Читать книгу Für immer und ein Vierteljahr - Sonja Roos - Страница 13
ОглавлениеKapitel 9
»Herr Karmann, Ihr Schwiegervater.«
Frau Kling hatte die Tür zu seinem Büro aufgerissen und ihn mit dieser Ankündigung beschossen, ehe nun Hermann von Gödlitz auch schon wie der Diktator, der er war, an der Vorzimmerdame vorbeischritt, ihr die Bürotür vor der Nase zuknallte und sich unaufgefordert in Marcs Sessel fallen ließ. Jedes Mal, wenn Marc seinen Schwiegervater sah, musste er unwillkürlich an die alte Fernsehserie »Denver Clan« denken, um genau zu sein an den von John Forsythe verkörperten Patriarchen Blake Carrington. Distinguiert, arrogant, leider auch ziemlich imposant, sogar jetzt noch mit Anfang siebzig nahm der Alte mit seinen breiten Schultern und dem vollen weißen Haar jeden Raum ein, den er betrat.
Hermann von Gödlitz starrte Marc eine Zeitlang durchdringend an. Der Mann war wie ein Geier, der darauf wartete, dass seine Beute endlich vor ihm verendete. Hermann beugte sich etwas vor und nagelte Marc förmlich mit seinem frostigen Blick auf dem Stuhl fest. Marc versuchte, gegenzuhalten. Er wollte dem Alten nicht die Befriedigung geben, ihn in Grund und Boden zu starren, doch nach einer gefühlten Ewigkeit, in der sie beide so verharrten, war es doch Marc, der als Erster den Blick abwandte. Ein blödes Spiel, aus dem der Alte jedes Mal als Sieger hervorging. Er hätte schwören können, immer, wenn er so ein Blickduell mit diesem Mann ausfocht und verlor, Befriedigung in dessen ansonsten regloser Miene zu lesen, aber vielleicht bildete er sich das auch nur ein.
»Du bist wieder bei Jana eingezogen.« Hermann hatte es wie eine Feststellung formuliert, jedoch konnte Marc sehen, dass der Alte eine Antwort erwartete. Sein Schwiegervater lehnte sich wieder im Sessel zurück, faltete die Hände und legte seine langen Finger unter seinem Kinn ab. In dieser Position betrachtete er Marc nun wie einen unglaubwürdigen Zeugen im Kreuzverhör. Und Marc fühlte sich mit einem Schlag ebenso unbehaglich. Auch, weil es ihn überraschte, dass Hermann überhaupt etwas von seinem Auszug wusste. Bislang war Marc davon ausgegangen, dass der Alte immer noch in dem Glauben lebte, er und Jana seien ein glückliches Paar. Da Jana und ihr Vater sich nicht sonderlich nahestanden, hatte Jana ihn auch nur selten in private Dinge eingeweiht. Es war ihr immer ein Bedürfnis gewesen, so wenig wie möglich mit ihrem Erzeuger zu tun zu haben. Hermann wusste nichts über das Leben seiner Tochter und Jana hatte stets dafür gesorgt, dass das so blieb. Leugnen wäre allerdings auch albern gewesen und so nickte Marc nur, ohne weitere Ausführungen.
Das wurmte den Alten, Marc konnte es an der Art ablesen, wie dieser kurz seinen Nacken knacken ließ. »Was treibst du für Spielchen? Zuerst triffst du dich mit diesem Blender Willms und ziehst dann wieder bei meiner Tochter ein? Ist dir plötzlich aufgefallen, dass du bei einer Scheidung mit nichts dastehen würdest?« Der Alte war auf seinem Stuhl nach vorne gerückt und starrte Marc nun von oben herab an. »Sieh mich nicht so überrascht an. Hast du gedacht, ich würde nicht mitbekommen, was in meiner eigenen Kanzlei abläuft?« Seine Stimme war donnernd und Marc kostete es Überwindung, trotzdem den Blick nicht abzuwenden.
»Hermann, ich …« Weiter kam er nicht, da von Gödlitz ihm ins Wort fiel.
»Ist dir mal wieder das Geld ausgegangen, was? Ich wusste von Anfang an, dass du genauso ein Versager wie dein Vater bist und habe nie verstanden, was Jana an dir gefunden hat.«
Marc schluckte. Er spürte, wie sich seine Hände unter dem Schreibtisch zu Fäusten ballten und der Zorn wie bittere Galle in ihm aufstieg. »Es reicht, Hermann, verlass mein Büro. Unsere Ehe geht dich nichts an. Genauso wenig, ob ich nun ein- oder ausgezogen bin. Wenn du nichts Dienstliches zu besprechen hast, würde ich vorschlagen, dass du jetzt gehst.« Marc war sich nicht sicher, aber er hätte schwören können, so etwas wie Anerkennung im Blick seines Schwiegervaters aufflackern zu sehen.
»Nun gut, aber sei versichert, ich behalte dich im Auge. Was auch immer für Spielchen du da treibst, wenn du ihr wehtust, wirst du das bis ans Ende deiner Tage bereuen.« Mit diesen Worten stand er auf und verließ das Büro, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen.
Marc spürte, wie sich ein Lächeln auf seine Lippen stahl. Nie zuvor hatte er dem Alten die Stirn geboten und er musste zugeben, es war ein berauschendes Gefühl. Vielleicht hätte er das schon viel früher tun sollen, statt sich von ihm rumkommandieren zu lassen. Das gerade war ein guter Anfang, jetzt musste er sich nur selbst beweisen, dass mehr in ihm steckte als sein Schwiegervater ihm zugestehen wollte. Er nickte, wie um sich einen Schubs zu geben und zog dann einen Stapel Unterlagen aus der Ablage, um diese zu bearbeiten.