Читать книгу Asitor10 - Asitor (Band1) - Simon Savier - Страница 7
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ОглавлениеPlanetensystem Sol
Raumstation Varius-3
Im Orbit des Planeten Erde
13.August 2423, terranische Zeitrechnung
Boone betrat die für zwei Personen ausgerichtete Pilotenkanzel seines Flyers , der auf den Namen Holmes getauft wurde, und sah sich begeistert um. Er liebte die unzähligen, derzeit noch nicht blinkenden Lämpchen, Knöpfe, Schalter, digital leuchtenden Anzeigen und den ganzen anderen Firlefanz, der in einem Cockpit dazu da war, das kleine Raumschiff von A nach B zu steuern. Er kannte die Sinnhaftigkeit jeder einzelnen Anzeige und die Funktionen jedes einzelnen Instruments. Boone konnte es kaum noch erwarten, sie alle zu bedienen.
Bevor er seinen Platz einnahm, lugte er durch die viergeteilte, abgeschrägte Frontscheibe, hinüber zu Quinns Flyer, der passend zu seinem eigenen Flugapparat Watson hieß. Die Terranerin hatte ihren Platz bereits eingenommen. Boone winkte ihr zu.
Im Frontbereich befanden sich zwei der vier 160 Grad winkligen Gläser. Durch die beiden seitlich angrenzenden Scheiben hatte der Pilot ein nahezu doppelt so breites Sichtfeld nach außen.
Mel trat einen Schritt nach vorne zwischen zwei im Cockpit integrierte Stühle und hatte die Wahl. Er hielt es wie beim Autofahren, der Pilotensitz zu seiner Linken sollte sein angestammter Platz werden.
Nachdem er den Stuhl warmgesessen hatte, hauchte er Holmes neues Leben ein, indem er sämtliche Systeme aktivierte und die bis dato toten Lämpchen zum Leuchten brachte. Nachfolgend arbeitete er die Systemcheckliste der Reihe nach ab.
Nahezu zeitgleich initialisierten er und sein Pendant Abby die Startsequenz. Automatisch sogen sich die Triebwerke mit Energie voll und heulten auf. Die Andockklammern lösten sich. Die Holmes und die Watson setzten langsam zurück. Gemächlich drehten sie sich um ihre eigene Achse, bis sie der Raumstation die Hecks zugewandt hatten. Nach zeitlicher Absprache mit Varius-3 betätigten die beiden Terraner die Initialzündung simultan, und die Reise begann.
Fünf lange Monate würden sie unterwegs sein, bevor sie ihr erstes Ziel, den Wüstenplanet Aroia, erreichten. Die Routen aller vier Planeten waren im Computer der beiden Flyer Holmes und Watson vorprogrammiert, so dass die Piloten Mel Boone und Abby Quinn einzig und allein die Koordinaten alle zehn bis zwölf Stunden auf ihre Richtigkeit und Genauigkeit überprüfen mussten.
Langweilig. Boone fläzte träge auf seinem Platz, beide Beine über den rechten Stuhl drapiert, und pulte sich energielos Essensreste aus den Zähnen. Auf dem vorprogrammierten Kurs wird uns nicht mal ein verirrter Meteorit, der mindestens genauso gelangweilt ist wie ich, begegnen. Sie hatten zum Partnerschiff sowohl Kommunikations- als auch Sichtkontakt. Boone starrte bereits mehrere Minuten auf die Kommunikationstaste, die eine direkte Verbindung zu Quinns Pilotenkanzel öffnen konnte. Er hätte sich nur ein wenig zur Seite beugen und den Arm ausstrecken müssen, um an die Taste zu gelangen. Doch nach eigener Beurteilung war das viel zu mühsam.
Als hätte Abby seine Gedanken hören können, meldete sie sich bei ihm. Ein langgezogenes Gähnen fuhr durch die Lautsprecher. »Und …«, war es deutlich unmotiviert von ihr zu hören, »bei Euch was Neues?«
Boones Zahnstocher verharrte zwischen zwei Zähnen. Er hob die Brauen und starrte auf den Lautsprecher, aus dem Abbys Stimme erklang. Wir fliegen in zwei identischen Flyern nebeneinander her. Ich links, Sie rechts - in einem Abstand von gerade mal 150 Meter auf demselben Kurs. Und du willst von mir wissen, ob es bei uns etwas Neues gibt? »Naa … nicht bei uns im Westen.«
»Ach schade. Na dann … ciao.« Eine Minute später meldete Quinn sich noch einmal. Sie lachte. »T’schuldigung, meine Unlust hat mein Hirn lahmgelegt. `nicht bei uns im Westen´ … wirklich clever.« Dann unterbrach sie die Verbindung wieder.
