Читать книгу Come back stronger - Sophia Thiel - Страница 5

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Nie hätte ich gedacht, dass mir der Fitnesssport einmal so wichtig werden würde, vor allem nicht bei meinem Hintergrund! Meinen Körper zu spüren, mit meiner Kraft zu arbeiten ist für mich heute persönlich sehr wichtig, lebenswichtig sogar! Dabei war es ursprünglich nie mein Plan, mich derartig auf Sport zu fokussieren – hatte ich doch früher eher die Haltung: Sport ist Mord. Dass ich diese neu gewonnene Leidenschaft irgendwann sogar zum Beruf machen konnte, ist echt ein Geschenk und kommt mir heute immer noch vor wie ein wahr gewordener Traum. Dafür bin ich wahnsinnig dankbar.

Wenn Leute früher gesagt haben, Sport sei ihre Leidenschaft, konnte ich das nie so richtig nachvollziehen. Für mich war sportliche Anstrengung eher frustrierend, weil ich meine Leistungen nur mit sehr viel Mühe steigern konnte. Vielleicht lag es an meiner Konstitution, jedenfalls konnte ich nie so richtig einen Ansporn dafür entwickeln. Was ich allerdings mochte, war das Gemeinschaftsding: sich gegenseitig anfeuern. Und ich habe gern mit Kraft gearbeitet, liebte die Herausforderung. Als Siebenjährige fing ich mit Tennis an und spielte dann sogar zehn Jahre im Verein. Ich war die mit dem härtesten Schlag, die mit ordentlich Kraft – aber leider auch mit wenig Kondition. Später war ich bei den Tennisturnieren zwar Mannschaftsführerin, doch irgendwann hat mich der Mut verlassen und ich habe für mich keinen Weg gesehen, um weiterzukommen. Für eine professionelle Tenniskarriere war ich für mein Alter nicht gut genug und hätte täglich auf dem Platz trainieren müssen. Nicht, dass das je mein großer Wunsch gewesen wäre, doch ich war schon immer irgendwie so ein Mensch, der bei allem das Maximum herausfordern wollte. Beim Tennis waren somit einfach keine großen Erfolge und Aufstiegschancen für mich, die mich hätten »triggern« können, um dabeizubleiben.

Aufgewachsen bin ich in der Natur, inmitten von Bergen, Wiesen und Seen, in einer kleinen Gemeinde im Landkreis Rosenheim, im Süden Bayerns. Ich fühlte mich auf dem Land einerseits frei und andererseits behütet: Mama, Papa, meine Schwester Isabella (genannt Bella) und ich waren so ein richtiges Vierergespann und hatten schon immer eine sehr starke Bindung zueinander. Bei mir kommt die Familie stets an erster Stelle. Mein Opa gründete in den Siebzigern ein Dentallabor in Rosenheim, und als er dann in den Ruhestand ging, übernahm es mein Vater. Auch meine Mama arbeitet in der Firma, erledigt die Buchhaltung und kümmert sich um die Logistik. Meine neun Jahre ältere Schwester Bella ist inzwischen Juniorchefin. Ihr könnt euch vielleicht denken, dass sich meine Eltern einen anderen Berufsweg für mich vorgestellt hatten als so etwas abgefahrenes wie »Fitness-Influencerin«: Sie hatten die Idee, dass ich nach dem Abitur direkt Zahnmedizin studiere und mit ihnen zusammenarbeiten könnte. Aber ich wusste schon früh, dass ich nicht für ein Medizinstudium gemacht wäre. Ich wollte auch nicht in Rosenheim bleiben, sondern später vielleicht sogar in eine Großstadt ziehen (was mir dann auch gelungen ist: Heute lebe ich in München und finde es super!).

Einen starken Willen hatte ich schon als Kind, man könnte sagen, ich bin als kleiner Sturkopf geboren. Und so war ich mir noch während der Abiturvorbereitung sicher, dass es für mich nicht infrage kommen würde, in den Familienbetrieb mit einzusteigen. Aber was stattdessen machen? Mir ging es so wie fast allen nach dem Abi: kollektive Planlosigkeit. Manche hatten die Idee, erst einmal ins Ausland zu gehen, um dort Erfahrungen zu sammeln, andere jobbten herum. Durch einen Zufall fing ich noch vor dem Abi mit dem Fitness an (wie das kam, erzähle ich gleich) und wider Erwarten fing ich Feuer. So viel wusste ich dann: Ich wollte etwas machen, bei dem ich den Sport nicht aufgeben musste. Womit ich irgendwann mal mein Geld verdienen würde, sollte etwas sein, für dessen Inhalt ich mit Leib und Seele brenne. Sportmanagement vielleicht?

