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Einbauküchen! Jona Hagen schlug den Schrank mit dem Ellbogen zu. Für jedes Kochutensil musste man eine Tür öffnen und dazu wissen, hinter welcher genau das Gesuchte stand. Einbauküchen waren so uninspirierend wie Büroarchive, wie Tonic ohne Gin, wie Kochen ohne ein Gläschen Wein. Sie seufzte. Wie konnte man nur keinen einzigen Tropfen Alkohol im Hause haben? Zum dritten Mal öffnete sie den Hängeschrank mit den Vorräten. Gewürze, Dosen, Packungen mit Nudeln, Reis, gläserweise Eingemachtes und Süßkram. Von geistigen Getränken keine Spur. Dabei war Ulf doch ein Gourmet. Sie leerte die Pfanne, in der die Goldbrassen bis vor Kurzem noch auf Ingwer und Chili gebrutzelt hatten, über dem Mülleimer aus. Natürlich war Jakob genau in dem Moment an der Küchentür vorbeigestreift, in dem die Doraden angebrannt waren. Gut, dass sie ein paar Fische mehr gekauft hatte. Die Ersatzgoldbrassen würde sie im Ofen backen, auch wenn sie ihnen dafür den Kopf abtrennen und sie bis zum Schwanz aufschlitzen musste.

Aus dem Flur drangen Geräusche, ein Schlüssel klimperte. Kurz darauf spürte sie zwei Hände um ihre Taille.

»Was wird das denn Schönes?«

Jona wandte sich um, doch in dem scharfkantigen, schmalen Gesicht war keinerlei Ironie zu erkennen.

»Sorry. Das war Dorade, die erste. Der zweite Akt landet in fünfundzwanzig Minuten auf dem Tisch. Laut chefkoch.de. Beim Kochen bin ich ohne Vino irgendwie blockiert.«

»Dann geh ich mal in den Keller. Da warten hundert Fläschchen darauf, deine Blockade zu lösen.«

»Du hast einen Weinkeller?« Jona trat einen Schritt zurück und konstatierte das feine, inzwischen so vertraute Lächeln in seinem Gesicht. Heute sah es erschöpft aus.

»Wieso weiß ich das nicht?«

»Etwas muss man ja noch in petto haben.«

Fünf Minuten später kehrte er mit zwei Flaschen Sauvignon Blanc zurück.

»Eine für die Fische, die andere für uns. Soll ich dir helfen?«

Bei der Umarmung drückte seine Dienstwaffe gegen ihre Brust.

»Nimm lieber eine Dusche und entspann dich. Du siehst schrecklich aus.«

Bei Tisch wurde wenig geredet. Steiner lobte die Dorade, sein Sohn schaufelte anstandslos eine Gabel nach der anderen in sich hinein. Das Klirren des Bestecks erinnerte Jona an ihre Kindertage. Ungutes Schweigen, und niemand, der es zu durchbrechen wagte. Außer ihr natürlich. Jona, das Enfant terrible.

»Morgen ziehen sie das Gerüst hoch.« Sie schob sich eine Kartoffelscheibe in den Mund und fing Steiners Du-kannst-gerne-hierbleiben-Blick auf. Ohne zu kauen, würgte sie den Bissen hinunter. »Einen Winzbalkon an die Küche gepappt und Einheitsbäder im Luxuschromstil. Ich will das nicht, selbst wenn ich es mir leisten kann. Die denken, die können einem diktieren, was schön ist. Dabei geht es nur um Kohle.« Ihre Kehle brannte. Der Sauvignon Blanc half auch nicht wirklich. Tief atmen, bis die heiße Welle der Wut abgeflaut war, riet sie ihren zu Jähzorn neigenden Patienten. Wie schwer das war! Sie schielte zu Botticellis Venus. In Originalgröße, knapp drei auf zwei Meter, hing der auf Leinen gezogene Kunstdruck an der Längsseite des Wohnzimmers. Sollte die Liebesgöttin jemals zornig gewesen sein, hatte sie das glühende Gift in Melancholie verwandelt.

Jona legte ihr Besteck beiseite und lächelte in die Runde.

