Augen glänzen, Pfoten sind warm, Atmung regelmäßig, weicher Bauch, kein Zittern, Glanz in den Augen, lässt sich überall anfassen. So weit, so gut.
Ich trenne mich von ihr und hole das notwendige Zeug, um die mittlerweile gut eingezogene Pampe aus dem Teppich zu friemeln.
Ich gehe in die Küche, der Hund kommt mit. Ich gehe ins Wohnzimmer, der Hund kommt mit. Ich stehe vor dem Maulwurfhaufen aus Rind, der Hund zögert. Nein, es ist immer noch nicht schlimm. Kannst gerne gucken, wie ich deinen missglückten Verdauungsvorgang entferne.
So hocke ich nun auf dem Teppich, kratze erkaltendes Abendbrot aus dem Geklöppelten und Ellie liegt skeptisch, jedoch nicht in Alarmbereitschaft, daneben.
Das ist doch noch gut, wieso frisst du das nicht selber?
Während ich mit Schmackes aus den Tiefen des Flores das angedaute Fleisch und Trinkwasser des letzten Saufvorganges knibbel, gehen mir diverse Gedanken durch den Kopf.
Wieso hat ein kleiner Hund (13 Monate) Fluchtbereitschaft, wenn eine natürliche Körperfunktion geschehen ist? Ein Hund hat kein Unrechtsempfinden für Ausscheidungsprodukte. Folglich zwang ihn die Reaktion des ehemaligen Umfeldes dazu, sein Heil in der Flucht zu suchen. Sowas ist schnell geschehen. Der Mensch sagt nur ein enttäuschtes *nicht schon wieder*, ein erzürntes *was machst du da*, oder man jagt dem Kotzer in spe hinterher, damit er nicht den Perserteppich zum Totalschaden macht.
Hunden muss nicht unbedingt übel sein, um sich zu übergeben. Doch der Vorgang an sich gewinnt nicht an Liebreiz, nur weil man dabei mehr oder weniger taktvoll von seinem Zweibeiner dirigiert wird.
Was raus muss, muss raus. So ist das eben. Es geschieht, ob das Umfeld begeistert ist, oder nicht.
Als Halter kann man dem Hund zur Seite stehen, während der sich alles durch den Kopp gehen lässt. Nicht meckern und nachher eben den Feudel schwingen.
Wer sich übergeben muss, der tut es.
Da braucht man weder Applaus noch Buhrufe.