Читать книгу CLIL in der Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten in heterogenen Primarschulklassen - Silvia Frank Schmid - Страница 14
2.3 CLIL im Schweizer Primarschulkontext
ОглавлениеWie bereits angesprochen, geschieht im CLIL-Unterricht das Lernen integral und unmittelbar im Sinne von «learn as you use, use as you learn» und nicht «learn now, use later.» (Mehisto et al. 2008, S. 11). Diese Prämisse der direkten Begegnung mit der Sprache in einem handlungsorientierten Setting ist besonders für die Primarschulstufe von grosser Bedeutung. Kinder lernen Sprache in situativen Kontexten mit bedeutsamer Inhaltsorientierung und hohem Lebensweltbezug (z. B. Piske 2013, S. 30). Im CLIL-Unterricht, in dem das sachfachliche und fremdsprachliche Lernen vereint wird, gelingt diese Verknüpfung von Inhalt und Sprache optimal.
Gemäss dem europäischen Leitgedanken sollen alle Kinder der Primarstufe an den Schweizer Volksschulen zwei Fremdsprachen lernen. Dies erfolgt meist in zwei bis drei isolierten Fremdsprachenlektionen pro Woche. Dieses Setting scheint insgesamt zu wenig erfolgsversprechend (Elsner & Kessler 2013, S. 24). Der Schweizer Lehrerverband (LCH) stellte kürzlich auf Druck aus Politik und Gesellschaft Forderungen auf, welche auf eine Optimierung des Fremdsprachenunterrichts abzielen. Für das Erlernen einer neuen Sprache braucht es genügend Unterrichtszeit, wie auch die Realisierung von vernetztem Sprachenunterricht (LCH 2015, S. 3). Der frühe Fremdsprachenunterricht ist seit geraumer Zeit tatsächlich immer wieder ein viel diskutiertes, politisches Thema in den Schweiz. Diverse kantonale Abstimmungen in den letzten Jahren hatten zum Ziel nur noch eine Fremdsprache auf der Primarstufe als Unterrichtsfach beizubehalten. Die Befürworter dieser Initiativen nennen die Ineffektivität des frühen Fremdsprachenunterrichts als einen der Hauptgründe, um eines der beiden Fremdsprachenfächer auf die Sekundarstufe zu verlegen. In diesem Zusammenhang kann deshalb CLIL als eine mögliche Lösung angesehen werden, mit der man den Fremdsprachenunterricht ungeachtet des Alters oder Schulstufe der Lernenden in der Volksschule effektiv optimieren könnte (Pfenninger & Singleton 2017, S. 207).
CLIL als solches ist an den Schweizer Primarschulen als methodischer Ansatz nicht fremd. Die Primarschüler*innen erlernen teilweise Englisch indem sie Sachwissen aus naturwissenschaftlichen oder musischen Fächern im Englischunterricht thematisieren. Die modernen Englisch-Lehrmittel (z. B. Young World, New World, Explorers) nennen deshalb CLIL als einer ihrer methodischen Ansätze und meinen damit diese themenzentrierten Sequenzen im Fremdsprachenunterricht (vgl. Frank Schmid & Wuthier 2013; Arnet-Clark & Frank Schmid 2018). Auch wenn nicht die gesamte Unterrichtszeit gemäss dieser Art von CLIL verläuft, so sind es doch immer wieder ausgedehntere Unterrichtsblöcke, in denen die Lernenden relevantes fachübergreifendes Sachfachwissen in der Fremdsprache lernen. Diese Ausrichtung von CLIL, bei dem fachübergreifende Inhalte in den Englischunterricht integriert werden, wird wie bereits angesprochen als CLIL-Variante B bezeichnet (vgl. Abbildung 1). Trotz fachübergreifenden Inhalten ist das Erlernen der Fremdsprache das vordergründige Ziel (Massler & Stotz 2013, S. 9).