»Schön, dass ich hier willkommen bin. Ich glaube, ich ziehe wirklich morgen bei euch ein. Mein Kleiderschrank passt gut in Jakobs Zimmer. Taschen und Jacken stopfe ich hinter sein Bett. Die paar Mal, die ich Besuch von einer Freundin kriege, kann Ulf ja in die Kneipe gehen. Und ich bekoche euch jeden Abend, sobald ich von der Praxis heimkehre.«

Unkommentiert standen ihre Worte im Raum, der Vierzehnjährige verzog keine Miene.

»Mensch, bist du gut erzogen.« Jona legte die Gabel nieder und sah dem blassen Jungen ins Gesicht. Der Anflug eines Bartflaumes lag auf seinen Wangen. »Ich würde einen Horror kriegen, wenn mir das jemand ankündigen würde. Schreikrämpfe oder Mordgedanken. Keine Sorge, ich habe es nicht ernst gemeint.«

Doch statt zu lachen, stand Jakob auf und verließ das Zimmer.

»Oje. Soll ich ihm nachgehen?«

Steiner winkte ab. »Ich fürchte, er ist unglücklich verliebt.«

»So witzig war es auch nicht. Ich bin gestresst von dem Baulärm.« Sie sah auf. »Außerdem verliere ich gerade mein Zuhause.«

Eine ungemütliche Stille breitete sich aus. Ulf zog seine Brille ab und rieb sich die Augen, bevor er ihr einen um Nachsicht bittenden Blick zuwarf.

»Wir suchen nächstes Wochenende in der Zeitung, einverstanden? Es gibt immer Angebote. Auch für so Familien wie uns.«

»Weißt du, was für ein Haifischbecken dieser Wohnungsmarkt geworden ist? Teuer und korrupt. Ich habe im Netz nach einer Vierzimmerwohnung geschaut. Wahnsinn.«

Steiner nickte.

»Und dann dieses pikierte Schweigen, wenn du fragst, ob sie noch was Preiswerteres haben.« Sie holte Luft, um die Sekretärin eines Maklerbüros nachzuahmen, und spürte Steiners Hand auf ihrem Unterarm.

»Nicht heute, bitte.«

»Ist irgendwas passiert?«

Ulf schwieg einen Moment. »Er hatte diese Sportschuhe an. Genau die gleichen, die ich mir letzte Woche auch gekauft habe.«

»Wer?«

»Der Tote. Die gleichen Laufschuhe, das gleiche Trikot. Für einen Moment dachte ich, ich liege da.«

Jona ließ ihren Blick über die aufrecht sitzende Gestalt ihres Freundes gleiten. So angegriffen kannte sie ihn nicht. Den Bullenblues hatte es mal ein ehemaliger Patient aus dem Polizeimilieu genannt, wenn man die Gewalt nicht mehr auf Distanz halten konnte. Von ihm hatte sie auch gelernt, dass dieser Blues so lange sein Lied spielte, bis man ihm zuhörte. Ulf schien ihn gut zu kennen. Wieder eine neue Seite von ihm.

Instinktiv spülte sie die mitfühlenden Worte mit einem Schluck Weißwein hinunter. Aus Jakobs Zimmer drangen leise Klänge der Gitarre, die sie ihm zu Weihnachten geschenkt hatte.

»Wenn du erzählen magst – ich bleibe gerne«, sagte sie schließlich, »aber ich könnte mir vorstellen …«

Sein dankbarer Blick ließ sie verstummen. Schweigend räumten sie den Tisch ab. An der Tür hielt er sie noch einmal fest.

»Nächste Woche fangen wir mit der Wohnungssuche an, versprochen.«

»Ich lass mein Handy an.« Sie grub ihr Gesicht in seine Halsbeuge. »Und rück mich bei Jakob wieder in ein gutes Licht.«

»Nicht nötig. Er hat dich längst ins Herz geschlossen, er kann es nur nicht zeigen.«

Das Licht im Treppenhaus erlosch in dem Moment, in dem die Wohnungstür sie aus seiner Welt ausschloss. Jona tappte im Dunkeln die Stufen hinunter.

