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Sie war „fucking good“ im Bett

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Nur in den besten Fällen gibt es keine Probleme mit Sex. Für mich ist der beste Fall Sander, trotz seiner Erektionsprobleme. Leider kann er nicht behaupten, dass ich für ihn auch der beste Fall bin. Trotzdem tut er es. Er macht sich etwas vor, darin hat er Übung. Wie so viele. Ich auch. Geschmeidiges Lügen gehört zu jeder erfolgreichen Liebesbeziehung. Es ist einfach, wenn man weiß wie es funktioniert. Ein bisschen Menschenkenntnis reicht und welche Frau hätte die nicht. Oh ja, das Klischee, aber jedes Klischee musste sich irgendwann einmal beweisen, um überhaupt eines zu werden. Also bitte keine Abfälligkeiten, wenn es um Klischees geht. Sie haben die Wahrheit gepachtet.

Zurück zu Pfister. Anstatt mit mir über seine Karriere zu sprechen, wurde er persönlich. Seine Schultern sackten nach vorne. Seine Anspannung machte schlapp und seine Augen tränten. Hilflos trieb er im Kielwasser seines Lebens. Ein verletzter einsamer Mensch, der um sich weinte. Pfister wusste: Er hatte eine rare Chance auf Glück vor die Tür gesetzt. Sie hieß Marie und es war das erste Mal, dass ich von ihr hörte. Seine Gattin hieß anders.

Der unglückliche Banker war mit einer sehr schönen und sehr schlanken Nadja verheiratet, die sein Leben dekorierte. Früher betrachtete er sie als Kunstwerk. Er bewunderte sie. Bewundern schafft die Distanz der Illusion. Lieben schafft Nähe. Vorausgesetzt alles geht gut. Hatte Pfister Nadja jemals geliebt? Warum hatte er sie überhaupt geheiratet? Damals glaubte er, sie würde sein Leben bereichern. Seiner Mutter sagte er: „Ich kann mich mit ihr sehen lassen. Das ist wichtig in meinen Kreisen, ein echter Erfolgsfaktor.“ Nadja wollte nicht gesehen, sondern wahrgenommen werden. Das entging Pfister, wie so vieles. Er kannte seine Frau nicht. Die Kommunikation der Pfisters glich Selbstgesprächen, die zufällig in einem Raum stattfanden, noch häufiger allerdings beherrschte Schweigen das gemeinsame Haus. Überflüssig zu erwähnen, dass es ein hübsches Haus war. Nadja möblierte es mit Designermöbeln und achtete auf Ordnung und Sauberkeit.

Sie hatten eine Putzfrau namens Marlies Schmotz. Frau Schmotz war unterbezahlt. Nadja fand das leistungsgerecht. Immerhin fühlte sie sich gezwungen vor und nach den Besuchen von Marlies Schmotz aufzuräumen und selbst den Putzlappen in die Hand zu nehmen. Hätten sich die Pfisters mehr Raum leisten können, hätte ihr Heim womöglich in eine moderne Wohnzeitschrift gepasst. So aber fehlte ihm die notwendige Großzügigkeit. Ihrem Haus wie ihrem Leben. Das Haus war klein und hübsch. Hübsch, aber lautlos. Nadja wollte keine Kinder. Die Schwangerschaften hätten ihrer Figur geschadet und Pfister wusste ohnehin nicht, was er wollte, außer, dass Nadja ihre gute Figur behielt. Die führte er schließlich regelmäßig aus, in feine Restaurants und zu angesagten Ausstellungen. Was angesagt war, stand in den Magazinen, die Nadja kaufte und auf dem „Coffee-Table“ drapierte. Wieso weigerte sie sich, das Wort „Couchtisch“ in den Mund zu nehmen, wo sie doch gar keinen Kaffee trank, um ihre Haut zu schonen? Pfister behielt diese Fragen für sich, genauso wie die Frage, warum Nadja nicht mehr mit ihm schlafen wollte. Schon lange nicht mehr. Mit Worten konnte er nicht umgehen, weil er nichts zu sagen hatte, davon war er im Innersten überzeugt. Nadja bestätigte sein Urteil: schon im zweiten Monat ihrer Ehe. Sie saßen im Taxi und kamen gerade von einem Abendessen mit Nadjas besten Freunden, einem Schriftsteller-Ehepaar. Zu dem Treffen hatte er nur seine Kreditkarte beitragen können. “Geld statt Geist”, urteilte seine Frau. Trotzdem blieb sie bei ihm und Pfister war dankbar, bis er Marie traf.

