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KAPITEL SECHS

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»Oh, was ist in diesem Karton drin?«, fragte Thorne.

Riley sah zu ihm. Er pulte gerade an dem Paketband, das einen mittelgroßen Karton mit der Aufschrift Persönlich verschloss. Augenblicklich wurden Rileys Wangen heiß. Er entriss Thorne den Karton. »Gib den her!«

»Ist da dein Sexspielzeug drin?«

Riley schüttelte den Kopf. »Nein, das meiste davon habe ich doch sowieso schon hier.«

»Und ich dachte, du hast noch einen Geheimvorrat an Sexspielzeug«, sagte Thorne enttäuscht. »Spielzeug, das ich noch gar nicht kenne.«

Riley grinste. »Vielleicht habe ich das ja? Wenn dich etwas Bestimmtes interessiert, kannst du es mir aber auch einfach sagen, dann bestellen wir es.«

Nun war Thorne derjenige, der rot wurde. »Ich habe an nichts Bestimmtes gedacht.«

Riley hob eine Augenbraue. Oh, Thorne dachte ganz eindeutig an etwas Bestimmtes und Riley würde die Antwort früher oder später schon aus ihm herausbekommen.

»Wenn es kein Sexspielzeug ist, was ist es dann?«

»Thorne, lass es einfach gut sein, ja?«

Thorne wirkte verletzt. Das war das Letzte, was Riley wollte, aber er hatte das Recht auf ein wenig Privatsphäre.

Schließlich stellte Thorne den Karton ab und griff nach einem anderen mit der Aufschrift Kochbücher. »Soll ich die hier im Esszimmer auf das Regal stellen?«

»Ja, das wäre großartig.«

Thorne zog ein paar Bücher aus dem Karton und begann, darin zu blättern. »Wann machst du mal etwas aus diesem Buch hier?« Es war eine Ausgabe von Death by Chocolate.

»Such dir doch etwas aus, was dir gefällt, und dann musst du es dir verdienen«, zog Riley ihn auf. Hoffentlich würde das Thorne aus seiner mürrischen Laune reißen, sodass er nicht mehr schmollte.

Thorne keuchte auf, als wäre er entsetzt. »Du versauter Junge!«

»Ha! Ich bin kein bisschen versauter als du!«

»Und das ist einer der Gründe, weshalb ich dich liebe.«

Riley hoffte einfach nur, dass es nicht der einzige Grund war.

»Hey, wieso guckst du denn so?«, fragte Thorne.

Nein, er hatte keine Lust, sich mit Thorne darüber zu unterhalten, dass er verunsichert war. Er würde so jämmerlich klingen. »Gar nichts«, sagte er deshalb.

»Riley. Nach all der Zeit, die wir nun miteinander verbracht haben … Denkst du etwa ernsthaft, dass ich nur am Sex mit dir interessiert bin? Wenn das so wäre, dann hätten wir unsere Beziehung doch niemals geändert.«

»Nein, das denke ich nicht, nicht wirklich. Zumindest nicht, wenn ich gerade klar denke.«

Thorne legte die Stirn in Falten. »Was ist denn dann los?«

»Ich habe Angst, dass es dir vielleicht zu viel wird, je besser du mich kennenlernst.«

Thorne schüttelte den Kopf. »Ich kann mir unmöglich vorstellen, dass ich jemals zu viel von dir kriegen könnte.«

»Wie kannst du dir so sicher sein? Aber, nein, das war eigentlich auch gar nicht das, was ich gemeint habe. Ich habe gemeint, dass du Riley besser kennenlernen wirst. Nicht Dash. Und vielleicht magst du Riley nicht so sehr wie Dash.«

»Ich mag Riley. Sehr sogar. Aber, ja, ich denke, ich weiß, was du meinst. Jetzt, wo wir wirklich zusammen sind, ist es schwieriger, vollkommen ehrlich zueinander zu sein. Weil alles so … echt ist.«

Riley nickte. »Ja, genau.«

»Das war unter anderem meine größte Angst, als ich begonnen habe, mir eine ernste Beziehung mit dir zu wünschen. Dash konnte ich immer alles sagen, weil ich zu ihm eine professionelle Beziehung hatte. Eine temporäre Beziehung. Aber jetzt … Es ist genau das, was ich will, aber es ist nicht einfach.«

»Geht dir alles zu schnell?«, fragte Riley. Sein Herz raste. Würde Thorne jetzt etwa vorschlagen, dass er wieder ausziehen sollte? Nachdem er endlich den Mut gefunden hatte, mehr als nur seine Klamotten auszupacken?

