Читать книгу Festspielschmaus - Simone Guggemos - Страница 9

Kapitel 4

Оглавление

»Komm, Ludwig, auf geht’s. Wolfgang Wolf hat uns zum Essen zu sich nach Hause eingeladen. Wenn der was mit Thomas’ Verschwinden zu tun hat, dann kriegen wir das raus. Da will ich nicht zu spät kommen und gleich einen schlechten Eindruck hinterlassen.«

Aha, wegen mir zu spät kommen. Die spinnt doch, steht stundenlang vor dem Badezimmerspiegel, malt sich an (umgangssprachlich »schminken«), duscht sich, föhnt sich die Haare mit der Rundbürste, und wegen mir kommt man dann zu spät. Weiber!

Musste allerdings zugeben, dass Frauchen heute wieder sehr hübsch aussah; sie trug ein kurzes cremefarbenes Etuikleid mit leichtem Altrosa-Schimmer und goldfarbenen Fäden. Goldene Highheels ließen ihre Endlosbeine noch länger wirken, die schulterlangen blonden Haare trug sie offen und leicht gelockt. Was bitte sollte das werden?, fragte ich mich und guckte sie ernst an. Bitte nicht schon wieder einen neuen Lover.

Nicht nur, dass die mir mein Frauchen klauten, die spielten sich auch noch als Ersatzpapa auf.

»Ludwig, guck nicht so! Ich mach mich nur für mich schön, ich will nichts von dem Typen. Der ist ja fast doppelt so alt wie ich, gar nicht mein Typ!«

Okay, erinnere dich später dran. Wieso durchschaute ich die Typen beim ersten Blickkontakt und Frauchen erst nach einem gebrochenen Herzen, also nach sagen wir mal drei Wochen? Ich konnte Wolf, den schmierigen Schleimer, bereits jetzt schon nicht ausstehen. Dieser Wolf im Schafspelz!

»Und außerdem sitzt der im feindlichen Lager. Vielleicht ist er sogar ein Mörder.« Jetzt zog sie ängstlich die Stirn in Falten. »Wir müssen wirklich vorsichtig sein.« Nun hatte sie sich wieder daran erinnert, dass immer noch niemand über den Verbleib von Thomas Bescheid wusste. Noch immer machte sie sich Sorgen und hoffte, dass er noch lebte.

Die Höhle des Löwen, also Wolfs Haus, hätte typischer nicht sein können: ein betonierter Quader, Architektenhaus, ohne jeden Schnörkel in Weiß und Grau gehalten. Wahrscheinlich war das voll Frauchens Geschmack.

»Boah, guck, Ludwig, so ein Haus … davon habe ich immer geträumt! Da macht ja sogar das Putzen Spaß.«

Vergiss es, Sissi, dir macht Putzen nicht mal im Buckingham Palace Spaß. Wir klingelten. Hat Frauchen ihm überhaupt gesagt, dass ich mitkomme? Wahrscheinlich hatte dieser Wolf etwas gegen Hunde. Die Typen kenn ich.

Da öffnete er schon die Tür. »Oh, là, là, die Dame, da hat sie sich aber selbst übertroffen. Sissi, meine Liebe, ich hätte nicht gedacht, dass eine Steigerung noch möglich ist.«

Wie erwartet gingen Sissi diese Komplimente runter wie Öl. Wann lernte sie endlich, mit dem Herzen zu sehen wie wir Hunde und sich nicht von Geschwätz und einer schönen Fassade respektive schönem Haus blenden zu lassen? Verzweiflung stieg in mir hoch. Dieser Abend würde kein gutes Ende nehmen.

»Danke, Herr Wolf, hören Sie auf, das ist zu viel des Guten. Ich habe den Vertrag dabei, unterschrieben ist er auch.« »Gut«, meinte Wolf freundlich.

Der Blick des Schleimers fiel auf mich und wurde eisiger. »Und Ihr süßes Hundchen haben Sie auch mitgebracht. Toll!«

Wie erwartet checkte sie seine Verlogenheit nicht mal.

»Ja, sollen wir ihn am Treppengeländer anbinden, wegen der Haare und der Hygiene und so …?«, fragte Wolf.

Pass auf, was du sagst, Alter, und apropos Hygiene, ich habe keine Schweißflecken unter den Achseln!

Wolf trug ein tiefblaues Hemd, das eigentlich sehr geschmackvoll, aber leider unter den Achseln schon durchgeschwitzt war …

»Ach, wenn es Sie nicht stört, nehme ich ihn mit, er ist auch ganz brav und sauber«, meinte Frauchen beschwichtigend.