Er starrte überrascht auf das Kommunikationssystem.
Die Zeit, die sie hatten, nutzten sie zum Teil, um die Unterlagen genau zu studieren. Unter anderem waren Informationen über den Standort der Energiequellen enthalten in der Hoffnung, sich ihrer bemächtigen zu können. Über die Zusammensetzung oder Eigenschaften der fremden Quelle stand nichts im Bericht.
Um die Informationen besser verarbeiten zu können – zumindest war das die offizielle Ausrede – hatten die Ten4 eine wöchentliche Zusammenkunft auf der Holmes anberaumt, bei der jede Neuerkenntnis oder anfallende Frage diskutiert wurde. Natürlich waren sie sich darüber im Klaren, vorsätzlich gegen Samuras Separationsregel verstoßen zu haben.
Eine hitzige Fachsimpelei entwickelte sich zwischen den Streithähnen Bras, dem Glaziologen und Celáhr Dran, dem Ozeanographen. Auch die restlichen Ausflügler waren in ihre Gespräche vertieft…
…und ich hatte Muße, die bunt zusammengewürfelte Gesellschaft aller Couleur zu betrachten.
Da sind zu meiner Linken die beiden schlanken Alesstri: Bras, aus dem Haus der Dritten, Uco’Nephty, und seine Frau Lih’Ar, aus dem Haus der Ersten, Uco’Chenty, die stets ein Lederband um den Hals trug, an dem ein geheimnisvoller Schlüssel hing - beides Glaziologen. Die Haare des Paares wirkten wie Glasfäden. Exotisch ihre blauviolett changierende Haut. Im Kontrast dazu smaragdgrüne Augen, die, wie mir gesagt wurde, bei einem Ru’Uco, was soviel wie Vorhersage bedeutet, noch viel intensiver grün zu leuchten beginnen. Zusätzlich stieben ihre gläsernen Haare empor. Diese Fähigkeit beschränkt sich auf fünf große Häuser der alesstrischen Spezies, die nur untereinander den Bund der Ehe eingehen, um die Gabe des Ru’Ucos zu sichern. Ein wirklich außergewöhnliches Paar.
Neben den beiden Alesstri sitzen, wie gemalt, die Gidaner Celáhr Dran und seine Kollegin Anúa Sora, Amphibienwesen und Ozeanographen aus Leidenschaft. Bewundernswert ihre irisierende Perlmutthaut und Augen glitzernd wie strahlende Diamanten. Auffallend das extrem spitze Kinn, welches in einem Bogen nach oben strebt und zu einer Spitze zusammenwächst. Ein besonders ausgefallenes Merkmal sind ihre Kiemen, welche von den Ohren bis zur Hälfte des Kinns reichen, was davon zeugt, dass es Lungen- und Kiemenatmer sind. Eines der interessantesten Dinge an dieser Spezies sind ihre transparenten Augenlider, was ihnen die Speicherung von Wärme und Energie durch ihre Augen ermöglicht. Aufgefallen sind mir auch die außergewöhnlichen Hände. Ihre Finger sind etwa drei Zentimeter länger als die der Terraner. Am hervorstechendsten an den Beiden jedoch sind ihre Fingernägel. Sie variieren fortwährend in einem Feuerwerk an Farben wie ein ständig wechselnder Regenbogen. Einfach fantastisch.
Zu meiner Rechten befanden sich, subjektiv betrachtet, wohl die optisch schönsten Geschöpfe: die beiden Creen Dr. mult. Yadoo Throna und Dr. mult. Condara Tyy, beides unter anderem Biologen und Mediziner. Stattliche Größe, muskulös, ohne protzig zu wirken. Eine Haut, schwarz wie das All, nicht glatt, sondern rauledergleich. Das Prägnanteste sind jedoch die leuchtendblauen Augen und ebenfalls leuchtendblauen Haare. `Sie leuchten auch in der Nacht´, sagt man. Das edle Antlitz Yadoos ziert einen Bart, der seinen Mund umrandet, ebenso strahlendblau wie Aug und Haar. Das Ungewöhnlichste an den beiden ist ihre enorme Kraft. Wenn sie ihre Muskeln stark beanspruchen, schimmern die Adern intensiv blau durch die Haut am ganzen Körper. Eigentlich ist es nicht leicht, sich vorzustellen, dass zwei so beeindruckende Persönlichkeiten Doktoren sind. In meiner Vorstellung sehen derartige Berufsgruppen immer wie zerstreute Professoren aus. Man kann sich ihrer enormen Ausstrahlung kaum entziehen. Ich glaube, wir könnten Freunde werden.
