Читать книгу Gesammelte Werke - Sinclair Lewis, Sinclair Lewis - Страница 250
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ОглавлениеMeistens waren Elmer und Sharon gelassen wie ein Ehepaar, innig und vertraulich, und immer war er hingebungsvoll. Sharon aber war unberechenbar. Manchmal war sie Priesterin und düsteres Verhängnis, manchmal erschreckend in zupackender Leidenschaftlichkeit, dann wieder war sie ganz klein, ängstlich, und krümmte sich in traurigen Zweifeln an sich selbst, einmal war sie bleich, nonnengleich und still, ein andermal kalte Geschäftsfrau, oder aber sie war ein kleines Mädchen. In dieser letzten, ganz glaubwürdigen Rolle liebte Elmer sie zärtlich – es sei denn, sie spielte sie gerade, wenn sie hinausgehen und dreitausend Leute hypnotisieren sollte.
Dann bat er sie: »Ach, komm jetzt, Shara, bitte, sei gut! Bitte, hör auf zu maulen, geh raus und nimm dir die Leute vor.«
Sie stampfte mit dem Fuß auf, ihr Gesicht wurde ganz runde Kindlichkeit. »Nein! Ich will nicht. Ich will schlimm sein. Schlimm! Mit Sachen schmeißen. Ich möchte rausgehen und irgendwem einen Klaps auf die Glatze geben. Ich hab' genug von den Seelen. Ich möcht' ihnen allen sagen, sie sollen sich zum Teufel scheren!«
»Ach, herrjeh, bitte, Shara! Himmel, Herrgott, Donnerwetter! Sie warten auf dich! Adelbert hat die Strophe jetzt schon zweimal gesungen!«
»Das ist mir ganz gleich! Nochmal singen! Lieder, Lieder, dumme Lieder! Ich will schlimm sein! Hinausgehen und Adelbert Mäuse in seinen dicken Hals stecken – in seinen dicken Hals – in seinen dicken, frommen Hals!«
Doch plötzlich: »Ich wollte, ich könnt's. Ich wollte, man ließe mich wirklich schlimm sein. Ach, ich werd' so müde – alle langen nach mir, saugen mir das Blut aus und wollen, daß ich ihnen den Mut geb', den sie selber nicht kriegen können, weil sie zu kraftlos sind!«
Und eine Minute später stand sie vor dem Publikum, jubelte: »O meine Geliebten, der teure Herr hat heute abend eine Botschaft für euch!«
Und zwei Stunden später, im Taxi, in dem sie zum Hotel fuhren, schluchzte sie an seiner Brust: »Halt mich fest! Ich bin so einsam, ich hab' Angst und frier'.«