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Meine Vagina ist weltoffen

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Der Nachmittag mit einem deutschen Banker hatte mich erschöpft, aber dafür bin ich jetzt ein kleines bisschen reicher. Ich arbeite als „Erfolgscoach“ und helfe Managern, ihre Persönlichkeit zu entfalten. Wenn es nichts zu entfalten gibt, bin ich besonders gefragt. Angeblich ihrer Karriere wegen, in Wahrheit, weil sie Sex wollen. Alle wollen mehr Geld und mehr Sex und die meisten wären bei einem Therapeuten besser aufgehoben. Das könnte ich sein, hätte ich im Studium durchgehalten. Fehlanzeige.

Ich habe Psychologie studiert, weil ich Menschen zu ihrem Glück verhelfen wollte. Pathetisch, aber wahr. Irgendwann wurde mir mein Studium zu langweilig. Seitdem konzentriere ich mich auf Geld und Sex – wie meine Klienten. Daraus muss man kein Problem machen. Jeder hat das Recht, Prioritäten so zu setzen, wie es ihm beliebt. Geld schafft Möglichkeiten und Sex tut gut. Auf jeden Fall mit Sander. Er ist mein Liebhaber. Doch dazu später. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Das sagt man in den Kreisen meiner Klienten gern und es ist ein bodenloser Quatsch! Wer an seiner Arbeit kein Vergnüngen findet, muss etwas ändern. Arbeitszeit ist Lebenszeit. Das versuche ich meinen Kunden zu vermitteln. Ein harter Job, deshalb müssen sie viel dafür bezahlen. Die wenigsten wissen selbst, was gut für sie ist. Sie wurden zu angepassten Funktionsmaschinen erzogen, mit Grenzen, Regeln und Konsequenzen. Dressur funktioniert bei Menschen. Je früher man damit anfängt, umso tiefer dringen die Lektionen, aber ich kann nicht wirklich glaubwürdig über Erziehung schreiben, dazu fehlen mir eigene Kinder.

Mein Mann Jakob und ich haben versucht, Eltern zu werden. Vergeblich. Als wir schließlich in einer Kinderwunsch-Praxis landeten, weigerte sich Jakob, in einen Becher zu onanieren und flüchte wortlos aus der Praxis. Den leeren Becher hielt er noch in der Hand. Ich sah ihn, als er mit versteinertem Gesicht am Wartezimmerfenster vorbei stürmte. Mich ließ er zwischen zwei Frauen Anfang 40 sitzen. Die eine war für den dritten Versuch hier, die andere für den siebten. Ich würde nie wiederkommen. Jakobs Antwort auf meinen Kinderwunsch war ein leerer Becher. So sah ich es und mein Mann widersprach nicht. Das tut er selten.

Unser Kinderwunsch und unser Sexleben schliefen zeitgleich ein, nur der Kinderwunsch wacht gelegentlich wieder auf. Zumindest bei mir. Das ist nicht ungewöhnlich bei Frauen Anfang 30. Ich lenke mich mit Arbeit ab und mit Sander. Irgendwann will Sander Kinder, hat er mir zugeflüstert. Ich habe nicht darauf reagiert. Wozu auch, wir werden ohnehin nicht mehr lange miteinander schlafen.

Sander ist mein Liebhaber, Jakob mein Ehemann. Beide haben Erektionsprobleme, aber Sander macht wenigstens was daraus. Er braucht keinen Erfolgscoach wie mich. Er ist sein eigener. Er ist selbständig in jeder Beziehung, unter anderem mit einer Werbeagentur. Persönlichkeiten wie ihn treffe ich selten bei meiner Arbeit im mittleren und oberen Management der Banken. Schade eigentlich. Ich habe Sander im ICE getroffen. Ich kam von einem Kunden und er fuhr zu einem, trotzdem hatten wir dieselbe Richtung: nach München.

Ich war froh, endlich im Zug zu sitzen – auf dem Weg nach Hause. Sander saß mir gegenüber und lächelte mich an, ob freundlich oder herausfordernd, konnte ich nicht entziffern. Eine dunkle Locke rutschte in sein kantiges Gesicht. Es strahlte Entschlossenheit aus, aber auch Sensibilität. Eine Kombination, die in mein Beuteschema passt. Er saß auffällig gerade und zog seine Schultern zurück, wahrscheinlich war er nicht besonders groß. Dann piepste es in seiner Hose. Er sprach Englisch an seinem Smartphone, mit leichtem Akzent. Ich liebe Akzente, weil sie selbst aus Plattitüden einen Hörgenuss machen können, deshalb sind meine außerehelichen Affären bevorzugt international. Meine Vagina ist weltoffen. Ich merkte, wie sie Lust auf eine neue Bekanntschaft bekam und schloss meine Augen. Ich fing an zu träumen. In der Phantasie lasse ich das Leben gerne in die Vollen gehen. Noch heute erinnere ich mich an jede einzelne Sequenz.