Gegenüber der Gidaner weilten - wie kleine liebenswerte Kobolde - die echsenähnlichen Biogeographen, Geologen und Vulkanologen, Carsi Wops und Akilara Siri vom Planeten Tos’Pa. Ihre Kleinwüchsigkeit, durchschnittlich einen Meter dreißig, hat bestimmt viele Vorteile. Eigentlich sind sie die unscheinbarsten Gesellen … auf den ersten Blick. Hellgraue Haut, die Nase nicht mehr als eine Beule mit zwei winzigen Atemlöchern. Hervorstechend sind die Augenform und –farbe. Anders als bei den meisten Humanoiden stehen sie senkrecht in einem blassen, orangeroten Gesicht. Ein weiteres Merkmal, bei dem sich die Evolution etwas gedacht hat, war ein zweites schwarzes Augenlid, das bei Bedarf vor extremer Sonneneinstrahlung/-wirkung schützt. Von der Stirn über die Nase bis zum Kinn zieht sich bei den männlichen Tospari ein schmaler grauer, flauschiger Haarstreifen. Ebenso um die Handgelenke, das auch bei den weiblichen Tospari zu erkennen ist. Aus den Handgelenken wachsen statt der üblichen fünf Finger nur vier, inklusive des Daumens. Ein einzigartiger Vorteil machte die Tospari zu einer außergewöhnlichen Spezies – sie wechseln, wenn von Nöten, wie ein Chamäleon die Farbe der Haut und Haare, passen sich also ihrer jeweiligen Umgebung perfekt an. Sehr erstaunlich!
Abby Quinn … ihres Zeichens Terranerin und mein Gegenstück. Laut Bericht haben wir dieselbe Ausbildung genossen – sechs Ingenieurstitel und fünf Pilotenlizenzen. Außerdem ist sie eine Frau, die sicher mehr als nur einen Blick auf sich zieht und auch wert ist. Haare glänzendbraun bis zu den Schulterblättern, wie ein seidener Vorhang. Augen braun wie Haselnüsse, eine Wärme ausstrahlend, die ihres Gleichen sucht. Und die Figur! Jede ausgeprägte Kurve, da wo Gott sie vorgesehen hatte. Ich muss innerlich einen Pfiff ausstoßen, einfach überwältigend. Außerdem klug und mutig. Ich muss aufpassen, dass ich nicht mein Herz verliere.
Plötzlich riss Boone der erhitzte Streit der beiden Kontrahenten aus seinen eingehenden Betrachtungen. Schade. »Schluss jetzt mit der Diskussion! Oder wollt Ihr hinter Holmes herlaufen?«, versetzte er den Querulanten einen lautstarken Seitenhieb und beendete somit den Streit und zugleich auch die Zusammenkunft. Man verabschiedete sich freundlich: »Geh mir aus den Augen!«, »Mach, dass du wegkommst!«, und sie zogen sich zurück.
∞ ∞ ∞
Planetensystem Ahq-307
Laurengürtel, Tercius Quadrant
09.Dezember 2423, terranische Zeitrechnung
Knappe vier Monate später, wieder war es an der Zeit die Flugkontrollen zu überprüfen, starrte Boone leichenblass zuerst auf seine Anzeigen und dann ungläubig nach rechts aus dem Fenster. »Verfluchter Mist!« Er stoppte die Holmes und machte kehrt.
Seinen Passagieren, die sich im Augenblick im Gemeinschaftsraum aufhielten, fiel der plötzliche Kurswechsel trotz der Stabilitätskontrollen sofort auf. Der schwarzhäutige Creen Yadoo Throna verließ seinen Platz und ging zum Cockpit. Höflichkeitshalber klopfte er, betrat es aber, ohne eine Antwort abzuwarten. »Darf ich fragen, was dich zu der Kursänderung bewegt hat?«
Boone wirkte hektisch. »Das Schiff natürlich.« Throna reagierte nicht auf den Scherz. »Watson ist von meinem Radarschirm verschwunden. Keine Ahnung warum.« Er zuckte mit den Schultern. »Weshalb sie nicht gemeldet hat, dass sie unzweifelhaft ein Problem hat, ist mir schleierhaft«, erklärte er kurz. Die Versuche, Kontakt mit Quinn aufzunehmen schlugen fehl. Seine Ohren vernahmen lediglich ein kurzes Krächzen, das sich wie der Versuch eines Signalaufbaus anhörte. Boone rieb sich die Stirn und kratzte sich auffällig am Hinterkopf, um seine Gehirnzellen anzukurbeln. »Fängt gut an.« Er rümpfte die Nase. »Als nächstes erfahren wir von Boss Samura, dass sich die vier Planeten einen Scherz erlaubt haben, indem sie untereinander willkürlich die Plätze getauscht haben, nur damit wir uns unsere Hintern auf dem Eisplaneten abfrieren, weil wir dachten, wir wären auf dem Wüstenplanet.« Er sah gedankenverloren nach oben und schüttelte sich als würde ihm frösteln. »Die Bälle würden sich bestimmt über uns zerkugeln.«
Sie steuerten ihren Flyer auf derselben Strecke zurück. Nach mehreren Stunden tauchte Watson auf dem Radar auf. Boones Besatzung atmete erleichtert auf. Abbys Flyer war 4,3 Milliarden Kilometer vom Kurs abgekommen.