»Okay, wenn Sie meinen. Er sollte halt nicht auf meinen Berberteppich pinkeln … So, Sissi, mögen Sie lieber Hugo oder Sex on the Beach?«, fragte der Wolf scheinheilig.

»Also, eigentlich bin ich eher der Hugo-Typ, aber ich muss ja noch fahren.«

»Ach, meine Hübsche, ich habe doch ein Gästezimmer.«

Der Typ wurde immer unerträglicher und schmieriger, ich setzte mich aufrecht neben Frauchen und guckte ihn böse an. Mittlerweile waren sie schon beim »Du«.

Er servierte ein kleines Amuse-Gueule: Chicoréesalat mit Feigen und Ziegenkäse. Ich grinste in mich hinein. Sissi ist der heikelste Mensch, den ich kenne. Sie isst keinen Fisch, keine Tomaten, keinen Käse. Viel Spaß mit dem Ziegenkäse, Sissi!

»Oh, das sieht aber lecker aus. Danke, Wolfgang!«

Danke, Wolfgang – lüg nicht rum und red nicht so gekünstelt, maulte ich Sissi an. Und du, Wolfgang, koch mal was Anständiges, Leberkäs, Schnitzel oder ’ne Bratwurst, wenigstens. Ist ja auch Wurst, im wahrsten Sinne des Wortes, Hauptsache, nicht so überkandidelt.

Frauchen stocherte in dem Essen rum und machte sich an den nichtkäsigen Sachen zu schaffen. Wolfgang, der in seiner Schuhbeck-Schürze noch lächerlicher aussah als sonst, aß sehr fein mit Gabel und Messer. War dieser Mann ein Mörder? Oder ein kalter, berechnender Typ, der einen Mord in Auftrag gab?

Sissi ihrerseits schien ihren Auftrag vergessen zu haben. Zu sehr war sie mit dem Essen beschäftigt.

»Schmeckt es dir denn? Ich hoffe doch, ich koche ja so gern, habe da letztes Jahr einen Kurs bei Alfons Schuhbeck belegt, also ich sag es dir: super. Da kannst du so viel dazulernen. Der hat auch meine Schürze handsigniert. Siehst du das?« Stolz zeigte er auf seine bestickte weiße Schürze.

»Ach, du hast ja gar keinen Wein, ich geh schnell und hol dir einen. Magst du lieber Weiß oder Rot? Nun, zum Gemüse trinke ich persönlich am liebsten einen leichten Weißburgunder.«

Beachtlich schnell für sein Körpergewicht – gut, ich bin jetzt auch nicht grade magersuchtgefährdet, aber der …

Jedenfalls machte er sich beachtlich schnell auf in die Küche. Sissi nutzte ihre Chance.

»Schnell, Ludwig, iss den Ziegenkäse.« Sofort stopfte sie mir das weiße Zeug mit Zeigefinger und Daumen in den Mund. Ich schleckte noch mein Mäulchen ab, als Wolfi zurückkam, doch der hatte eh nur Augen für Sissi, die sich die Finger an der Serviette abputzte, sich entspannt zurücklehnte und ihm lässig ihr Glas hinhielt.

»Danke, Wolfgang, das war sehr fein.« Dazu grinste sie scheinheilig.

Nach weiterem Smalltalk und Gesprächen über das neue Musical und meine Rolle kamen wir endlich zur Vorspeise. Frauchen hatte Glück – es gab getrüffelte Kartoffelsuppe.

»Das ist schwarzer Trüffel aus Alba, den kriegst du hier im Allgäu gar nicht. War letzten Monat dort und hab ihn mitgebracht.«

Wir brauchen im Allgäu auch gar keinen schwarzen Trüffel, du Trüffelschwein, dachte ich mir, wir haben schließlich Schwammerl. Als Sissi meinen bösen Blick sah, besann sie sich auf ihre eigentliche Aufgabe und begann, Wolf auszuhören. Sie durfte nicht zu plump vorgehen.

»Kennen Sie eigentlich Thomas Gubath?«, fragte sie möglichst neutral und versuchte, unbeteiligt auszusehen, während sie Wolfs Reaktion genau beobachtete.

Der blies geräuschvoll Luft aus.

»Hm. Ach das ist doch der König-Ludwig-Darsteller. Der Schönling, oder?« Jetzt musterte er Sissi misstrauisch.

