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ОглавлениеGelassenheit als Lebensmotto: Jeden Tag neu entspannen
// Von Prof. Dr. Martin Christian Morgenstern
Wir können also immer nur so gelassen sein, wie es unsere Lerngeschichte der Nervenzellen im Gehirn zulässt. Weil die komplexe Welt immer wieder neue Überraschungen für uns bereithält, werden wir uns unser Leben lang nur in Gelassenheit üben können.
Vom Urlaubsparadis zum Horrorszenario
Wie Gelassenheit entsteht ist ein komplexer psychologischer Vorgang. Allerdings können alle Bemühungen schnell durch einen Faktor torpediert werden: Ressourcenknappheit – unsere Herausforderung für die Zukunft.
Stellen Sie sich vor, Sie verbringen einen längeren Urlaub auf einer abgeschiedenen Insel. Dort befindet sich ein Hotel mit Platz für zweihundert Gäste. Dementsprechend ist das Buffet im Speisesaal auf zweihundert Gäste ausgerichtet. In der ersten Woche nach Ihrer Ankunft sind aber gerade mal fünfzig Gäste im Hause.
Ruhe und Entspannung pur?
Sie können sich vorstellen, wie entspannt es für Sie ist, gemütlich Ihre Speisen am völlig leeren Buffet für sich auszuwählen. Selbstverständlich sei gesagt, dass das Hotelpersonal sehr bemüht ist, permanent die reduzierten Buffetbestände wieder aufzufüllen.
In der zweiten Woche reisen dann noch einmal einhundertfünfzig Gäste an. Jetzt ist Ihr Buffet so gestaltet, dass Sie immer noch überall bequem drankommen. Darüber hinaus wird auch regelmäßig nachgelegt. An besonderen kulinarischen Highlights bildet sich manchmal vielleicht eine ganz kleine Schlange, die Sie aber, wenn überhaupt, nur zu leichter Unruhe bringt.
Mehr Gäste am Büffet als Platz
Eine Woche später macht vor der Insel ein größeres Kreuzfahrtschiff Halt, weil es einen Maschinenschaden hat. Dieses Schiff war eigentlich im Begriff, am nächsten Tag in irgendeinen Hafen einzulaufen. Dementsprechend sind die Vorräte an Bord aufgebraucht.
Der Kapitän des Schiffes bittet den Hoteldirektor, mit seinen zweihundert Gästen von Bord kommen zu dürfen. Die zweihundert Gäste plus fünfzig Mann Besatzung möchten nun natürlich auch etwas zu essen bekommen. Dementsprechend finden Sie bei Ihrem nächsten Buffet-Besuch vierhundertfünfzig Gäste in einem Restaurant vor, das für zweihundert Gäste konstruiert wurde.
Verknappung der Ressourcen gleich höherer Stresslevel
Es beginnt ein Anstehen und Verknappen der Buffet-Angebote. Auch ist das Hotelpersonal nicht darauf eingerichtet, solche Mengen an Lebensmitteln aufzufüllen. Dementsprechend gehen viele Angebote auch relativ zügig aus.
Stellen Sie sich jetzt bitte vor, wie Ihr Stress-Level bei diesem Essen wohl aussehen würde?! Genau, ab jetzt wird es unangenehm. Die Ruhe ist dahin! Stress regiert, weil die Ressourcen nun knapp werden. Am nächsten Tag kommen morgens noch weitere einhundertfünfzig Gäste mit einer Fähre auf die Insel. Auf dem Rückweg sollte die Fähre eigentlich dafür einhundertfünfzig Gäste wieder mitnehmen.
Wenn der Stresslevel steigt…
Aber nach der Ankunft der Fähre zieht plötzlich ein tropischer Strom auf. Als Ergebnis finden Sie sich beim nächsten Abendbuffet mit sensationellen sechshundert Gästen in einem Restaurant für zweihundert Personen wieder.
Sie können sich vorstellen, mit welchem Stress-Level und welcher Laune Sie nun versuchen, von den etwas schnell ausgehenden Essensvorräten noch etwas zu bekommen. Und wenn wir uns jetzt vorstellen, dass dieser Zustand noch über längere Zeit aufrechterhalten wird, wird aus einem ursprünglichen Urlaubsparadies ein wahrliches Horrorszenario.
Unsere Herausforderung für die Zukunft
Genauso verhält es sich mit der Menschheit. In der Steinzeit lebten gerade einmal fünf Millionen Menschen auf dem gesamten Planeten. Das entspricht der heutigen Bevölkerung der Stadt Berlin. Im Kalenderjahr 0, sprich der Geburtsstunde Christi, lebten auf der Erde weniger als 200 Millionen Menschen.
Im Jahre 1650 n. Chr. lag die Weltbevölkerung dann bei 500 Millionen Menschen. 1,6 Milliarden Menschen lebten dann bereits im Jahr 1900 n. Chr. auf der Erde. 1950 sind es dann 2,5 Milliarden, 1970 3,7 Milliarden und heute im Jahre 2013 über 7 Milliarden Menschen, die alle an den Ressourcen der Erde saugen.
Immer cool bleiben ist das falsche Ziel
Dementsprechend finden wir immer mehr und mehr die Situation vor, die man mit dem völlig überfüllten Buffet auf der einsamen Insel vergleichen kann. Die Herausforderung für uns in Zukunft ist es, deswegen auch in derartig angespannten Situationen die Gelassenheit bewahren zu lernen.
Den negativen Stress versetzen uns dementsprechend entweder unsere alten Lernerfahrungen oder Dinge, die sich unserer Kontrolle entziehen. Es werden immer wieder Situationen oder Personen auftauchen, die unsere Gelassenheit auf die Probe stellen.
Anti-Stress-Techniken helfen nur zum Teil
Die Kunst ist es dabei nie, nicht in Stress zu geraten. Die Kunst ist es vielmehr, die eigene Wahrnehmung immer mehr zu schärfen, wenn wir unseren Punkt der Gelassenheit verlassen. Denn jetzt beginnt die eigentliche Meisterschaft. Unsere Aufgabe ist es jetzt, uns trotz Aufregung bestmöglich in Gelassenheit zu üben.
Sei Sie sich dabei stets bewusst, dass es keine Technik auf dieser Welt gibt, die Sie von totaler Aufregung innerhalb kürzester Zeit in tiefe Ruhe versetzt. Das Einzige, was wir machen können, ist, uns durch diverse Techniken immer ein wenig zu beruhigen.
Schritt für Schritt zu weniger Stress
So kann es im akuten Stressfall gelingen, von 100 Prozent Erregung auf 70 Prozent Erregung herunterzufahren. Dadurch wiederum aktivieren wir wieder einen größeren Teil unseres Ich-1 und können möglicherweise eine etwas andere Verhaltensstrategie für die Situation wählen. Wir erzielen so zwei Erfolge.
Zum einen werden wir durch ein etwas überlegteres Vorgehen in vielen Fällen bessere Resultate erhalten. Zum anderen aber lernen unsere Nervenzellen auf der Ebene von Ich-2, diese Auslösesituation beim nächsten Mal ein kleines bisschen weniger kritisch einzuschätzen und dementsprechend eine etwas geringere Stressreaktion zu starten.
Text stammt aus: Gelassen gewinnen: Ab jetzt reitest du den Affen! (2014) von Prof. Dr. Martin Christian Morgenstern, erschienen bei BusinessVillage Verlag, Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.