WOMIT ICH IRGENDWANN MAL MEIN GELD VERDIENEN WÜRDE, SOLLTE ETWAS SEIN, FÜR DESSEN INHALT ICH MIT LEIB UND SEELE BRENNE.

Seit meiner Kindheit, hat Essen für mich eine besondere Bedeutung (welche genau und wie diese mir zum Verhängnis wurde, sollte ich später schmerzlich erfahren). Schon als Kind waren meine Portionen teilweise so groß wie die meiner Eltern, ich aß immer gern und viel. Meine Mam, meine Schwester und ich neigten zu einer ähnlichen Problematik, manchmal nannten wir uns gegenseitig liebevoll »die drei dicken Schnecken«. Essen, verbunden mit Abnehmen-Wollen und Verzicht, war bei uns zu Hause also schon immer irgendwo ein Thema. Meine Mutter hat sogar manchmal die Süßigkeiten vor mir und meiner Schwester versteckt, doch ich bin auf Schränke gestiegen und unter die Couch gekrochen und habe wirklich jedes Versteck gefunden. Jedes!

Hinzu kam, dass Essen für mich damals auch gleichzeitig eine beruhigende Wirkung hatte. Ich bin generell ein sehr harmoniebedürftiger Mensch und ging damals offen gestanden jeder Auseinandersetzung möglichst aus dem Weg. Ich flüchtete regelrecht davor. Auch Schulprüfungen wurden zu einem großen Spannungsfaktor für mich, woraufhin ich anfing, Stresssituationen und Frustration mit Essen zu kompensieren. Dies führte dazu, dass ich trotz Sport das »pummelige Schneckerl« blieb. Da fing diese erste Unzufriedenheit bei mir an, die sich durch mein ganzes Leben ziehen sollte: Mein quirliges und aufgedrehtes Inneres passte in meinen Augen einfach nicht zu meinem schweren und trägen Äußeren.


Nach der Grundschule besuchte ich die Mädchenrealschule in Rosenheim. Dort waren die Themen Aussehen und Diät, welche mich in Zukunft so sehr prägen sollten, bei mir noch nicht so präsent. Zwar habe ich mich schon irgendwie unwohl mit meinem Körper gefühlt, jedoch war es nicht so dramatisch für mich, ich war entspannt und dachte: Entweder jemand mag mich so, wie ich bin, oder er lässt es halt bleiben. Für die Jungs war ich das Mädel zum Pferdestehlen, der Kumpeltyp, mit dem man auch gern mal eine Runde armdrückt. Für die Mädels hingegen die Spaßige, mit der man eine gute Zeit haben kann, Unsinn veranstaltet und nachmittags für heiße Schoki und Kuchen ins Café geht. Wir waren eine Clique, in der ich mich sauwohl gefühlt habe, so, wie ich war: Caro, Marie* und ich. Als Dreiergespann haben wir alles zusammen unternommen: Neben unseren Cafébesuchen, bei denen wir stundenlang quatschen und miteinander lachen konnten, gingen wir auch gerne shoppen oder im Sommer zum Baden an den See. Letzteres aber nicht ganz ohne Einschränkungen. Alle drei wollten wir schon immer irgendwie gern abnehmen, da wir uns phasenweise »zu dick« fühlten. Zum Baden suchten wir uns daher extra versteckte, abgelegene Stellen an den Seen, um nicht von irgendwelchen – ich nenne sie mal »Mobbern« – gesehen oder gar angequatscht zu werden. Wir genossen die Zeit zusammen und hatten den größten Spaß, doch hier und da machte ich mir schon Gedanken wie: »So, wie du aussiehst, ist das nicht richtig, die Blicke und Kommentare der anderen sind zu verletzend, du musst etwas ändern!.«

Als die Mädchen aus meiner Klasse ihren ersten festen Freund hatten, habe ich überlegt, wie es wohl wäre, wenn ich auch einen hätte. Ich war immer mal wieder verknallt, hatte auch einen Schwarm, doch die Jungs sahen mich ja eher als gute Freundin. Eine, mit der man durch dick und dünn gehen kann. Dass das auch eigentlich ein Kompliment an meinen Charakter ist, wäre mir damals nie in den Sinn gekommen. Stattdessen fing ich an, mein Äußeres infrage zu stellen, und probierte die ersten Diäten aus, denn es waren die dünnen, zierlichen Mädchen, auf die die Jungs standen. Neben anderen Hänseleien riefen die Jungs mir manchmal zu, wenn sie mich beim Baden sahen: »Wenn die in den See springt, ist er danach leer!« Irgendwann trug ich aus lauter Unsicherheit nur noch T-Shirt und lange Shorts statt Bikini – das war schon echt ätzend beim Baden.