***

In ihrer psychotherapeutischen Praxis fühlte sie sich noch am wohlsten. Arbeiten mit Menschen, die etwas vom Leben wollten und einen ehrlichen Blick darauf wagten, es gab nichts Schöneres. Zudem lenkten die Gespräche mit den Patienten sie von dem Gefühl des Verlustes ab, das sie seit Wochen begleitete. Bornheim war nicht verschwunden, nur weil ihre Vermieter beschlossen hatten, aus den liebenswerten Einzimmerwohnungen sanierte Luxusschnittchen zu machen. Leben ist da, wo man selbst ist. Am Küchenschrank ihrer Wohnung, die sie Ende des Monats räumen musste, hing noch die Karte mit diesem Spruch. Jona wischte den Gedanken an die leeren Gewürzregale fort und notierte sich auf ihrer To-Do-Liste Keller ausräumen. Mixer, alte Skier, Gartenstühle, Farbtuben, Tage- und Skizzenbücher, Weinkisten, Weihnachtsschmuck und Briefe von Menschen, die längst in anderen Welten Fuß gefasst hatten. Wenn sie an all die aufgetürmten und ineinander geschobenen Relikte ihres bisherigen Lebens dachte, wurde ihr ganz anders. Sie sollte einen großen Container bestellen und die Zeugen ihrer Vergangenheit für immer im städtischen Abfallmeer begraben.

Es war später Nachmittag, als ihr letzter Patient die Praxis verließ. Nicht nur er hatte sich heute sehr verletzlich gezeigt; auch die essgestörte Managerin war bei der Schilderung ihres Streites mit der Tochter besonders emotional geworden. Ob das an ihr lag, an der aufgewühlten Stimmung, die sie unterschwellig ausstrahlte?

Sie sann über diese Frage nach, ohne zu merken, dass ihre Kollegin Ute die Praxisküche betrat.

»Redebedarf?« Ute knotete ihr Lockenhaar im Nacken zusammen. Das Sommersprossenmeer in ihrem Gesicht war Jona so vertraut wie dieser intensive Blick, dem für gewöhnlich nichts entging. Einen Moment zögerte sie, dann schüttelte sie den Kopf.

»Etwas mehr Schlaf wäre gut.«

»Oder etwas weniger Pastis.« Ute klimperte mit den Wimpern. »Ich krieg gleich noch einen Patienten. Lass uns morgen mal in Ruhe Pause machen. Hasta luego.«

Jona sah ihr nach. Seit ihrer Auszeit in Spanien trug sie sommers wie winters Espadrilles und lachte unbekümmert auf, wann immer sich eine Gelegenheit dazu bot. Wie gerne wäre sie ihr ins Sprechzimmer gefolgt und hätte ihr Herz ausgeschüttet, doch bevor sie etwas andeuten konnte, klingelte es an der Tür.

Zu Hause warteten die vorgefalzten Umzugskartons. Lange blieb sie am Fenster stehen und sah auf die Straße, die ihr seit Jahren das Gefühl gab, ein Teil dieser Stadt zu sein.

Über dem Dachfirst war der Mond aufgegangen, der oft in ihr Zimmer spähte, heute schon am frühen Abend. Wenn sie ihren Kopf aus dem Fenster streckte, konnte sie rechts an der Ecke die Bäckerei sehen. Mehr als einmal hatte sie sich warme Schokocroissants aus den blauen Plastikwannen stibitzt, die morgens angeliefert wurden, und einen Fünfeuroschein gut versteckt an die Palette geklemmt. Damit war jetzt Schluss. Genau wie mit spontanen Besuchen in der Apfelweinkneipe gegenüber oder einem Spaziergang über die Bergerstraße, wenn die Großstadtmelancholie sie nach allem greifen ließ, was Leben versprach. Es wurde ohnehin Zeit für den Abschied vom Weltschmerz. Sobald sie mit Ulf und Jakob zusammenzog, würde sie Teil einer Familie sein. Sie betrachtete das gegenüberliegende Haus mit dem Giebel, das ihr noch nie so schön vorgekommen war, und ließ das Klingeln ihres Handys verstreichen. Dreiundvierzig Jahre musste sie werden, um vom Alleine-Wohnen Abschied zu nehmen. Sie war eine Einzelgängerin, in den Augen ihres Vaters unvermittelbar, in denen ihrer Schwester ein Unikat. Wie stark ihre Verliebtheiten auch gewesen waren, wie wild die Abenteuer, immer hatte es in ihrem Leben einen Ort gegeben, an dem sie sich verkriechen konnte und der nur ihr gehörte. Sie war der Singlewohnung treu geblieben, wenn man von dem fünfmonatigen Fiasko mit Giorgo absah. Der italienische Fotografiestudent hatte ihre Welt aus den Angeln gehoben, um sie für eine dezentere Version ihrer selbst zu verlassen. Danach hatte sie sich geschworen, keine Kompromisse mehr einzugehen und alleine zu wohnen. Und jetzt war sie es, die Ulf zur gemeinsamen Wohnungssuche drängelte!