»Nein«, äußerte Thorne so laut und vehement, dass Riley vor Schreck zusammenzuckte. Dann atmete er tief durch. »Entschuldige. Nein, ich denke nicht, dass es ein Fehler war, zusammenzuziehen. Aber vielleicht erwarten wir zu viel voneinander, statt uns daran zu erinnern, dass all das für uns beide neu ist.«

»Wir können nicht voneinander erwarten, dass der andere perfekt ist.«

»Ist es das, was dir Sorgen bereitet?«, fragte Thorne. »Dass ich Perfektion von dir erwarte? Das tue ich nämlich nicht. Riley, das hier ist nicht mehr dein Job. Es ist okay, wenn du müde bist oder sonst etwas. Du musst keine Show für mich abziehen.«

Riley hätte nicht gedacht, dass Thorne so leicht begriff, was das Problem war. »Seit wann bist du so verdammt einfühlsam?«

»Ich glaube, das ist allein deine Schuld.«

Riley lächelte. Irgendwie fühlte er sich schon viel besser. »Hm, ja, kann schon sein.«

Thorne schnappte sich einen Stapel Kochbücher und erhob sich. »Ich räume die mal ein.«

»Es sind Kinderbücher, okay?«

»Was?«

»Der Karton, nach dem du gefragt hast. Da sind meine alten Kinderbücher drin. Ich habe nicht viel mitgenommen, als ich bei meinen Eltern ausgezogen bin, aber die Bücher konnte ich unmöglich zurücklassen. Die zählen zu meinen besten Kindheitserinnerungen.«

Thorne ließ sich neben Riley auf dem Boden nieder und legte eine Hand auf seinen Arm. »Und du hast gedacht, dass mich das stört?«

Riley schüttelte den Kopf. »Nein. Aber es ist mir irgendwie ein bisschen peinlich. Es wäre eine andere Sache, wenn meine Mom noch leben würde und sie behalten hätte … Allerdings hätte sie sie nicht behalten. Sie hat immer schonungslos alles weggeworfen, was wir nicht mehr brauchten. Ich musste die Bücher verstecken, damit sie nicht im Müll landen. Aber dass ich sie behalten habe …«

Thorne legte den Finger auf Rileys Lippen und unterbrach ihn damit. »Bleib hier«, befahl er. Nur einen Moment später kehrte er zurück und streckte Riley ein paar dünne Bücher entgegen. Eines davon war eine ramponierte Ausgabe von Thomas, die kleine Lokomotive. Dann gab es da noch ein paar Bände der Hardy Boys und Ein Tag im Schnee von Ezra Jack Keats. »Ich habe auch ein paar meiner alten Kinderbücher behalten.«

Riley griff nach Ein Tag im Schnee und begann, darin zu blättern. »Das hier habe ich als Kind geliebt.«

»Ich auch«, sagte Thorne. »Als Kind habe ich mir immer gewünscht, in Atlanta würde es öfter schneien.«

Riley legte einen Finger unter Thornes Kinn und hob seinen Kopf an. Er sagte nichts, beugte sich nur zu ihm und küsste ihn. Sanft strich er mit seinen Lippen über Thornes, begann ihn mit seiner Zunge zu necken, bis Thorne den Mund öffnete und Riley ihn wirklich schmecken konnte. Er saugte an Thornes Unterlippe und schmiegte sich an seinen warmen Körper. Die Art, wie bereitwillig er Riley jedes Mal in seine Arme zog, war einfach wundervoll.

