Читать книгу Die Sehnsucht der Kormorane - Silvija Hinzmann - Страница 10
Vier
ОглавлениеDer Benzinkanister lag unter einem wackeligen Plastiktisch in der Ecke des Schuppens. Karlović trug ihn zum Haus und schraubte den Verschluss auf.
»Hey, was machst du?«, fragte Viktor panisch.
»Siehst du doch. Gib mir den Schlüssel!«
Viktor tat es.
Karlović schloss die Tür auf und schüttete das Benzin auf die Treppe, über die Jacken an der Garderobe, auf den Steinboden in der Küche und den Teppich im Wohnzimmer. Dann ging er nach draußen, rannte ums Haus zum Pool neben der Terrasse und ließ dabei die Flüssigkeit aus dem Kanister laufen.
»Deine Maske!«, herrschte er Viktor an, der ihm fassungslos gefolgt war.
Viktor gab ihm das Ding.
Karlović zog seine Maske herunter, tränkte beide mit Benzin und kippte den Rest auf den Stapel Holzbohlen, die für die Terrasse geliefert worden waren. Dann warf er den Kanister achtlos zu Boden.
»Lauf zum Wagen, ich komme nach.«
»Mann, du bist komplett durchgeknallt.«
»Im Gegenteil, das nennt man Spurenbeseitigung. Solltest du auch nur eine Sekunde mit dem Gedanken spielen, mich zu verpfeifen oder abzuhauen, bist du ein toter Mann.«
Viktor schüttelte nur den Kopf.
»Verschwinde jetzt!«
Viktor rannte durch die finstere Allee zur Straße. Er war sicher, dass man seine Schritte hunderte Meter weit hören konnte. Aber das Rauschen des Blutes in seinen Ohren machte ihn fast taub. Wenn er jetzt die Polizei anriefe, könnte er den Irren vielleicht noch stoppen. Er war sicher, dass Karlović den Mann erschossen hatte. Wenn er Alarm schlug, würde man ihn als Mittäter verhaften. Nein, er konnte es nicht tun. Aber morgen, wenn Karlović hoffentlich fort war, würde er sich stellen.
Währenddessen zündete Karlović mit seinem Feuerzeug die Sturmmasken an und schleuderte sie in die Diele. Flammenzungen glitten wie Schlangen über den Steinboden zum Teppich im Wohnzimmer, rollten in die Küche und lechzten die Treppe hoch. Die Jacken an der Garderobe loderten hell auf. Im Nu fraßen sich die Flammen durch das ganze Haus. Als ihm der beißende Brandgeruch, die Hitze und der Rauch entgegenschlugen und den Atem raubten, wandte er sich ab, knallte die Tür zu und rannte los.
Viktor lief zum Wagen, sprang ans Steuer und fuhr zum Schotterweg vor. In diesem Moment explodierte die Gasflasche unter der Küchenspüle. Die Detonation war ohrenbetäubend, die Fensterscheiben zersplitterten, Klappläden barsten, Splitter schossen in alle Richtungen. Die dunkle Rauchwolke wand sich unheilvoll über den Flammen, die das Haus verschlangen.
»Was für ein verdammter Idiot!«, schrie Viktor, als er am Kiesweg hielt und dem Inferno zusah.
Die Beifahrertür wurde aufgerissen. Karlović stieg ein und schallte sich an.
»Mach die Scheinwerfer aus.«
»Du blutest«, sagte Viktor tonlos.
Karlović wischte sich mit der Hand übers Gesicht und schlug Viktor auf den Oberarm.
»Fahr endlich!«
Viktor schaltete die Scheinwerfer aus, gab Gas, bremste nach ein paar Metern ab und riss das Lenkrad nach links, um auf die Straße zu kommen. Um ein Haar hätte er die Straßenlaterne gerammt.
»Spinnst du?«, brüllte Karlović.
»Ich nicht!«
Hinter ihnen wütete das Feuer. Dachziegel krachten herunter, der Schuppen, die Bäume und die Lorbeerhecke gingen prasselnd in den Flammen zugrunde. Dicker Rauch verpestete die Luft, Funken flogen wild umher und die glühende Hitze stieg zum Himmel empor. In mehreren Häusern am Hang gingen die Lichter an. Eine Frau schrie von einem Balkon um Hilfe. Bei der Feuerwehr und dem Polizeirevier gingen die ersten Notrufe ein.