Andere Formen des bilingualen Unterrichts, im Sinne der CLIL-Variante A (vgl. Abbildung 1), bei der Englisch als Unterrichtssprache ins Sachfach ausgelagert wird (Massler & Stotz 2013, S. 9), bilden in der Schweiz immer noch die Ausnahme (Brohy 2016, S. 227). Eigentlich ist es erstaunlich, dass in der viersprachigen Schweiz bilinguale Unterrichtsmodelle nicht mehr verbreitetet sind. Auf der Primarstufe ist diese CLIL-Variante in der Schweiz hauptsächlich an privaten bilingualen Schulen anzutreffen, die privilegierten oft aus internationalem Umfeld stammenden Familien bilinguale Bildung anbieten. An den öffentlichen Primarschulen gibt es gemäss einer offiziellen Kantonsumfrage nur entlang der Deutsch-Französischen Sprachgrenze einige immersive oder bilinguale Angebote (vgl. EDK 2017). Zum Beispiel werden im zweisprachigen Kanton Fribourg Primarlehrpersonen mit finanziellen Ressourcen unterstützt, die mindestens 10 % des Unterrichts in der jeweiligen Partnersprache immersiv unterrichten (EKSD 2017). An vereinzelten Schulen oder auf individueller Basis werden projektartige CLIL-Unterrichtseinheiten von innovativen Lehrpersonen durchgeführt. Berichte solcher erfolgsversprechenden bilingualen Projekte existieren, sie wurden jedoch nicht oder nur teilweise empirisch ausgewertet. Um einen Einblick zu gewähren, werden im Folgenden zwei solcher experimentellen Projekte erwähnt, beide jedoch in Verbindung mit der Zielsprache Französisch. Zum einen liegt eine Projektdokumentation sogenannter ‘Îlots immersifs’ vor, in welchen Französischlernende der Fremdsprache in verschiedenen Fachbereichen spielerisch und lustvoll begegneten. Die Stimmen der beteiligten Lehrpersonen und Lernenden sind durchwegs positiv. (Departement Bildung, Kultur und Sport 2014) Zum anderen wurden basierend auf den bereits existieren Projekt explore-it (www.explore-it.org) bilinguale Unterrichtssequenzen entwickelt, mit welchen bei Schüler*innen der 5. und 6. Klasse das Verständnis für technische Alltagsobjekte gefördert werden sollen. Mithilfe vorhandenen Materialschachteln mit Alltagsgegenständen zum Experimentieren und mit Arbeitsanweisungen in der Fremdsprache bauen die Schüler*innen technische Objekte. Dabei setzen sie sich sowohl mit der Zielsprache Französisch als auch mit naturwissenschaftlichen Phänomenen auseinander. Erste Auswertungen zeigen, dass das duale Lernen in dieser projektartigen Umsetzung in knapp zwanzig Klassen erfolgreich verläuft: Trotz der fremdsprachlichen Hürde konnten alle Lernenden am Ende der Lerneinheit ein technisches Projekt fertigstellen und erlebten dabei Erfolgserlebnisse beim Fremdsprachenlernen. (Tinner 2018, S. 49–51)
Aufgrund der Tatsache, dass die Umsetzung solcher bilingualen Module in der Volksschule auf individueller Basis von innovativen Lehrpersonen bottom-up getragen wird, gibt es auch keine offizielle Statistik von Primarschulen, die regelmässigen CLIL-Unterricht oder vereinzelte bilinguale Module in den Unterricht integrieren. Deshalb entsteht insgesamt der Eindruck, dass CLIL in dieser Form an Schweizer Primarschulen wenig verbreitet ist. Als Gründe, wieso dieses grosse Potential für das bilinguale Lernen an den öffentlichen Primarschulen nicht mehr ausgeschöpft wird, werden unter anderem finanzielle und administrative Aufwände vorgegeben (Lüdi 2018, S. 17–18).
Indessen hat CLIL im Kanton Zürich eine beachtliche Tradition. Dies hängt mit dem innovativen Schulprojekt 21 zusammen, das neben anderen Themen im Zusammenhang mit der Einführung des frühen Englischunterrichts von 1998 bis 2003 auf der Primarstufe stattfand. In der Anfangsphase noch als ‘embedding’ bezeichnet, wurde in ausgewählten Klassen pioniermässig CLIL-Unterricht durchgeführt, indem fächerübergreifendes Sachwissen auf Englisch unterrichtet wurde. CLIL in dieser Variante A (vgl. Abbildung 1) als Unterrichtskonzept stiess dabei im Schlussbericht auf hohe Akzeptanz (Meuter & Stotz 2001, S. 243–44). Bei der flächendeckenden Einführung von Englisch auf der Primarstufe im Kanton Zürich im Jahr 2005 wurde CLIL jedoch in der Art und Weise des heute verbreiteten inhaltsorientierten Fremdsprachenunterrichts gemäss CLIL-Variante B (vgl. Abbildung 1) vorgezogen. Dies führte zu dem bereits erwähnten Resultat, dass CLIL als ein methodischer Ansatz die nachfolgend entwickelten Englisch-Lehrmittel stark prägte.