Boone dockte die Holmes an der Watson an, ging an Bord, direkt zur Pilotenkanzel. Erst auf den zweiten Blick hatte er sie entdeckt. Sie lag auf dem Bauch und war halb unter einem Schaltpult verschwunden. Seine Hast und seine Anspannung waren vergessen. Ebenso seine Frage, die er ihr stellen wollte. Die wohlgeformten Hinterbacken, die ihm entgegenragten, machten es ihm unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen.
»Wer ist da? Irgendjemand, der mir helfen kann?«
Abbys Worte hörten sich für ihn dumpf und weit entfernt an, so dass es Mel schwer fiel, sie zu verstehen.
Als sie keine Antwort bekam, versuchte sie unter dem Pult hervorzukriechen, was ihr nicht auf Anhieb gelang. Sie drückte ihren Oberkörper mit den Armen zurück, um sich auf ihre Knie zu setzen. Dabei drückte sie zwangsläufig ihr Gesäß nach hinten. Genussfreudig starrte Boone sie weiter an.
Erst als Quinn ihren Kopf unter der Armatur hervorbrachte und sich rasch umdrehte, um den stummen Störenfried zu identifizieren, löste sich seine Starre, und er stellte augenblicklich seine Frage, um sein verfängliches Spannen zu überspielen. »Was ist passiert? Warum seid Ihr so weit vom Kurs abgekommen?«
Mit zusammengepressten Augen sah ihn Quinn kritisch an. Sie musterte ihn einige Sekunden übertrieben, bevor sie wieder unter dem Pult verschwand. Dieses Mal lag sie auf dem Rücken. Boone atmete über die meisterlich überstandene Situation auf. Als er sie jetzt am Boden herumkauern sah, erinnerte sie ihn an sich selbst, wenn er unter einem seiner alten Boliden lag und an ihnen herumschraubte. An ihr würde ich auch gern mal herumsch… Schluss jetzt!, brachte er sich selbst zur Räson. So kannte er sich nicht. Ihm wurden seine eigenen Gedanken unangenehm.
»Irgendwo liegt der Hund begraben«, raunte Quinn. Fluchend tastete sie nach einem bipolaren Dekompilierer. Boone konnte ihn sehen und schob ihn mit seinem Fuß näher an ihre Hand heran, bis sie ihn zu fassen bekam. »Keine Ahnung, woran es liegt. Ohne Grund hat dieser fliegende Schrotthaufen einfach abgedreht. Kurz darauf hat es einen Kurzschluss gegeben, der so gut wie alles lahmgelegt hat, inklusive Komm-Verbindung und Lebenserhaltungssystem.« Sie ließ den Dekompilierer fallen und suchte nach einem anderen Gerät. »Aber zum Glück kontrollieren wir alle zehn Stunden unseren Kurs. Also war es nur eine Frage der Zeit, bis Ihr hier auftauchen würdet.«
»Das bringt unseren ganzen Zeitplan durcheinander«, war Boone verärgert. »Wir müssen den Kasten so schnell wie möglich wieder auf Vordermann bringen.« Abwesend blickte er aus der Frontscheibe ins weite All. »Jetzt haben die noch mehr Zeit, ihre Plätze zu tauschen«, knurrte er murmelnd.
»Wie war das?«, fragte sie.
»Ach nichts«, winkte er ab und legte sich zu ihr unter das Schaltpult. »Fangen wir an.«
Ich glaube, es kann endlich weiter gehen«, meinte Quinn mit einem prüfenden Blick auf die Schadensmeldung.
Boone wischte sich den Schweiß von seiner Stirn. »Wird auch langsam Zeit«, sagte er und warf der Konsole, unter der er die meiste Zeit verbracht hatte, einen verächtlichen Blick zu. »Vierzehn Tage! Vierzehn verdammte Tage haben uns die Reparaturen gekostet. Vierzehn Tage, die wir von den sechsundzwanzig abziehen können, die uns für die vier Planeten zur Verfügung standen. Ich frage mich, wie wir das alles in 12 Tagen schaffen sollen?«