Als ich mit sechzehn auf die gemischte Fachoberschule wechselte und auch plötzlich wieder mit Jungs die Schulbank drückte, merkte ich, wie mein Äußeres eine immer größere Rolle für mich spielte. In der 11. Klasse hatte ich dann eine neue Clique und da habe ich bei einem Mädchen zum ersten Mal wahrgenommen, was es bedeutet, eine Essstörung zu haben: Ich kannte sie sogar noch von meiner Klasse aus der Mädchenrealschule und sah, wie schlank sie seitdem geworden war. Nun waren wir in einer gemeinsamen Freundinnengruppe und lernten uns so natürlich auch besser kennen. Ich fragte sie direkt, wie sie so schlank geworden sei, und meinte, dass ich auch so gern abnehmen würde. Sie erklärte, dass sie generell extrem wenig aß – manchmal lutschte sie nur ein paar Schokobons, die sie sich über den Tag einteilte. Wenn wir in der Pause unsere Pausenbrote dabeihatten, saß sie ohne Essen neben uns. Manchmal prahlte sie sogar etwas damit, dass sie so wenig zu sich nahm und dass sie deswegen angeblich sogar schon einmal in Ohnmacht gefallen war. Wir haben uns alle große Sorgen um sie gemacht und überlegt, wie wir ihr helfen könnten. Leider war das nicht so einfach.


Dr. Vergin

ÜBER ESSSTÖRUNGEN BEI JUNGEN FRAUEN

In der Psychologie unterscheiden wir drei Formen der Essstörung: die Magersucht (Anorexia nervosa), bei der Menschen bis hin zu einem lebensbedrohlichen Untergewicht hungern – getrieben von der Angst vor einem zu dicken Körper. Dann die Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa), bei der Betroffene einen starken Zwang verspüren, ihr Körpergewicht zu kontrollieren, und nach Essattacken erbrechen oder Abführmittel missbrauchen, um nicht zuzunehmen, und die Binge-Eating-Störung, die mit wiederkehrenden, unkontrollierbaren Essattacken einhergeht und zu starkem Übergewicht oder gar Adipositas führt.

Schauen wir dazu noch ein paar Zahlen an: Aktuelle Daten zeigen, dass ärztlich diagnostizierte Essstörungen wie Anorexie, Bulimie und Binge-Eating weiter zunehmen. Dabei sind vor allem junge Frauen betroffen. Bei den 18- bis 29-Jährigen liegt deren Anteil mit rund 88 Prozent am höchsten. Der Grund dafür ist, dass sich gerade junge Fragen in diesem Alter in einer Lebensphase befinden, in der die eigene Identität und das eigene Selbstbewusstsein nicht voll ausgeprägt sind beziehungsweise der Einfluss von außen immer noch einen zu großen Verhaltens- und Gedankenumschwung mit sich bringen kann. Diese Phase ist meist mit der Pubertät verbunden und ist daher sehr sensibel.

Dies zeigt sich gerade dadurch, dass sich junge Frauen in diesem Alter stark über Vergleiche mit anderen definieren. Das kann und wird häufig besonders durch Social Media und diverse Fitnessmagazine und Magazincover zusätzlich befeuert. Und dies unterstützt den Gedanken, gerade schon im jungen Alter »sich selbst nicht genug zu sein«, und bringt die »Optimierungs-Maschinerie« ins Laufen. Dadurch entsteht ein starker innerer Druck, dem propagierten Körperbild zu entsprechen. Das kann die Entwicklung eines gestörten Essverhaltens begünstigen.

Haben Betroffene erst einmal eine Essstörung entwickelt, ist es mit einfachen Ratschlägen nicht getan. Denn Bulimie und Magersucht sind psychische Erkrankungen, die häufig mit Angststörungen, Depressionen, selbstverletzendem Verhalten oder Suchterkrankungen einhergehen. Den Betroffenen fällt es oft schwer, sich einzugestehen, dass sie Hilfe benötigen. Dies ist aber ein ganz wichtiger Schritt für die Genesung.

