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Carola wußte, wenn sie je etwas von den »Reformen« ins Werk setzen wollte, von denen sie geträumt hatte, müßte sie zunächst einen Ausgangspunkt haben. Was sie während der ersten drei oder vier Monate nach ihrer Heirat verwirrte, war nicht mangelnde Erkenntnis dafür, daß sie einen Entschluß fassen müsse, sondern einfach sorglose Freude an ihrem ersten eigenen Haus.

Im Stolz auf ihr Hausfrauentum liebte sie jede Einzelheit – den Brokatlehnstuhl mit dem schwachen Rücken, ja sogar den Messinghahn am Heißwasser-Reservoir, sobald sie einmal durch ihre Versuche, ihn blitzblank zu putzen, mit ihm vertraut geworden war.

Sie hatte ein Mädchen gefunden, die rundliche, strahlende Bea Sorenson aus Scandia Crossing. Bea war in ihrem Bemühen, gleichzeitig respektvoller Dienstbote und Busenfreundin zu sein, drollig. Sie lachten gemeinsam darüber, daß der Ofen nicht zog, und daß die Fische in der Pfanne so schlüpfrig waren.

Wie ein Kind, das im Schleppkleid Großmama spielt, stolzierte Carola zu ihren Einkäufen in die Stadt, rief den Hausfrauen am Weg Grüße zu. Alles grüßte sie, auch Fremde, und ließ sie fühlen, daß man sie brauchte, daß sie hierher gehörte. In den Stadtgeschäften war sie lediglich eine Kundin gewesen – ein Hut, eine Stimme, eine Plage mehr für abgearbeitete Kommis. Hier war sie Frau Doktor Kennicott, man wußte, welches Obst ihr das liebste war, und wie man sich ihr gegenüber benehmen sollte, man dachte daran und fand es der Mühe wert, sich darüber zu beraten … auch wenn es nicht der Mühe wert war, sich danach zu richten.

Das Einkaufen war eine Wonne lebhafter Beratungen. Gerade die Kaufleute, deren Schlafmützigkeit sie bei den zwei oder drei Gesellschaften, die zu ihrer Begrüßung gegeben worden waren, am langweiligsten gefunden hatte, waren die angenehmsten Vertrauten, wenn sie etwas hatten, worüber sie reden konnten – Zitronen oder Baumwoll-Voile oder Fußbodenöl. Mit dem Hanswurst Dave Dyer, dem Drogisten, führte sie einen langen lustigen Krieg. Sie behauptete, er übervorteile sie bei den Magazin- und Konfektpreisen; er behauptete, sie sei eine Detektivin aus den Zwillingsstädten. Er versteckte sich hinter dem Rezeptiertisch, und wenn sie mit dem Fuß aufstampfte, kam er hervor und winselte: »Wirklich, ich hab' heute keine Gaunerei begangen – vorläufig noch nicht.«

Sie konnte sich nie auf ihren ersten Eindruck von der Hauptstraße besinnen; sie empfand nie wieder die gleiche Verzweiflung über diese Häßlichkeit. Nach zwei Einkaufstagen hatte alles andere Proportionen bekommen. Da sie das Minniemashie-Hotel nie betrat, hörte es auf für sie zu existieren. Clarks Eisenwarengeschäft, Dyers Drogerie, die Lebensmittelgeschäfte von Ole Jenson, Frederick Ludelmeyer und Howland & Gould, die Fleischereien, der Kramladen – alles das dehnte sich aus und verbarg alle anderen Gebäude. Wenn sie in Herrn Ludelmeyers Laden kam, und er ächzte: »Guten Morgen, Frau Kennicott. Na, das ist mal ein schöner Tag«, sah sie nicht, wie verstaubt die Regale, wie dumm das bedienende Mädchen war; und sie dachte nicht an die stumme Auseinandersetzung, die sie bei ihrem ersten Besuch in der Hauptstraße mit ihm hatte.

Sie konnte nicht die Hälfte von dem bekommen, was sie zum Essen einkaufen wollte, doch das gab dem Ganzen einen etwas abenteuerlichen Anstrich. Wenn sie es durchsetzte, in Dahl & Olesons Fleischerei Kalbsmilch zu bekommen, war der Triumph so groß, daß sie vor Vergnügen trällerte und den starken klugen Fleischhauer Herrn Dahl bewunderte.

Sie freute sich an der gemütlichen Behaglichkeit des Dorflebens. Sie hatte die alten Männer gern, Farmer, Bürgerkriegsveteranen, die sich bei ihren Plaudereien manchmal auf dem Bürgersteig auf die Fersen hockten wie rastende Indianer und bedächtig über den Bordstein spuckten.

Sie entdeckte in den Kindern Schönheit.

Früher hatte sie geargwöhnt, daß ihre verheirateten Freundinnen ihre Leidenschaft für Kinder übertrieben. Doch in ihrer Arbeit in der Bibliothek waren die Kinder Individuen für sie geworden, Staatsbürger mit eigenen Rechten und eigenen Empfindungen. In der Bibliothek hatte sie nicht viel Zeit für sie gehabt, aber jetzt lernte sie das wonnevolle Vergnügen kennen, stehenzubleiben, Bessie Clark ernsthaft zu fragen, ob ihre Puppe sich vom Rheumatismus erholt habe, und Oscar Martinsen zuzugeben, daß es ein Mordsspaß wäre, Bisamratten zu fangen.

Sie dachte flüchtig: »Es wäre schön, selbst ein Kind zu haben. Ich möchte eines. Ein kleines – Nein! Noch nicht! Es ist so viel zu tun. Und ich bin auch noch müde von meiner Stellung. Ich spür' es noch in den Knochen.«

Sie ruhte daheim aus. Sie lauschte den Dorfgeräuschen, die in aller Welt, in der Dschungel und in der Prärie die gleichen sind. Geräusche, einfach und mit Zauber geladen – bellende Hunde, Hühner, die einen gurgelnden Ton der Zufriedenheit hervorbringen, Kinder beim Spiel, ein Mann, der einen Teppich klopft, der Wind in den Pappeln, eine zirpende Heuschrecke, Schritte auf dem Weg, die lebhaften Stimmen von Bea und einem Kaufmannsjungen in der Küche, ein klirrender Amboß, ein Klavier – nicht zu nahe.

Mindestens zweimal in der Woche fuhr sie mit Kennicott ins Land, um auf Seen, die im Sonnenuntergang wie Emaille schimmerten, Enten zu jagen, oder um Patienten zu besuchen, die zu ihr als der Frau des Edelmanns aufsahen und ihr für Spielzeug und Zeitschriften dankten. An den Abenden war sie mit ihrem Mann im Kino und wurde von allen anderen Paaren lärmend begrüßt; oder sie saßen, solange es noch nicht zu kalt war, auf der Veranda, riefen Leuten, die im Automobil vorbeifuhren, oder Nachbarn, die Blätter zusammenrechten, etwas zu. Der Staub färbte sich golden im Licht der tiefstehenden Sonne; die Straße war voll vom Duft heißer Blätter.

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