»Ich liebe dich«, flüsterte Riley, als er sich von ihm löste.

Thorne schenkte ihm ein liebevolles Lächeln. Dann griff er nach Thomas, die kleine Lokomotive. »Das hier hat mein Dad mir ständig vorgelesen. Er wollte, dass ich wie diese kleine Lokomotive bin. Dass ich niemals aufgebe. Aber manchmal wollte ich einfach stehen bleiben, die Umgebung betrachten … Außerdem ist dieser verdammte Clown so was von verstörend.«

Riley konnte ein Lachen nicht zurückhalten. »Schon, oder?«

»Zuerst habe ich es behalten, um mich daran zu erinnern, dass ich alles schaffen kann. Aber dann, nachdem ich dich getroffen habe, habe ich erkannt, dass es okay ist, einfach mal stehen zu bleiben. Es ist okay, eine Weile einfach nur die Umgebung zu betrachten.«

Riley drückte Thornes Hand fest. »Ich finde es wunderschön, dass ich das für dich tun konnte.«

»Ich auch. Riley, du hast mir beigebracht, dass ich endlich damit aufhören muss, mich zu verausgaben. Ich kann nicht völlig allein einen ganzen Zug bergauf ziehen.«

Riley lächelte. Gott, wenn er das nur selbst endlich begreifen könnte.

Es war ein ernster Moment. Gut, aber ernst. Thorne musste es wohl auch spüren, denn er legte seine Kinderbücher auf den Karton und stand auf. »Wir können sie nebeneinander auf ein Regal stellen, wenn du magst. Meine stehen in diesem Glasschrank neben dem Schreibtisch. Ich fände es schön, wenn du deine auch dorthin stellst.«

»Das fände ich auch schön.« Riley hob seinen Karton an und folgte Thorne ins offene Wohnzimmer.

Thorne öffnete den Schrank.

Riley erblickte eine Ausgabe von Schwalben und Amazonen, daneben weitere Bände dieser Reihe. Im Schrank standen noch einige andere Bücher, aber es gab genug Platz für Rileys Sammlung. Es war lächerlich, aber trotz allem spürte Riley, wie seine Wangen heiß wurden, als er die Bücher aus dem Karton nahm und sie in den Schrank stellte. Er hatte so viel mit Thorne geteilt, Momente, die intimer nicht hätten sein können, doch das hier war etwas anderes.

Thorne fuhr über den Einband des ersten Buches Gute Nacht, lieber Mond.

»Meine Mom hat mir das jeden Abend vorgelesen, als ich noch ein Kleinkind war«, erklärte Riley. »Immer wieder wollte sie mich zu einem anderen Buch überreden. Aber das hier war das einzige, das ich hören wollte.«

Das nächste Buch war Wilbur und Charlotte.

»Ich habe mir oft gewünscht, so eine tolle Freundschaft zu erleben wie die zwischen Wilbur und Charlotte. Habe ich aber nie. Bis ich Marc getroffen habe.« Riley sah auf. »Und dann habe ich dich getroffen.«

»Ich werde dich immer beschützen«, sagte Thorne. So ernst hatte Riley ihn nur selten erlebt.

Riley hob die Hand und legte sie auf Thornes Wange. »Das weiß ich doch. Immerhin habe ich dich in Aktion erlebt.«

Thorne hatte damals im Museum tatsächlich einem früheren Kunden von Riley eine reingehauen. Der Mann hatte Riley zutiefst beleidigt, weil er angenommen hatte, dass Riley nur wegen des Geldes mit einem Dreier einverstanden wäre. Nun hatte der Mann im Museum Hausverbot.