Ich dachte: Muss man so schräge Sachen machen und derartig »leiden«, um abzunehmen? Das Ding war, dass die Jungs genau dieses Mädchen attraktiv fanden und sie auch einige Verehrer hatte, jedenfalls schien mir es zumindest so. In mir wuchs immer mehr der Wunsch, auch abzunehmen. Dünn zu sein. So oberflächlich das auch klingen mag, leider empfand ich während der Pubertät – wie viele andere Mädchen sicher auch – genau das als wichtig. Ich googelte also Diäten, was mich aber nur orientierungsloser machte: Es gibt keine Diät, die es nicht gibt. Hinzu kommt, dass man von anderen auch noch jede Menge Halbwissen gesagt bekommt: FDH (»Friss Die Hälfte«) soll super sein, Kohlehydrate sind schlecht, Fett macht Fett, Kalorienzählen ist wichtig … Ohne richtigen Plan probierte ich eine Mischung aus allem und wurde mit der Zeit auch immer selektiver, bis ich irgendwann schließlich nur noch bei Gemüse und Salat ohne Dressing hängen blieb. Der Gesundheitsaspekt stand dabei gar nicht im Vordergrund, sondern schlicht die Kalorien und das Ergebnis auf der Waage. Ich wurde zur Kalorienzählerin und je weniger ein Lebensmittel davon hatte, desto besser war es – so glaubte ich zumindest – für mich. Hätte ich damals so viel über Ernährung gewusst wie heute, hätte ich erkannt, dass eine solche Ernährungsweise, bei der es einfach nur ums schnelle Abnehmen geht, schädlich ist und alles andere als langfristig wirkt. Eine vernünftige »Diät«, besser Ernährungsumstellung, muss Nährstoffe und Energiebilanz berücksichtigen, um somit auch die Leistungsfähigkeit und die Gesundheit zu fördern (oder zumindest zu bewahren). Schlichtes Hungern mündet zwangsläufig irgendwann in einer bösen Sackgasse. Und so kam es dann auch.

Da ich mit meiner neuen Ernährungsweise nicht so schnell Gewicht verlor wie erhofft, begann ich dann doch mit Sport. Ich hatte erst versucht, nur über das Essen an Gewicht zu verlieren, doch an diesem Punkt wusste ich: An mehr Bewegung komme ich nicht mehr vorbei. Ich fuhr nun also statt mit dem Bus mit dem Fahrrad zur Schule. Ich begann joggen zu gehen und ergriff jede sich mir bietende Möglichkeit der Bewegung. Ich bin abends nach der Schule manchmal so lange gelaufen, bis ich mich übergeben musste, im Glauben: Nur, wenn es richtig wehtut, bekomme ich Resultate. Was ich aß – oder nicht aß –, wurde immer krasser: ein paar Salatblätter mit Tomate, Gurke (Hauptsache, es hatte ganz wenige Kalorien) und einem Hauch Essig. Das war mein Abendessen. Zur Schule nahm ich einen Sojajoghurt mit, streute ein bisschen Obst drauf und löffelte ihn über den Tag verteilt. Innerhalb von weniger als sechs Monaten hungerte ich mir so dreißig Kilo weg und wog bei meiner Größe von 1,72 Metern schließlich nur knapp 50 Kilo. Statt Größe 40/42 trug ich jetzt 34/36. Meine Erkenntnis: Je extremer und gewaltsamer ich mit mir selbst umging, desto wirksamer nahm ich ab.

Der Preis war logischerweise sehr hoch. Ich hing nur noch in den Seilen, war blass, den ganzen Tag müde und unfähig, mich lange zu konzentrieren. Meine Eltern machten sich selbstverständlich über meine Entwicklung große Sorgen und meinten, ich wirkte, als hätte ich jede Lebensfreude, meinen ganzen Sonnenschein verloren. Als Sturkopf wollte ich mir von meinen Eltern natürlich nichts sagen lassen. Ich dachte schließlich, dass meine Vorgehensweise richtig war, denn ich sah Erfolge. Auch dann nicht, als ich in der Schule sogar nicht mehr richtig folgen konnte und meine Noten immer schlechter wurden. Ich wurde immer in mich gekehrter und wollte meine neu gewonnene Kontrolle über mich und meinen Körper gewissermaßen »beschützen«. Inzwischen kam mein krasses Essverhalten auch bei meinen Freundinnen nicht mehr gut an. Auch sie sorgten sich jetzt um mich, schickten mich sogar zum Schulpsychologen und versuchten, mir klarzumachen, dass diese Fixierung auf mein Äußeres oberflächlich sei und ich mich total verändert hätte. Rückblickend kann ich das verstehen. Ich sehe zu dieser Zeit auch eine andere Sophia als die, die ich heute bin. Doch damals war ich nur noch in meiner eigenen Welt und alles von außen prallte einfach an mir ab. Der Witz war, dass mir mein Körper mit 50 Kilo nicht einmal besser gefallen hat! Zumindest nackt. Alles war so schlaff, mein Po hing, und wenn ich saß, spürte ich sogar manchmal meine Sitzknochen. Aber ich musste mir erst buchstäblich die Finger verbrennen, um zu kapieren, dass es so nicht mehr weiterging.

