Читать книгу Für immer Shane - Simone Petri - Страница 4

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Das „Black Castle“ wurde gegen Ende des 12. Jahrhunderts erbaut, wisst ihr, von wem?“

Nein, woher sollten sie das wissen? Gelangweilt verdrehte Shane die Augen und lehnte sich frech gegen einen der alten Mauerreste des Schlosses.

Zugegeben, es war schön, wirkte immer noch majestätisch und das obwohl es bis auf die Grundmauern – bis auf eine Mauer – zerfallen war.

„Entschuldigung.“, sanft wurde er zur Seite gedrückt. Rasch drehte er sich um und nickte höflich. „Tut mir leid, Sir.“

Der alte Mann lächelte und drückte sich interessiert an ihm vorüber, gefolgt von seiner Frau. Sie waren Touristen, warum sonst sollten sie sich die bronzerne Gedenktafel auf halber Anhöhe von ihnen mit solch einem Interesse durchlesen. Warum sonst sollten sie hier sein?

In Gedanken versunken und ja darauf bedacht, etwas abseits der Gruppe zu bleiben, zerknüllte er einen langen Grashalm zwischen seinen Fingern. Tausendmal war er schon hier gewesen. Mit seiner Familie, mit Freunden, und nahezu bei jedem Schulausflug, den sie hatten. Auch bei diesem, an diesem trüben Tag.

Es war Sommer. Sein Abschlussjahr. Die Prüfungen waren geschrieben worden, er hatte bestanden. Mit siebzehn nicht gerade eine Meisterleistung. Aber was konnte er dafür, dass er sich vor zwei Jahren beim Skifahren ein Bein gebrochen hatte und monatelang nicht mehr in die Schule gehen konnte?

„Ó‘ Brannagh, komm‘ mal her!“

Lächelnd warf er den Halm von sich fort und stapfte zu Mac, Steve und Lie hinüber. Auch sie hatten sich von ihrer Klasse abgeseilt und wankten auf einem dünnen Pfad zwischen Klippe und Gras umher. „Sieh‘ mal da runter!“

In ihrer Klasse gab es zwei Shanes. Shane MacBaker und ihn, Shane Ó‘ Brannagh. Damit sie nicht verwechselt wurden, wurde er schon längst nur bei seinem Nachnamen genannt. Was ihn nicht störte.

„Ist doch total tief, oder?“

Vorsichtig reckte er seinen Hals, um wenigstens so tun zu können, als würde er mutig auf die tosenden Wellen, die gegen das harte Gestein prallten, blicken. In Wahrheit aber zitterten ihm die Knie. Diese verfluchte Höhenangst! Schon immer hatte er das Gefühl gehabt sich erbrechen zu müssen, wenn er dort stand und langsam näher und näher an den Abgrund trat. Auch seine Schwestern kannten keine Gnade. Wann immer ihre Familie einen Ausflug hierin plante, musste Shane sie begleiten und musste seinen Ängsten ins Auge sehen. Leider.

Lie, Mac und Steve waren seine besten Freunde, schon seit der Grundschule. Mit ihnen hatte er alles durchlebt. Die erste Liebe, die Pupertät, so manche schlimmen Schultage, Scheidungen der Eltern und auch Lies Blinddarmoperation im vergangenen Jahr.

Sie hänselten ihn oft, denn Shane hatte vor so gut wie allem Angst, vor allem, das er nicht kontrollieren konnte, was neu für ihn war. Und so fühlte er sich auch.

„Hey, hast du Lea eigentlich schon geknallt?“

Lies Frage riss seine Gedanken wieder in die Wirklichkeit und zu seinen Freunden zurück. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht und er musste grinsend nachhaken. „Ja, hast du?“

Mac wurde rot, besonders um die Ohren. So rot, dass es sogar unter seinen rotbraunen Haaren auffallend wurde. Bissig gab er Lie einen Schlag auf die Brust. „Klar was denkt ihr denn?“

„Erzähl‘ mehr.“

Shane schüttelte den Kopf. Lea war seit gut zwei Monaten Macs mittlerweile dritte Freundin. Sie alle hatten schon Freundinnen gehabt. Verbittert trat er auf der Stelle und mied ihren Blick, sie beachteten ihn jetzt sowieso nicht.

Alle hatten Partner gehabt, außer er selbst. Vielleicht war er zu schüchtern, vielleicht wartete er zu lange, vielleicht war er den Mädchen nicht gut genug, möglicherweise traf eines von den Gründen zu. Oder sogar alle drei.

„Kommt ihr bitte auch rüber!“

Mrs. Lenders krächzende Stimme fuhr ihnen unter die Haut. Shane jagte sie einen kalten Schauer über den Rücken. War es endlich zuende? Konnte er nachhause gehen und seinen trüben Gedanken nachgehen? Er hoffte es.

Gerade wollte er sich umdrehen, wollte seinen Freunden zum Rest der Klasse folgen, als er sie sah.

Sie war anscheinend gerade erst gekommen, andernfalls hätte er sie zuvor schon gesehen. Sein Atem stockte und er blieb wie angewurzelt stehen. Ging sogar zurück, damit er sie besser sehen konnte. Sie hatte langes gelocktes blondes Haar. Locker fiel es ihr um den Körper und wehte im Wind hin und her. Die Sonnenstrahlen brachen vom offenen Meer her in ihr Gesicht und verliehen ihm einen schimmernden Glanz, so als würde sie von einem großen Scheinwerfer eigens für sie, beleuchtet werden. Ihr Gesicht war schmal, mit Sommersprossen besprenkelt, ihre Lippen rot und ihre Augen … wie waren ihre Augen?

Shanes Herz begann zu rebellieren. Es war als wollte es ihn daran erinnern, dass es weiterschlagen wollte, so als wollte es ihm sagen: lass mich bei dir, verlier mich bloß nicht!

Das wars‘ für heute. Ich wünsche euch noch einen schönen Tag, wir sehen uns in einer Woche.“

Die Worte seiner Lehrerin gingen beinahe ungehört an ihm vorüber.

Das Mädchen lächelte, wunderschön, sie fuhr sich durch die Haare, machte Fotos. Beugte sich über die Klippe. Über den Teil, an dem sich ein schützendes Geländer befand. „Kommst du mit uns zu Rileys?

„Hä?“

Lie schüttelte ungläubig den Kopf. „Mann haben wir doch gesagt!“, übermütig sprang er ihn von hinten an und rüttelte ihn an seinen Schultern. „Party! Party! Die Schule ist aus! Für immer!“

Er konnte es nicht, er konnte sie nicht gehen lassen, geschweige denn seinen Blick von ihr abwenden. Was bedeutete es schon sich zu betrinken?

„… ähm, Leute. Ich komme nach, ok? Ich muss noch kurz was erledigen.“

„Klar man. Bis dann.“

Überraschend einfach ließen sie sich abwimmeln, machten kehrt und gingen hinter den anderen hinterher, überquerten eine matschige Pfütze auf dem Boden und waren schon bald außer Sichtweite.

Für immer Shane

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