Читать книгу Sein letztes Spiel - Simone Lilly - Страница 5

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 5.

„Brauchst du ein Pflaster?“, besorgt zog Jamie sein verschwitztes Oberteil aus und warf es auf die Bank. „Sieht übel aus. Tut mir echt leid“ Als Cameron nicht antwortete, griff er in seine Tasche, öffnete einen Seitenreißverschluss und fummelte eine Palette an zerknitterten Plastern heraus. „Ich hätte welche hier.“

Dankend winkte er ab, überlegte es sich aber doch anders und ließ sich eines quer über den länglichen Riss auf seinem Schienbein kleben. Es blutete nicht schlimm, doch brannte es wie Feuer.

Das Cameron seine Hilfe angenommen hatte, schien Jamie zu beruhigen. Schon gelassener und wieder lächelnd verräumte er alles in seine Sporttasche und zog sich an.

„Willst du dich nicht noch duschen?“, fragte Cameron, während er sein Handtuch zur Hand nahm.

„Nein heute nicht, das mache ich dann zuhause. Soll ich dich danach wieder zurückfahren?“

Er nickte. „Ja, bitte.“ Dann, hielt Cameron inne. „Oder warte, ich komme gleich mit, dann musst du nicht warten.“

Auf den Straßen herrschte wenig Verkehr. Entspannt preschten sie über die Autobahn und unterhielten sich. „Tut mir leid, dass ich dein Bein zerstört hab.“, räusperte sich Jamie und zündete sich wie bei jeder ihrer Fahrten ,eine Zigarette an.

„Ist nicht schlimm, so etwas passiert nunmal.“, hämisch zwinkterte er ihm zu. „Obwohl das ja ein Foul war.“

Jamie lachte auf und pustete stinkenden Rauch auf ihn. „Genützt hat es trotzdem nichts.“ Abgebrannte Asche fiel ihm hinunter auf den Boden. Fluchend trat er auf sie, damit es nicht doch begann, zu brennen. „Fuck, hab ich erst saubergemacht.“

„Aber es hat mir Spaß gemacht, daran könnte ich mich gewöhnen.“

„Und Rodgers war begeistert von dir. Also, wenn du eines hast, dann ist es Talent.“

Jamies Worte machten Cameron stolz. Wenn ein gestandener Spiele so etwas zu einem Neuling sagte, musste es doch etwas bedeuten, oder?

Die restliche Fahrt wurde von ihnen nicht viel gesprochen. Erst als es anfing zu nieseln ließ Jamie immer lauter werdende Flüche vernehmen. Kurz vor seinem Haus, bremste er ab. „Sag mal, hast du lust, mit mir einen Trinken zu gehen?“

Dicke Regentropfen prasselten auf die Frontscheibe und verschlangen beinahe seine Worte. Für einen Moment überlegte Cameron. „Mein Vater wartet drinnen bestimmt schon auf mich. Er will wissen, wie es gelaufen ist.“

Betont gleichgültig zuckte Jamie mit den Achseln und schaltete den Scheibenwischer ein. „Der wartet auch noch in zwei Stunden.“

Noch nicht einmal fünf Minuten später, hatten sie vor einem kleinen Pup halt gemacht, das Auto geparkt und sich einen Platz abseits von den anderen gesucht. Alkohol durften sie noch keinen trinken, also mussten sich Cameron und auch Jamie mit einem schlichten Wasser zufrieden geben. Das bezeichnete Jamie also unter „lass uns einen trinken gehen.“

„Sag mal, tust du alles, was dein Vater möchte?“ Hart und direkt blickte er Cameron in die Augen. Das tiefe Blau schien ihn das Blut in den Adern gefrieren zu lassen und er versuchte ertappt sich von ihnen zu lösen. „Nein,“, wollte er sich unbedarft aus der Sache winden. „natürlich nicht. Mir ist nur wichtig was er von mir hält.“

Rauchend nahm Jamie einen großen Schluck und drückte die Zigarette in einem blechernen Aschenbecher aus. Die Glut brannte noch eine Weile vor sich hin, ehe sie mit einem einzigen Puster von Jamie jämmerlich erlosch. „Warum? Du bist doch alt genug? Ich bin mir sicher er wäre immer auf dich stolz, egal was du tust.“