Das Leben an der Seite eines Kriminalkommissars würde nicht leicht werden. Knapp und so liebenswürdig, wie das am Steuer im Straßenverkehr eben ging, hatte er ihr am Morgen mitgeteilt, sein Tag sei straff. Fallrecherche bei einer Immobilienfirma, der Besuch der Witwe des Verstorbenen, Dienstbesprechung, später noch Elternabend. Sie würde sich an seinen erschöpften Abendanblick gewöhnen müssen, und an einen Alltag auch jenseits ihrer Verliebtheit.

»Grins nicht so«, fuhr sie Mister Bones, das medizinische Skelett an, das im Flur nonchalant ihre Tasche und zwei Jacken auf seinem Skelettkörper trug. »Sonst sortier ich dich aus.«

Was konnte sie überhaupt ins Nordend zu Steiner und seinem Sohn mitnehmen, ohne die Dreizimmerwohnung zu überfrachten?

Ihr Blick schweifte durch die Wohnung. Den Futon auf keinen Fall. Und ihr Designerkühlschrank passte auch nicht in diese verfluchte Einbauküche. Sie brauchte eine Abstellkammer, besser noch ein kleines Studio. Seit ihr Gartenatelier letzten Winter abgebrannt war, besaß sie keinen Rückzugsort mehr, und gemalt hatte sie seither auch nicht.

Den Rest des Abends verbrachte sie damit, im Halbdunkel des Zimmers zu sitzen.

Ulf würde ihre SMS verstehen. Nie waren sie sich so nahe wie in den Momenten, in denen sie wortlos ihre Unvollkommenheit stehen ließen.

Am Morgen wurde sie unsanft vom Baulärm geweckt. Sie trank zwei Espresso in der Küche, bevor sie eine Umzugskiste in die Mitte ihres Wohnzimmers stellte und anfing, wahllos Kleidungsstücke einzupacken.

Die scharlachrote Bluse, Kordhosen in verschiedenen Farben, das Pailletten-T-Shirt und ihre geliebte, gepunktete Jacke mit den weit ausgeschnittenen Taschen. Darüber die solideren Sachen für wichtige Anlässe. Weiße Blusen, dunkle Jeans. Schwarze Budapester. Sie warf ihre Clogs Größe 43 hinterher. Wie sollte sie ausmisten, wenn an jedem Teil ein Stück Identität hing? Sie klappte den Karton zu und blieb eine Weile darauf sitzen, bis sie beschloss, dem Tag ein anderes Gesicht zu geben und ins Bad verschwand.

Auf der Vespa kehrten ihre Lebensgeister zurück. Sie klappte das Visier auf und sog die frische Frühlingsluft ein. Wenn sie den Papierkram auf ihrem Praxisschreibtisch ignorierte, war sie frei bis zum Mittag. Die Südseite des Mains lag in der Sonne, wie lange war sie nicht mehr am Flussufer spazieren gegangen, und anschließend ins Städel. Während sie sich zu erinnern versuchte, welche Ausstellung lief, fand sie sich auf der dreispurigen Adickesallee wieder. Steiner! Sie fuhr also geradewegs zum Polizeipräsidium. So sah ihre Freiheit aus; jedenfalls das, was ihr Unterbewusstsein sich darunter vorstellte. Die Vespa röhrte, als sie den Gasgriff bis zum Anschlag aufdrehte, doch mit dem Auftauchen des Präsidiums verdichtete sich der Verkehr und kam vor der roten Ampel zum Erliegen. Endstation Steiner. Ihr Herz pochte, als sie mit laufendem Motor an der Kreuzung stand, fünfzig Meter Luftlinie von seinem Büro entfernt, und mit jeder Faser ihres Körpers in Versuchung, diese fünfzig Meter zu überwinden.