Da mir auch ständig kalt war, saß ich an einem besonders kalten Wintertag ganz dicht an der Scheibe des Kaminofens meiner Eltern. Jeder andere hätte womöglich geschrien vor Hitze. Als mein Vater ins Wohnzimmer kam, um mich etwas zu fragen, wollte ich vom Boden aufstehen und zu ihm gehen. Ich stand auf – und fiel in Ohnmacht, zum allerersten Mal in meinem Leben. Ich war noch nie in Ohnmacht gefallen! Das geschockte Gesicht meines Papas, als ich wieder zu mir kam, habe ich bis heute noch vor Augen. Er meinte, ich hätte mir um ein Haar den Kopf am Ofen angeschlagen, als ich fiel. Das war der Wendepunkt, an dem ich zu mir selbst sagte: So kann es nicht weitergehen. Aber wie dann? Ich wusste: Ich will jemand sein, die fit, stark und voller Energie im Leben steht. Offenbar hatte ich die falsche Richtung eingeschlagen. Nur: Welche war die richtige? Ich sollte schon bald einen Hinweis bekommen.

Es war ein Tag wie jeder andere, ich saß in der Schule und erzählte dem Mädchen, das neben mir saß, in der Pause von meinen Versuchen, einen Sport und eine Ernährung zu finden, die mich nicht so ruinieren und mir richtig Spaß machen. Plötzlich drehte sich der Junge auf dem Platz vor mir um und sagte: »Warum kommst du nicht einfach mal mit ins Fitnessstudio?« Einfach so. Aus heiterem Himmel.


Dr. König

ÜBER DEN SCHLÜSSEL ZU EINER GESUNDEN DIÄT

Der Begriff »Diät« meint erst mal etwas Positives, er ist abgeleitet von »der Diätik«, einem Sammelbegriff für eine geregelte Lebensweise, die zu einer körperlichen und seelischen Gesunderhaltung des Menschen gehört. Die »Diäten« sind dann Modifikationen der Ernährung. Heute weiß man: Wer sich ein bisschen restriktiv ernährt, lebt länger und gesünder. Eine gesunde, ausgewogene, regionale und saisonale Ernährung ist einfach der Schlüssel zu einer besseren Lebens- und Gesundheitsführung. Und wir wissen, dass die »Diäten«, so wie wir den Begriff heute verwenden, nur Maßnahmen sind, um mal was anzuschieben, aber kein Dauerzustand sein können. Eine gesunde Diätform im klassischen Sinne bedeutet also eine ausgewogene Ernährung.

Wobei »ausgewogen« sehr individuell ist, das wird oft vergessen: Was ich vertrage oder nicht ist nämlich bei jedem unterschiedlich. Man sollte darauf achten, dass es selbst zubereitet ist, also so unverändert wie möglich oder organic/bio, weil das wirklich das bessere, gesündere Essen ist. Es ist weniger mit Umweltgiften belastet. Und dann Low Carb, und wenn Carb, also Kohlehydrate, dann auf gute, langkettige Kohlehydrate achten. Diese sind Energieträger mit Vitaminen sowie Ballast- und Mineralstoffen, wie zum Beispiel Hülsenfrüchte, Süßkartoffel, Hirse. Kein raffinierter Zucker, kein raffiniertes Mehl. Im Prinzip gilt der Satz: Das, was die Industrie in der Hand gehabt hat, ist nicht mehr so gut und auch nicht mehr so gesund. Positiv ausgedrückt: Wenn ihr auf eurem Teller noch erkennt, was ihr esst, ist das schon mal gut. Und je frischer ihr es herstellt, desto besser ist es für euch.