Bei beiden CLIL-Varianten A und B (vgl. Abbildung 1) variieren die Gewichtung des Sach- oder Fremdsprachenlernens stark. Insgesamt schaffen es weder die CLIL-Variante A noch Variante B dem Anspruch des Content and Language Integrated Learning zu gleichen Anteilen gerecht zu werden. Hier setzen Massler und Stotz (2013, S. 10–11) mit ihrer CLIL-Variante C an (vgl. Abbildung 1). Diese neue Stossrichtung gewährleistet die echte Fusion von beiden Fächern und fördert den dualen Kompetenzaufbau. Für den CLIL-Unterricht an der Primarstufe würde das bedeuten, dass sich in einer genuinen Fächerverschmelzung die für diese Schulstufe anstrebenswerte Handlungsorientierung besser umsetzen liesse, als im herkömmlichen themenorientierten Fremdsprachenunterricht. In der vorliegenden Untersuchung werden daher CLIL-Lerneinheiten dieses Typs C in Form von Modulen angestrebt.
Module eignen sich deshalb besonders für die Primarstufe, weil sie sich flexibel, situativ thematisch-passend in den Unterricht integrieren und sich mit relativ wenig organisatorischen Aufwand umsetzen lassen (Bechler 2014, S. 84; Elsner & Kessler 2013, S. 20–21). Sie lassen sich phasenweise nach Kapazitäten ohne Verankerung im Stundenplan umsetzen. Letzterer Aspekt wird als grosser Vorteil gegenüber mehr hochfrequentierten bilingualen Settings betrachtet, weil für deren Umsetzung vorgängig die Unterstützung und Zustimmung auf Ebene der Eltern, Schule und Behörden eingeholt werden müsste (Brohy 2017, S. 1). Auch wenn die eingangs geschilderten positiven Auswirkungen auf das fremdsprachliche, inhaltliche und kulturelle Lernen sich in diesen sporadisch angesiedelten Modulen nicht im gleichen Umfang erreichen lassen (Elsner & Kessler 2013, S. 21), so erhöhen sie trotzdem die Kontaktzeit mit und einen neuen Zugang zur Fremdsprache. Ersteres gelingt deshalb, weil CLIL-Module meist zusätzlich zu den herkömmlichen Fremdsprachenlektionen angeboten werden. Insgesamt können solche Module den vom Schweizer Lehrerverband (LCH) geäusserten Forderungen nach mehr Unterrichtszeit und Vernetzung des Unterrichts Rechnung tragen ohne den bereits vollen Stundenplan weiter zu belasten (LCH 2015, S. 3) oder andere Fächer aus dem Stundenplan zu verdrängen (Berthele 2018, S. 63). Die Primarlehrpersonen in der Schweiz bringen zudem, im Vergleich zu anderen Ländern, die idealen Voraussetzungen als CLIL-Lehrpersonen mit, weil sie die Unterrichtsberechtigung sowohl für die Fremdsprache als auch für weitere Fachbereichen ausweisen (Wolff 2013, S. 22; Lo 2020, S. 17, 21). Infolgedessen können sie die CLIL-Variante C der Gleichberechtigung und voller Integration beider Fächer professionell umsetzen. Sie sind zudem mit den verschiedenen Fachdidaktiken sowie dem fachübergreifenden Lehrplan vertraut, verfügen über die nötigen fremdsprachlichen Kenntnisse und kennen die für diese Zielstufe essentiellen didaktisch-methodischen Konzepte. Ferner sind sie es sich gewohnt die verschiedenen Ausgangsbedingungen und Leistungsgruppen in ihren heterogenen Klassen zu berücksichtigen.
Im nachfolgenden Kapitel wird der Schweizer Primarschulkontext unter dem Kontext der dort vorherrschenden Vielfalt genauer beleuchtet und aufgezeigt, wie CLIL diesem hohen Anspruch nach Differenzierung und Individualisierung gerecht werden kann.