Call me Maybe. Das schwungvolle Lied, das den Raum erfüllte, konnte Cameron wenig aufheitern. Innerlich wusste er, dass Jamie recht hatte, kannte ihn aber zu wenig, um es ihm gegenüber zuzugeben. Umso erschreckender fand er die Tatsache, dass er für fremde Personen derart leicht durchschauber war. „Aber ich wohne bei ihm. Außerdem bin ich so erzogen worden. Es ist nunmal das Richtige. Und ich bin schon so weit gekommen, da kann ich jetzt nicht mehr aufhören.“

Jamie lachte auf und katschte dabei belächelnd in die Hände. „Ganz ehrlich, meine Mutter wollte nie das ich spiele, doch ich hab es immer wieder getan. Als mein großer Bruder Nilley ausgezogen und hierhergezogen ist, bin ich mit ihm gegangen.“

Verwundert hätte Cameron sich beinahe an seinem Schluck Wasser verschluckt. „Was? Du meinst, ich soll ausziehen?“

„Nein“, genervt kam Jamie näher an ihn heran. „Ich meinte damit, du sollst so leben wie du es möchtest. Deine Eltern sind nur da, um dich großzuziehen, dich zu unterstützen, aber in dem was DU tun willst, nicht was dein Vater will.“

Ihm fiel es schwer, Ratschläge von ihm anzunehmen. Besonders da Jamie all das verkörperte, was einen typischen Draufgänger ausmachte. Er sah unheimlich gut aus, war berühmt, hatte ein bezauberndes Lächeln und viele Fans. Er trug flippige Kleidung und besaß einen coolen Blick, der einen, wenn man nicht aufpasste, zu Eis gefrieren konnte. Auch schien er das Leben so zu nehmen, wie es kam und kannte darin womöglich keine Regeln oder Pflichten. Fußballspielen konnte er nur zu gut, das hatte Cameron feststellen müssen, aber auch hier, kannte er wenig Regeln.

„Ok“, sagte er nach einigem Überlegen und war bereit, weiter auf das Thema einzugehen. „Was soll ich deiner Meinung nach tun?“

„Das weiß ich doch nicht. Aber… warte.“ Rasch stand Jamie auf, huschte zu einem Nachbarstisch, auf welchem eine einsame Zeitung lag, hinüber und kam mit ihr im Schlepptau zu ihm zurück. Konzentriert blätterte er sie der Reihe nach durch, auf der Suche, nach einem bestimmten Artikel. Was wollte er ihm zeigen? Stellenanzeigen?

Mit seiner Suche erfolgreich, reichte er ihm wenig später die aufgeschlagene Seite. „Was empfindest du wenn du das siehst?“

Cameron. Es zeigte Cameron selbst. Tränen stiegen ihm in die Augen, als er sich selbst erkannte, auf einer einzigen Seite, ein Artikel nur für ihn. Da war er, auf einem Stuhl sitzend, mit seinem Vater und Ross neben sich. Er hielt einen Stift und schrieb auf ein Papier. Unterzeichnete den Vertrag. Neues Blut bei Liverpool. War die Überschrift. Cameron Sulivan gehört seit heute zum FC Liverpool. Mit nur achtzehn Jahren ist er nicht nur jung, dynamisch und…

„Und?“, unterbrach Jamie ihn beim Lesen und lugte über den Rand des Blattes. „Was empfindest du?“

„I… ich bin stolz.“, sagte Cameron knapp und rollte die Zeitung zusammen. „Denkst du, ich kann sie mitnehmen?“

Resigniert nickte Jamie. „Um sie deinem Vater zu zeigen? Klar doch.“

Als er sie in seine Tasche stopfen wollte, erhaschte Cameron einen kurzen Blick auf zwei Mädchen, die nicht weit entfernt an einem anderen Tisch saßen. Eine nach der anderen sah zu ihnen herüber. Verlegen sah er wieder auf seine Begleitung, als sich sein Blick mit dem eines Mädchens traf.

„Also.“, lenkte er sich selbst von ihnen ab und hob die Hand, um noch etwas zu bestellen. „Was ist jetzt mit deinen Eltern?“

„Sie sind gestorben.“, sagte Jamie kurz und kaute dabei demonstrativ kühl auf seiner Unterlippe.