Wichtig ist auch eine gute Versorgung mit den notwendigen Vitalstoffen. Vitalstoff ist der Oberbegriff für die Mineralien und Vitamine, die man braucht, um die Vitalität, die Lebensgesundheit zu halten. Vitalstoffe sind auch die Aminosäuren, die wir nicht selbst produzieren können, die man zum Überleben braucht (essenzielle Aminosäuren).

Wenn ihr einen Mangel habt, muss dieser auf jeden Fall supplementiert werden. Es wäre sonst wie bei einem Auto, dessen Öltank leer ist, und man sagt, es soll ohne auskommen.

Die häufigsten Mängel finden wir für Eisen – bei Frauen mehr als bei Männern – und Vi-

tamin D – für beide Geschlechter gleich. Diese Werte sollte man regelmäßig kontrollieren lassen. Wenn Blutbildveränderungen bemerkt werden, oder irgendwelche körperlichen Symptome wie Müdigkeit und Infektanfälligkeit auftreten, würde ich immer auch die Vitalstoffe kontrollieren lassen.

Mein erster Gedanke war: Der will mich bestimmt verarschen und sich im Gym über mich lustig machen. Denn ich kannte diesen Jungen sehr gut. Eigentlich schon seit Sandkastenzeiten. Ich bin quasi mit ihm aufgewachsen, da seine Eltern gut mit meinen befreundet waren. Dennoch konnte ich ihn nicht leiden – ich erinnere mich, dass er auch zu den Jungs gehörte, die mich immer wegen meiner Figur gemobbt haben. Dass er in der 12. Klasse dann in der Bank vor mir saß, fand ich, ehrlich gesagt, sogar ziemlich ätzend. Allerdings war mir nicht entgangen, dass er sich inzwischen körperlich stark verändert hatte. Mir war er aus der Vergangenheit noch extrem schlank in Erinnerung, jetzt war er richtig muskulös geworden. Dieser Junge war Charly.

Ich dachte zuerst, es sei vielleicht nur ein Scherz von ihm. Wie sich aber herausstellte, hatte Charly sein Angebot tatsächlich ernst gemeint. Er nahm mich mit ins Fitnessstudio in Rosenheim und zeigte mir, wie man Muskeln aufbauen kann (damals habe, ich ehrlich gesagt, den ganzen Hintergrund eines sinnvollen Muskelaufbaus gar nicht richtig verstanden. Ich sah an mir herunter und dachte: Das Schlaffe da an mir ist vielleicht Fett und das soll einfach weg).

Da ich zuvor noch nie richtig im Fitnessstudio war, hatte ich zu Beginn auch irgendwie Angst, dass man mich dort auslachen würde. Vielleicht käme ich mit diesen ganzen martialisch aussehenden Ketten, Gewichten und Stangen gar nicht zurecht? Vielleicht würde ich mich blöd anstellen und es wäre peinlich für mich. Das Gym in Rosenheim ist bis heute ein richtiges 80er-Jahre-Bodybuilding-Studio, mit Arnold Schwarzenegger und anderen Kraftsportgrößen an den Wänden. Ich merkte schnell: Ich liebe es! Gleich nach meinem ersten Training dort nahm ich all meinen Mut zusammen und besiegelte meine Mitgliedschaft. Das war 2013 und ich besitze diese bis heute. Ich erinnere mich noch ganz genau an meine allererste Übung: Flachbankdrücken mit der Langhantel, wohlgemerkt nur mit der Stange (20 Kilo). Was dazu führte, dass ich am nächsten Tag in den Armen einen derartigen Megamuskelkater hatte, dass ich sie kaum noch ausstrecken konnte. Ich liebte das Gefühl, meinen Körper so zu spüren! Denn der Muskelkater war für mich so was wie eine Belohnung nach dem Sport. Ich dachte: Je mehr Muskelkater ich habe, desto besser habe ich trainiert. Je mehr es wehtut, desto mehr Erfolge werde ich bestimmt sehen. Ich trainierte also hauptsächlich, um einen Muskelkater zu bekommen. Doch das Beste am Bodybuilding war für mich damals, dass es auf einem genauen Plan basierte, und genau das hatte ich die ganze Zeit gesucht. Ein Sport, der so zielgerichtet ist, dass ich nichts mehr dem Zufall überlassen müsste, einen richtigen Plan hatte und endlich rauskam aus dem ganzen Diät-Infodschungel – das war in meinen Augen die Lösung. Vorgegebene Pläne und Regeln befolgen, das wollte ich machen. So könnte ich selbst über meinen Körper und mein Aussehen bestimmen.