Marie klingelte an einem Samstagabend, weil sie sich alleine fühlte und nicht wusste wohin. Sie klingelte unter dem Vorwand, Eier zu brauchen. Ihr Freund, ein politischer Journalist, hatte sie vor wenigen Wochen verlassen, weil sie vor seinen intellektuellen Kollegen nicht bestehen konnte. Schon lange störte er sich an ihrem Halbwissen über die, seiner Ansicht nach, wirklich wichtigen Vorgänge in dieser Welt. Gerade er, dessen Beruf auf Halbwissen baute. Er rächte sich, indem er sie betrog. Regelmäßig und mit wechselnden Partnerinnen. Die letzte war allerdings so „fucking good“ im Bett, wie er seinem Kollegen über den Schreibtisch zurief, dass er bei ihr bleiben wollte. Er war stolz und tat, als wäre ihr Können sein Verdienst. Im Grunde war er davon überzeugt: Nur seine fantastischen Fähigkeiten als Mann machten sie zu der großartigen Liebhaberin, die sie seiner Meinung nach war. Was er nicht wusste: Die Frau war eine großartige Schauspielerin. Ihre Orgasmen eine routinierte Show. Glücklich getäuscht verließ er deshalb Marie, die Frau, die ihn ohnehin nur blamierte und beim Sex mehr wollte, als seine Männlichkeit zu bestätigen. Heimlich nannte er sie schon lange „die Blamage.“ Deshalb stand die Blamage an einem Samstagabend vor Pfisters Haustür und bat ihn um drei Eier. Die Eier brauchte sie für Kaiserschmarrn und den Kaiserschmarrn brauchte sie für ihren Liebeskummer und ihre Selbstzweifel.

Der Journalist hatte ihr zum Abschied seinen Kosenamen für sie verraten: “Die Blamage.” Er fand ihn einfach zu originell, um ihn für sich zu behalten. Seine Gnadenlosigkeit verkleidete er als „letzten Vertrauensbeweis, wir haben uns schließlich immer alles gesagt.“ Unter dem Ausdruck würde sie noch lange leiden. Immer, wenn es besonders schlimm wurde, kredenzte sie sich Kaiserschmarrn. Sie war Österreicherin und in den weichen Teigkissen ihrer Lieblingsspeise suchte sie ein trostreiches Heimatgefühl, das es für sie weder in Österreich noch in Frankfurt gab. Für Pfister, der sich an diesem Abend nicht weniger allein fühlte - Nadja war mit Freunden verreist und er hätte dabei nur gestört - war diese Begegnung schicksalhaft. Er gab der Österreicherin die Eier, sie teilte ihren Kaiserschmarrn mit ihm und von da an sahen sie sich regelmäßig. Gleich am ersten Abend nannte er sie Marie und sie ihn Ludwig. Zum Abschied wollte er sie auf die Wange küssen, aber Marie zielte auf seine Lippen. Es fühlte sich gut an.

Marie fürchtete sich nicht vor Nähe. Ihre Augen glänzten, wenn sie ihn anschaute. Sie bestätigte ihn in seinem ganzen Sein. Sie blickte in seine Seele. Eine Seele, deren Existenz Pfister bezweifelte. Marie nicht. Er war ihr „Seelenverwandter“, da war sie sich sicher. Ihr Herz pochte schnell auf eine gemeinsame Zukunft. In seinen Armen vergaß sie den Mann, der sie „die Blamage“ genannt hatte. Den Schmerz vergaß sie nicht. Er blieb.

Pfister begann diese äußerlich unscheinbare Frau zu lieben. Sie beantwortete seine Sehnsüchte und gab seinen Gefühlen eine Sprache: Zärtlichkeit. Damit hatte er nicht gerechnet. Kaum erkannte er seinen Zustand, wollte er ihm entkommen. Es gelang ihm zeitweise, nämlich immer dann, wenn er sich in der Arbeit unter Druck setzte. Darin hatte er Übung. Doch das unerwünschte Gefühl gab nicht auf und zwang ihn, immer wieder Maries Nähe zu suchen. Kaum war seine Gattin außer Haus, besuchte er die Nachbarin, um, wie er es nannte, „banale Dinge zu tun.“ Sie kochten gemeinsam, lachten über Videofilme und begannen Reisen zu planen. Pfister fühlte sich wohl in ihrem bunten unordentlichen Heim, doch sobald er in sein eigenes aufgeräumtes Haus zurückkehrte, überfielen ihn Zweifel. Sie schienen hinter der Tür zu lauern, gleich neben Nadjas Designer-Schuhen. Die Nähe und Wärme, die er bei Marie empfand, machten ihm Angst. Das redete er sich ein, um sich weniger schlecht zu fühlen. Mit viel Mühe konnte er sich endlich davon überzeugen, dass Marie in seinem Leben störte. Diese Frau stellte einfach alles in Frage, weil sie ihn nahm, wie er war. Wo gibt es denn so was? Vielleicht in Österreich. Pfister bekam Angst vor der Frau mit dem Dialekt, der nach Bergen, Wald und Wiesen klang.

Angst ist eine gute Ausrede. Männer haben das erkannt und die meisten Frauen haben Verständnis dafür. Sie halten Verständnis für eine gute Strategie, konfliktscheu wie sie sind. Ich schließe mich ein. Marie hatte Verständnis, vielleicht, weil seine Ausrede eine Wahrheit verschleierte, die sie erahnte. Die Wahrheit war wenig schmeichelhaft: Pfister verglich Marie mit Nadja. Da sich Pfister dabei ausschließlich an Äußerlichkeiten orientierte, fiel das Urteil grausam aus. Nadja war die „Benchmark“. Im Vergleich zu ihr war Marie nur „suboptimal“, wie es Pfister ausdrückte. Ihr Hintern war dick und ihr Haar dünn. Obendrein hatte sie keine Karriere vorzuweisen, sondern arbeitete als unterbezahlte Kindergärtnerin.

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