Mein Gegenüber zwinkert mir zu, hält meinen Blick in seinen dunklen Augen fest, seine Zunge streicht Feuchtigkeit auf seine Lippen, ganz langsam. Er beugt sich vor, zu mir. Seine Hand packt meinen Nacken, umschließt ihn und zieht mich kraftvoll an sein Gesicht. Nur noch Millimeter trennen unsere Lippen. Sein Atem drängt auf meinen Mund, aber anstatt mich zu küssen, greift er in meine Haare, zieht meinen Kopf zurück und schaut mich an. Sein Blick brennt, zieht mich bis auf die Seele aus. Dann, endlich, drückt er meinen Kopf wieder nach vorne. Entschlossen presst er seine Lippen auf meine und einen Moment später schlängelt sich seine Zunge in meinen Mund. Seine freie Hand will meine Bluse aufknöpfen. Die Knöpfe sind klein und sitzen fest. Mit einem Ruck reißt er alle ab. Kühle Luft kommt an meine Haut. Meine Brustwarzen verhärten unter dem Stoff meines BHs. Der Mann küsst einfach weiter. Seine Zunge bestimmt, wie sich meine bewegt. Dann zieht sie sich aus dem Zweikampf zurück, wandert über meinen Hals zu meinen Brüsten. Er hebt sie aus ihrem Spitzenbett. Sanft neckend umkreist seine Zunge meine Nippel bevor er sie zurückzieht. Jetzt packen seine Lippen zu. Sie legen sich fest um die linke Brustwarze, um sie zu kneifen. Es schmerzt und er fängt an zu saugen. Dann kniet er sich vor mich, drückt meine Schenkel auseinander, löst seinen Gürtel, zerrt an meinem Slip und zieht mich nach unten auf seinen Schoß. Ich spüre seinen Schwanz an meinen Schamlippen. Er spaltet sie und stößt zu. Meine Phantasie ist so deutlich, dass es mir schwer fällt, mich nicht am Puls meiner Lust zu berühren.

Gewaltsam beendete ich meinen Traum, indem ich meine Augen öffnete. Er sah mich an. Sein Blick buchstabierte das Wort „Begehren“ in großen Lettern. Meine Wangen glühten. Ja, ich hatte es nötig. Und wie. Er sah mich immer noch an. Intensiv. So, als würde er sich vorbeugen wollen, zu meinem Mund und zu meinen Brüsten, als wüsste er von meinem Traum. Ich wurde nervös. Wir waren allein im Abteil. Er löste seinen Gürtel.

„Bist Du bereit?“ fragte er. Ich kannte diesen Mann nicht, in den Nebenabteilen saßen vermutlich Menschen, der Schaffner drehte seine Runden und ich trug einen Ehering, in den der Name „Jakob“ graviert war. Ich nickte. Er stand auf, schloss die Abteiltür, zog die Vorhänge zu und stellte sich vor: „Ich bin Sander.”

Dann ging es schnell zur Sache. Ich habe mich breitbeinig auf meine neue Bekanntschaft gesetzt, ich gebe gerne die Gipfelstürmerin, weil ich so die Bewegungen kontrollieren kann. Während meine Zunge in seinem Mund verschwand half ich seinem Schwanz in meine Vagina. Es fing wirklich gut an, mit mir und Sander. Die Schwierigkeiten kamen erst mit den Gefühlen. Mit denen kommen sie meistens.

Sander ist Holländer und lebt in Frankfurt. Dort hat seine Werbeagentur ihren Hauptsitz. Es ist jetzt ein halbes Jahr her, seit wir uns im ICE begegnet sind. Am Tag darauf bekam ich die erste Email von ihm. Er schrieb auf Englisch. So sollte es bleiben: Wir schrieben englisch und sprachen deutsch. Auf diese Weise führten wir zwei Leben. Für jede Sprache existiert eine eigene Welt. In der einfachen Struktur und im klaren Ausdruck des Englischen, waren wir uns nahe. Englisch eignet sich hervorragend für Sex. Obendrein ließ uns unser begrenztes Vokabular keinen Raum für Ausflüchte und Komplikationen. Gleichzeitig bot die fremde Sprache Schutz, weil sie Gedanken und Gefühle in eine Parallelwelt bewegte.

In seiner ersten Mail schrieb mir Sander, was er von mir erwartete. Seine Worte drückten sich durch meine Poren: „Love me, love me. If you really, really love me, hurt me.“ Da war er, der Rhythmus der Welten. Die Wiederholung. Der Rhythmus. Ein Versprechen. In zwei Tagen werde ich den Kreis schließen, den er mit seiner ersten Mail geöffnet hat. Ich werde ihn verletzen. Er hat es nicht anders gewollt. Sein Herz wird auf Eis landen. Es gibt keine Alternative. Ich kann nicht anders. Diese Aussage würde ich bei keinem Klienten durchgehen lassen, man kann schließlich immer anders. Ach wirklich?

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