Meine Eltern hat natürlich der Schlag getroffen, als ich ihnen von meinem Vorhaben erzählte. Ich erinnere mich, als ob es gestern gewesen wäre: Ich kam gerade vom Fitnessstudio nach Hause und stand im Türrahmen vom Wohnzimmer, wo meine Eltern gerade fernsahen. Voller Stolz prustete ich heraus: »Ich mache jetzt Bodybuilding!« und zog mich mit beiden Armen am Türrahmen mit einem Klimmzug hinauf (das fiel mir damals sogar recht leicht, da ich noch sehr dünn war). Total perplex sahen mich meine Eltern an. Bodybuilding – wie bitte? Bodybuilding war (und ist es leider immer noch teilweise) sehr klischeebehaftet: Die Männer sind voller Steroide und Frauen werden optisch zu Männern voller Muskeln. Bevor ich mit dem Sport angefangen habe, hätte ich wahrscheinlich genauso reagiert. Das ändert sich aber, wenn man sich mit der Materie genauer auseinandersetzt. Mir war es wieder einmal egal, was mein Umfeld von meinem neuen Hobby dachte, obwohl ich hier auch außerhalb meiner Familie schnell auf Widerstand stieß. Immer wenn ich nun meine vorgekochten Mahlzeiten mit dabeihatte (vor allem in Gaststätten und Restaurants), wurde ich ziemlich schräg angeschaut und bekam Kommentare wie: »Das kann doch nicht gesund sein! Du siehst immer mehr aus wie ein Typ! Mit deiner Tupperdose kommst du nicht mit ins Restaurant!« Mit meiner neuen, speziellen »Bodybuilding-Ernährung« hatte ich mich selbst ins soziale Aus geschossen. Ich persönlich sah es jedoch als Fortschritt für mich und meine Gesundheit. Ich aß nun wesentlich mehr als zu meinen Mager-Salat-Zeiten und hatte wieder an Gewicht zugelegt und auch Spaß an diesem Lifestyle. Ich konnte endlich mehr essen und gleichzeitig besser aussehen. Was wollte ich mehr?

DAS BODYBUILDING

Hier möchte ich euch kurz genauer erklären, in welchen Sport ich mich da so Hals über Kopf verliebt habe. Die Übersetzung aus dem Englischen signalisiert es schon: Im Kern geht es darum, den Körper zu formen. Verglichen mit anderen Kraftsportarten steht beim Bodybuilding das ästhetische Aussehen des Körpers an erster Stelle, wobei der Kraftaspekt eher sekundär ist.

DAS TRAINING

Mit intensivem und regelmäßigem Krafttraining werden Muskelreize gesetzt. Der Muskel wird im Training gezielt überlastet, wodurch winzige »Verletzungen« (Mikrotraumata) im Muskel entstehen. Um sich vor weiteren derartigen »Stresssituationen« zu schützen, heilt und verdickt sich der Muskel mithilfe der richtigen Ernährung und Pausen, um für die nächste Belastung stärker zu sein. Das Muskelwachstum selbst findet also nicht während des Trainings, sondern in der Regeneration statt. Aus diesem Grund trainieren Bodybuilder häufig nach einem festen »Split«, d. h., die verschiedenen Muskelpartien des Körpers werden in Gruppen aufgeteilt und jeweils separat an einem Trainingstag beansprucht, während die anderen Muskelgruppen »Pause« haben. Es gibt viele Möglichkeiten, diese Aufteilung vorzunehmen, z. B. kann man den Ober- und Unterkörper getrennt trainieren oder die Körpervorder- und -rückseite oder jede Muskelgruppe einzeln. Da hat jeder Athlet seine eigenen Methoden und Vorlieben.

DIE ERNÄHRUNG

Ohne die richtige Ernährung hilft das härteste Training nichts bzw. wird man nur schwer seine Figurziele im Bodybuilding erreichen. Für die optimale Nährstoffversorgung der Muskeln werden Eiweiß, Kohlehydrate und Fett genauestens aufeinander abgestimmt und an den individuellen Körpertyp angepasst. Auf Industriezucker, gesättigte Fette und generell stark verarbeitete Lebensmittel wird weitestgehend verzichtet, da überschüssiges Körperfett die mühsam antrainierten Muskeln »versteckt« und den gesamten Trainingserfolg mindern kann.