Nur unwillig folgte sie der Aufforderung der grünen Ampel und bog nach der Kreuzung rechts in eine Seitenstraße ein. Ruhig war es hier. Sie geriet auf eine breite Spielstraße, vorbei an Mietshäusern und einem Abenteuerplatz, ließ sich von der fremden Kulisse leiten, die abseits der großen Straßen ihr Eigenleben führte.

Mit der nächsten Abzweigung gelangte sie ins Villenviertel. Wie von Zauberhand schien die Zeit angehalten. Ein prächtiges Haus reihte sich an das nächste. So sah also ein wohlfeiles Wohnviertel aus. Eines, das sich selbst genügte. In den Anblick einer mächtigen Trauerweide verloren, wich sie im letzten Moment einer Filmspule aus, die über die Straße rollte. War das gerade Sperrmüll gewesen? Sie bremste ab und sah in den Rückspiegel. Tatsächlich Sperrmüll. Und auf der anderen Seite, etwas zurückgesetzt, ein Mehrparteienhaus im Gerüst. Also auch hier. Von wegen Zauberhand. Bevor sie wieder Gas geben konnte, blieb ihr Blick im Rückspiegel hängen. Ein Mann in Jeans und Baseballkappe warf ein Regalbrett auf den Sperrmüllhaufen und verschwand wieder aus dem Bildausschnitt.

Ob hier jemand auszog oder nur ausgemistet wurde?

Jona parkte ihre Vespa am Gehsteig und schlenderte die wenigen Meter zu Fuß zurück. Ein Blick nach links ließ sie überrascht stehenbleiben. Im Schutz einer Blätterhecke erstreckte sich eine Rasenfläche, in deren Mitte eine malerische Villa stand. Dass die Fensterläden brüchig waren und Putz von der Fassade bröckelte, tat ihr keinen Abbruch. Im Gegenteil. Jona ließ den Anblick der kleinen Stadtvilla auf sich wirken. Sechs freistehende Steinstufen führten zu einer Eingangstür, wie man sie aus alten Filmen kannte. Als sie den Mann mit der Baseballkappe aus der Haustür treten sah, verspürte sie eine kleine Aufregung.

»Entschuldigen Sie.« Sie ignorierte seine verschlossene Miene. Er sah müde aus, und unrasiert. »Ziehen Sie aus?«

»Mein Bruder«, antwortete er und verstaute die Schreibtischlampe im Kofferraum seines Wagens.

»Es geht mich nichts an. Aber wieso zieht man denn aus so einer Villa aus?«

Jona zwang sich, dem durchdringenden Blick des Mannes standzuhalten, der sich an seinen Volvo lehnte.

»Mein Bruder … hat sich etwas vergrößert.« Er lächelte schief. »Aber falls Sie eine Wohnung suchen – das hier ist nur eine Dachmansarde. Vielleicht versuchen Sie es eher da drüben.« Er deutete auf das eingerüstete Haus in seinem Rücken. Hier entstehen Eigentumswohnungen für Sie, verriet ein Banner.

»Nein danke.«

Ihr Gegenüber lächelte, diesmal freundlich.

»Die Vermieterin dieser Villa wohnt selbst hier. Frau Keiler. Erdgeschoss rechts. Einfach mal klingeln.« Er wandte sich wieder seinem Kofferraum zu, und Jona besah sich das schmiedeeiserne, vom Rost zerfressene Klingelschild. Sechs Mietparteien. Ein neuer Kosmos. Warum, verdammt nochmal, nicht. Sie drückte den Klingelknopf rechts unten, und beinahe im gleichen Moment ertönte der Summer.

Faule Mieten

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