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Carola grübelte. Die Neuheit des Stadtbesichtigens und Leutekennenlernens, die Neuheit des Eislaufens, Rodelns und Jagens hatte sie hinter sich. Bea war tüchtig, es gab keine Hausarbeit außer Nähen, Stopfen und dem Plaudern, wenn sie Bea beim Bettmachen half. Ihrer Begabung zum Erfinden von Mahlzeiten konnte sie nicht Genüge tun. In Dahl & Olesons Fleischerei machte man nicht Bestellungen – man fragte ängstlich, ob es heute außer Steak, Schweinefleisch und Schinken noch etwas anderes gebe. Die Rindfleischschnitten waren keine Schnitten, sie waren Fetzen. Hammelkoteletts waren etwas ebenso Exotisches wie Haifischflossen. Die Fleischlieferanten verluden ihre beste Ware in die Städte, zu höheren Preisen.

In allen Läden gab es gleich wenig Auswahl. Sie konnte keinen Bildernagel mit Glaskopf im Ort bekommen; sie suchte nicht nach dem Schleier, den sie haben wollte – sie nahm, was sie bekam; und nur bei Howland & Gould gab es solche Luxusgegenstände wie Büchsenspargel. Ordnung und Pünktlichkeit war alles, was sie dem Haus widmen konnte. Nur mit Trödeleien, wie die der Witwe Bogart, hätte sie ihre Zeit ausfüllen können.

Sie konnte keinen Posten annehmen. Für die Frau des Dorfarztes war das tabu.

Sie war eine Frau mit arbeitendem Hirn, die keine Arbeit hatte.

Es gab nur drei Dinge, die sie tun konnte: Kinder haben; mit ihren Reformarbeiten beginnen; oder endgültig ein Teil der Stadt werden, so daß sie von Kirche, Studierklub und Bridgepartie ausgefüllt gewesen wäre.

Kinder, ja, sie wollte sie haben, aber – Sie war noch nicht ganz bereit. Sie war von Kennicotts Freimut in Verlegenheit gesetzt worden, sah aber ein, daß es in dieser wahnsinnigen Zivilisation, die das Aufziehen von Bürgern kostspieliger und gefährlicher machte als jedes andere Verbrechen, nicht ratsam sei, Kinder zu haben, bevor er mehr Geld verdient hätte. Es tat ihr leid – Vielleicht hatte er das ganze Mysterium der Liebe zu mechanischer Behutsamkeit gemacht, aber – Sie entfloh dem Gedanken mit einem fragwürdigen »Später«.

Ihre »Reformen«, ihre Wünsche zur Verschönerung der kulturlosen Hauptstraße waren unklar geworden. Aber jetzt würde sie damit anfangen. Ja, sie würde! Sie schwor es und schlug zur Bekräftigung mit ihrer zarten Faust auf die Kanten der Heizung. Und als sie mit allen Gelübden fertig war, hatte sie keine Ahnung, wann und wo der Feldzug beginnen sollte.

Wirklich ein Teil der Stadt werden? Sie begann den Gedanken in unangenehmer Klarheit zu betrachten. Sie kam darauf, daß sie gar nicht wußte, ob die Leute sie gern hätten. Sie war zu den Nachmittagskaffees der Frauen, in die Läden der Kaufleute mit so viel vorgefaßten Meinungen und Grillen gekommen, daß sie es allen unmöglich gemacht hatte, ihre Ansichten über sie zu verraten. Die Männer lächelten – aber war sie ihnen sympathisch? Sie war munter bei den Frauen – aber gehörte sie zu ihnen? Sie konnte sich nicht darauf besinnen, daß sie oft zu dem Geflüster über Skandalgeschichten zugezogen worden wäre, das der geheime Gerichtshof der Gopher-Prairie-Konversation ist.

Als sie ins Bett ging, war sie von Zweifeln vergiftet.

Am nächsten Tag setzte ihr Geist sich beim Einkaufen in Positur und beobachtete. Dave Dyer und Sam Clark waren so freundlich, wie sie gedacht hatte; aber lag nicht unpersönliche Kürze in dem »Tag« Chet Dashaways? Howland war barsch, war das nichts weiter als seine gewöhnliche Art?

»Es ist zum Verzweifeln, darauf achten zu müssen, was die Leute denken. In St. Paul hab' ich mich nicht drum gekümmert. Aber hier werde ich ausspioniert. Man beobachtet mich. Ich darf dadurch mich nicht einschüchtern lassen«, redete sie sich zu – von dem Gift des Denkens überreizt, in ihrer Verteidigung offensiv werdend.

Sinclair Lewis: Die großen Romane

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