Matt senkte er seine Hand und blickte zu Boden. „Oh, tut mir leid.“

„Das sind sie jedenfalls für mich.“, schloss Jamie ab und zwinkerte ihm aufmuntert entgegen. „Was sie machen? Ich hab keine Ahnung. Ich hab auch nie von ihnen gehört. Aber vergessen wir es.“

Stumm nickte Cameron. Er wusste nicht, was er darauf sagen sollte, ob er fragen sollte, ob etwas vorgefallen war, mehr, als er von Jamie erfahren hatte. Doch er entschied sich dagegen. Diese Frage zu stellen, wäre taktlos. Stattdessen beschäftigte ihn etwas anderes. „Jamie, … die da drüben.“, mit einem Kopfnicken deutete er auf die zwei Mädchen. „Sie sehen uns an.“

Auf seine Anspielung konnte er nur lachen. „Natürlich tun sie das.“, demonstrierend drehte er sich zu ihnen um. Musterte sie kurz von oben bis unten und stieß ein leises Pfeifen aus. „Sie sehen gut aus.“ Noch ehe Cameron etwas dagegen tun konnte, rief er die zwei zu sich. Schüchtern und unbeholfen folgten sie seiner Aufforderung und standen schon bald verlegen kichernd vor ihnen. Beide waren dünn, beide hatten blonde Haare. Aber nur eine von ihnen, so fand Cameron, besaß ein schönes Gesicht, hatte engelsgleiche Locken und ein nettes Lächeln. Sie trug ein langes wallendes Kleid, die andere einfache Jeans und eine Strickjacke. Der Kontrast war fürchterlich. Wirklich schlimm musste es sein, da Cameron den Unterschied bemerkte, und das, obwohl er in Sachen Mode, kein geschicktes Händchen bewies.

„Hallo ihr Hübschen.“, profimäßig und geübt stand Jamie auf und umarmte sie beide, so innig, als ob sie Bruder und Schwester wären. „Wie heißt ihr denn, ihr Schönheiten?“

Sie kichterten geschmeichelt. „Ich bin Linda.“, sagte das Mädchen in Jeans und wies auf das im Kleid. „Das ist meine Schwester Pegg.“ Ihre Hand zitterte. Konnte es sein, dass sie wirklich nur wegen Jamie so nervös war? Cameron musste lachen. Wie schön wäre es, wenn auch er eines Tages so umschwärmt werden würde.

„Habt ihr zwei einen Freund?“

Bei dieser Frage schreckte Cameron überrascht nach oben. Warum fragte er so etwas? Wollte er mit ihnen etwas anfangen?

Sie schüttelten hoffnungsvoll den Kopf.

„Wollt ihr ein Autogramm?“

Sie nickten. „Von dir auch.“, erklärte Pegg und blickte Cameron direkt in die Augen. Innerlich jubelnd versuchte er cool und gelassen zu bleiben. Aber, wie konnte er das? Es war sein erster Fan.

Weniger freundlich nahm Jamie zwei Servietten, kritzelte seinen Namen darauf und überreichte sie den beiden. Währenddessen war Cameron darin bemüht, schön zu schreiben. Eine Unterschrift für Autogrammkarten hatte er noch nie geübt. Als er mit seinem Ergebnis zufrieden war, übergab auch er sein Autogramm und lächelte ihnen entgegen.

„Danke.“

„Danke, Euch“, antwortete Jamie höflich und umarmte beide ein zweites Mal. „Auf ein baldiges Wiedersehen, ihr Hübschen.“

Gerade wollte auch Cameron sich erheben, um seine ersten Fans zu umarmen, als Jamie das Wort ergriff. „Komm, Cam, wir haben noch viel zu tun. Entschuldigt uns.“ Er nahm seine Jacke vom Stuhl, griff Cameron unter die Arme und suchte mit ihm beinahe fluchtartig das Weite.

„W … was sollte denn das?“

Vom Regen bald durchnässt steckte Jamie seinen Autoschlüssel in das veraltete Schloss. „Wir mussten gehen, oder denkst du, sie hätten es getan? Sicherlich nicht. Also komm.“

Unsicher ging er um das Auto herum. „Aber, du hast richtig mit ihnen geflirtet?“

„Natürlich habe ich das. Das macht Spaß und ist nützlich.“

„Wofür nützlich?“

Schelmisch grinsend nahm er Platz und trapierte seine Jacke auf dem Rücksitz. „Für was wohl.“

Sein letztes Spiel

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