»Warum fragst du?«

»Ach, nur so. Ich fand ihn halt in der Rolle einzigartig, deswegen meine ich, man hätte ihn doch übernehmen können.«

»Bist du deswegen hier?«, fragte der Wolf ein wenig angesäuert mit zusammengekniffenen Augen.

Sissi bekam Angst. In ihren Gedanken sah sie sicher schon, wie er sie zusammenschlug und in den Keller warf, wo der ermordete Thomas Gubath schon vor sich hin verweste.

Sie schluckte. »Nein, ich … ich habe halt Mitleid mit den Schauspielern.«

»Dein Hund wird doch übernommen. Und die anderen finden schon wieder einen Job. Das ging halt nicht anders.« Der Wolf versuchte, Sissi zu überzeugen. »Außerdem bekommt der Gubath die höchste Abfindung von allen. Der hat als Einziger einen Fünfjahresvertrag. Den dürfen wir mit einer fünfstelligen Summe ausbezahlen!«, meinte Wolf entnervt.

Aha, Sissi horchte auf. Wenn das mal kein Grund für einen Mord war. Sie wollte aber keinen Verdacht auf sich ziehen und ließ das Thema erst mal sein. Vielleicht war er später nach ein paar Gläsern in weinseliger Plauderstimmung.

Ein Entrecote mit Rosmarinkartoffeln, ein Tiramisu und endloses Geschwätz später landeten die zwei auf dem Sofa. Es war weiß und aus italienischem Leder.

Frauchen hatte schon das zweite Glas Weißwein intus und kicherte verlegen. Ich wich nicht von ihrer Seite und hatte mich – grad mit Fleiß – auf seinen beigen Berberteppich vor dem Sofa gesetzt. Natürlich legte ich mich nicht hin, sondern beobachtete sie genau.

»Also Sissi, wenn wir das Musical fest übernommen haben und alles routinemäßig läuft, dann bekommst du einen tollen Job, nicht nur das mit dem Hund.«

»Ach, Wolfgang, lass mal, ich mach das mit den Tieren doch gerne, ich gehöre nicht auf die Bühne, da bin ich doch nicht extrovertiert genug, aber …«

»Nicht so bescheiden, meine Liebe, bei deinem Aussehen«, unterbrach er sie schon leicht angeheitert. Ich knurrte bedrohlich. »Was hat denn der Hund? Vielleicht muss er mal? Soll ich ihn rauslassen in den Garten?«

Nein, das könnte dir so passen, allein mit meiner Sissi. Nicht mit mir.

»Du, ich geh mal schauen!« Sissi stand auf und begleitete mich hinaus. Ich machte hinter einen Busch mein kleines Geschäft und eilte schnell rein, an die Füße meines Frauchens. Ich beschütze dich, Sissi. Lass uns doch endlich gehen.

Jetzt legte dieser Heini auch noch einen Arm um mein Frauchen und wollte sie auf den Mund küssen. Ich werde noch wahnsinnig. Ich ließ sie nicht aus den Augen. Als er anfing, ihren Oberschenkel zu streicheln, reichte es mir endgültig. Ich sprang auf und biss ihn ohne Vorwarnung in die Wade.

»Aua, Mist, nimm doch das Vieh weg!« Wolfgang schrie hysterisch wie ein Waschweib.

War doch nur ein Warnschuss. Ein kleiner Biss, ich hätte auch weiter hoch zwischen die Beine gehen können …

»Oh je, das tut mir leid.« Frauchen war ganz aufgeregt.

He, auf wessen Seite bist du eigentlich?

»Komm, ich verarzte dich, Wolfgang, wir desinfizieren das und geben Salbe und ein Pflaster drauf. Das ist nur eine ganz kleine oberflächliche Wunde«, versuchte sie, Wolf zu beschwichtigen. Die beiden verschwanden hastig im Bad.

Das war sehr erfolgreich gewesen, Wolfi war die Lust auf ein Schäferstündchen vergangen. Was war der denn für ein Wolf?

»Ist schon gut, Sissi, wir treffen uns nächste Woche sowieso im Festspielhaus, den unterschriebenen Vertrag habe ich ja schon«, verabschiedete sich Wolfi kühl.

Frauchen packte mich sauer ins Auto. »Du Monster, immer machst du mir Ärger, da muss man sich ja schämen.«

Ich, Ärger? Ich hab dich grad vor großem Ärger bewahrt, Liebes. Ich grinste selbstzufrieden. Morgen würde ihre Wut schon wieder vergessen sein.

Festspielschmaus

Подняться наверх