Thorne sah ihm tief in die Augen. »Ich würde alles tun, um dich glücklich zu machen, wenn du es nur zulässt.«

Riley war schon versucht, nachzugeben. Fast hätte er zugestimmt, Thorne gesagt, dass er das Startkapital von ihm annehmen würde; und auch alles andere, was er ihm geben wollte. Doch er tat es nicht. »Ich brauche etwas Zeit. Ich muss überlegen, welche Dinge für mich okay sind und welche nicht.«

»Riley, ich würde dir so gerne etwas schenken. Ich will dir helfen, dich unterstützen. Und ich hoffe, du weißt, dass ich dafür keine Gegenleistung erwarte.«

»Und mir ist es wichtig, klare Grenzen abzustecken. Ich will nicht, dass du alles für mich übernimmst. Das wäre zu einfach.«

Nun wirkte Thorne verwirrt. »Riley, ich will doch einfach nur, dass du du selbst bist. Ich will dich nicht kontrollieren.«

Riley hob die Augenbrauen. »Vor ein paar Minuten hast du noch gesagt, dass …«

Thorne seufzte übertrieben theatralisch. »Das war ein Witz, ich hoffe, das ist dir klar.«

Sei kein Arsch.

Riley entschied sich, auf seine innere Stimme zu hören. Er schlang die Arme um Thorne und zog ihn in eine Umarmung. »Ich liebe dich.«

»Ich liebe dich auch«, sagte Thorne, bevor er sich von ihm löste. »Geh doch mal und pack den Rest deiner Klamotten aus. Ich kümmere mich um die Kochbücher und die DVDs.« Tatsächlich war Riley einer der wenigen Männer in seinem Alter, der noch DVDs kaufte. »Und dann können wir Cheesecake essen.«

Thorne versuchte schon wieder, die Kontrolle zu übernehmen. Doch diesmal ließ Riley es zu.

Später, als sie mit den Kartons tatsächlich ganz gut vorangekommen waren, beschloss Thorne, dass die Zeit reif für ein Stück Kuchen war.

»Ich sollte noch die restlichen Hausaufgaben erledigen«, sagte Riley, als er den letzten Rest Ingwer-Soße von seinem Finger leckte.

»Nein, wir sollten jetzt ins Bett gehen. Du hast in letzter Zeit nicht genug Schaf bekommen.«

»Wirst du mich etwa schlafen lassen?« Wenn sie zur selben Zeit ins Bett gingen, endete es immer zumindest mit einem Handjob.

»Ja, tatsächlich werde ich das. Und wage es nicht, mich zu verführen. Das wird nichts; ich werde dich nämlich nicht anrühren.«

»Mhm.« Riley hatte das schon oft genug gehört.

»Im Ernst. Du hattest in den letzten Wochen viel zu viel Stress. Du brauchst eine Pause.«

Riley grinste. »Hör dich mal an! Und stell dir vor, ich hätte dir bei unserer ersten Begegnung erzählt, dass du das mal sagen wirst.«

»Du hast mir viel beigebracht. Wie sagt man so schön? Du hast ein Monster erschaffen.« Thorne schenkte Riley ein Grinsen, das wohl monströs wirken sollte. Dann stand er auf und streckte ihm die Hand entgegen. »Komm. Hör auf deine eigenen Ratschläge.«

Riley stand auf und brachte seinen Teller zur Spülmaschine. »Also schön. Aber nur, weil du nörgeln wirst, wenn ich nicht auf dich höre.«

»Nörgeln? Ich?«

»Ja, ganz genau. Du.«

Thorne verengte seine Augen gespielt zornig. »Ich nörgle doch nicht. Nein, ich bestehe darauf. Und wenn ich das tue, dann machen die Leute normalerweise, was ich ihnen sage.«

»Manche Leute tun, was du sagst.«

»Du warst schon immer eine Ausnahme.«

Ein paar Minuten später hatten sie sich die Zähne geputzt und machten es sich im Bett gemütlich. Als Thorne die Bettdecke über ihnen ausbreitete, stupste Riley ihn an, bis er sich umdrehte und sich von Riley in eine kuschelnde Umarmung ziehen ließ. Überraschenderweise hatte Thorne es anscheinend ernst gemeint. Er machte keinerlei Anstalten, Riley zu verführen. Also schlummerte Riley nur einen Moment später ein und hielt den Mann, den er liebte, fest in seinen Armen.

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