Читать книгу Im Knast - Simon Volkart - Страница 8

3

Оглавление

Als ich aufwachte, war es schon wieder dunkel. Die Lichter vorbeifahrender Autos zuckten durch das Zimmer. Ich fühlte mich vollkommen frisch. Die Schwäche war vorbei, und ich spürte wieder grossen Hunger. Sofort sprang ich aus dem Bett und rauschte, mit unbändiger Energie geladen, ins Bad. Nun war ich mit meinem Spiegelbild schon viel zufriedener. Ich zwinkerte mir zu, riss mir die Kleider vom Leib und trat unter die Dusche. Das alte Leben verschwand im Ablauf. Den Kratzern am Hals half ich mit dicker Schminke ab.

Adrett gekleidet ging ich in die Nacht hinaus, stieg in den Bus und fuhr ins Zentrum. Die Menschen schienen mir jetzt alle zugetan. Es entspann sich sogar das erste ­Ge­spräch seit Langem mit einem hübschen Mädchen. Ich packte die Gelegenheit und lud sie zum Abendessen ein. An einem anderen Tag hätte ich sicherlich keinen Erfolg gehabt, aber jetzt konnte sie mir nicht widerstehen. Nach anfänglichem Zaudern überzeugte ich sie mit einem tiefen Blick in ihre Augen und einem unschuldigen Lächeln. So verbrachten wir einen schönen Abend. Ich begleitete sie nach Hause und wurde mit einem flüchtigen Kuss belohnt.

Langsam machte ich mich auf den Rückweg. Ich sog die kühle Nachtluft der Stadt ein, sie weckte alte Erinnerungen in mir. Lange waren meine Gedanken nur um das Eine gekreist, aber jetzt kamen die schönen Erinnerungen wieder. Und doch haftete allem etwas Unbestimmtes an, etwas Störendes.

Und plötzlich durchfuhr es mich. Noch ein Opfer, noch ein Mord. Das darfst du nicht tun. Du musst ihn da herausholen. Er ist unschuldig und schmachtet an deiner Stelle hinter Gittern. Du hast schon einen Menschen auf dem Gewissen, noch einer wird dich endgültig aus dem Kreis der Normalsterblichen werfen. Hol ihn heraus!

Aber wie?

Stell dich der Polizei! Das ist der einzige Weg.

Ich sah jetzt deutlich das Gesicht des Unschuldigen vor mir. Ich sah ihn in seiner Zelle vor sich hin weinen.

Abrupt blieb ich stehen, überlegte, wo der nächste Polizeiposten war, und marschierte fest entschlossen in die nächstgelegene Wache.

Ich trat ein und schritt direkt zum ersten Polizisten: Ich war es. Lasst den Unschuldigen laufen!

Der Polizist sah mich verständnislos an. Plötzlich stiegen erneut Zweifel in mir hoch. Sollte ich mich wirklich stellen? Vielleicht war es Schicksal, dass sie den Falschen er­wischt hatten? Er würde sicher bald entlassen. Man konnte doch keinen Unschuldigen verurteilen? Wieder sah ich das Bild meines zweiten Opfers in der Zelle.

Nein!, entfuhr es mir.

Der Polizist war inzwischen misstrauisch geworden: Kann ich Ihnen helfen? Geht es Ihnen nicht gut? Was ist denn vorgefallen?

Ich kam wieder zu mir. Ich besann mich einen Augenblick, schluckte, und dann brach die ganze Geschichte aus mir heraus. Der Polizist hob einige Male die Hand, um mich zu unterbrechen, aber ich war nicht mehr zu bremsen, es war, als sei ich auf der Flucht vor meinem bisherigen Schweigen.

Mit der Zeit begriff der Polizist, worum es ging, und nach anfänglichem Unglauben stellte er die üblichen Zwischenfragen, die jedoch alle unbeantwortet blieben, so sehr hatte ich mich in meine Geschichte vertieft. Die Szenen spielten sich lebendig vor meinem geistigen Auge ab, und zuletzt sackte ich wie mein Opfer beim letzten Messerstich zusammen.

Im Knast

Подняться наверх