Alle Mahlzeiten werden aufs Gramm genau abgewogen, jeweils nach Makronährstoffen und Kalorienbilanz getrackt und für unterwegs vorgekocht. Alles muss vorher geplant und vorbereitet werden, genauso wie das Training. Jeder Tag wird genauestens geplant und strukturiert. Bei Wettkampfathleten, aber auch einigen Hobbysportlern gibt es zudem bestimmte Phasen: die Massephase und die Definitionsphase. Wobei man in der Massephase mit einem Kalorienüberschuss versucht, maximalen Muskelaufbau zu erzielen, versucht man wiederum in der Definitionsphase, mit einem kontrollierten Kaloriendefizit effektiv Körperfett abzubauen und dabei die in der Massephase aufgebaute Muskulatur weitestgehend zu erhalten.

DIE WETTKÄMPFE

Richtige Bodybuilding-Wettkämpfe hingegen sind dann noch einmal eine ganz andere Nummer und haben nur noch wenig mit Freizeit-Fitnessstudiotraining zu tun. Mit der einhergehenden Ernährung wird Bodybuilding dann zu einem 24/7-Job und ist in meinen Augen eine der härtesten, aber auch bewundernswertesten Sportarten, die es gibt, da das Maximum an Disziplin abverlangt wird.

Für einen Bodybuilding-Wettkampf bereitet sich der Athlet mehrere Monate zuvor mit einem genauen Trainings- und Ernährungsplan vor. Diese werden meist zusammen mit einem Coach festgelegt und hängen vom Ausgangszustand des Athleten ab, der schon eine Zeit lang zuvor trainiert und eine gewisse Muskelmasse aufgebaut haben sollte, bevor er den Entschluss fasst, auf die Bühne zu gehen. Ziel ist es, bis zum Wettkampf Topform zu erreichen – das bedeutet: hoher Muskelanteil bei niedrigem Körperfettanteil (bei Männern kann es sogar bis auf 3–4 Prozent runtergehen, bei Frauen bis zu 10 Prozent). Daneben werden auf der Bühne weitere Kriterien wie Symmetrie, Proportionen und Präsentation von der Jury bewertet. Bei der Präsentation werden vorgeschriebene Posen (festgelegt je nach Klasseneinteilung und Geschlecht) und eine Kür, um sich, seinen Körper und seine Leistung optimal zu präsentieren, verlangt. Auch die braune Farbe, die man kurz vor dem Wettkampf aufgesprüht oder aufgemalt bekommt, dient mit einem Öl-Finish ebenfalls der Hervorhebung der einzelnen Muskelpartien und Definition. So im Glitzerbikini bzw. Slip für die Herren mag das auf der Bühne vielleicht ganz easy wirken, doch eine Wettkampfvorbereitung ist wie beschrieben richtig harte Arbeit.

Je näher der Wettkampf in der Vorbereitung rückt, desto mehr geht es einem körperlich und mental an die Substanz. Faule oder demotivierte Tage, an denen man vielleicht lieber auf der bequemen Couch liegen möchte, gibt es nicht. Irgendwann dreht sich der gesamte Alltag nur noch um Trainieren, Essen und Schlafen. Mit der Diät kommt natürlich auch irgendwann dieser enorme Hunger, mit dem man lernen muss umzugehen, um trotzdem im Gym Vollgas zu geben. Jede noch so kleine Kleinigkeit wird gefühlt zur Herkulesaufgabe, da die Nerven irgendwann mit der strikten Ernährung, dem sinkenden Körperfettanteil und dem fast täglichen Training blank liegen.

Nach meinen persönlichen Erfahrungen würde ich jedem, der vielleicht eine Problematik mit seinem Essverhalten und seinem Selbstbild hat oder psychisch nicht stabil ist, von der Teilnahme an professionellen Bodybuilding-Wettkämpfen abraten. Es gibt Menschen, die sagen, dass Bodybuilding der Weg aus einer Essstörung sein kann, doch für manche kann es leider ein Verstärker bereits bestehender negativer Faktoren werden. Vor allem da es bei einem Wettkampf fast hauptsächlich um extreme Kontrolle, Routinen und Disziplin geht. Um eine derartig extreme Körperverfassung zu erreichen (welche auch nur temporär ist und nicht langfristig beibehalten werden kann), muss man in einer Wettkampfvorbereitung auf viele Dinge, wie beispielsweise im Restaurant essen gehen, verzichten.

An dieser Stelle möchte ich betonen, dass ich hier auf gar keinen Fall verallgemeinern möchte! Natürlich verhält sich das bei jedem Athleten etwas anders und es gibt hierzu die verschiedensten Vorgehensweisen. Ich persönlich liebe diesen Sport, der mich so vieles gelehrt hat, und zwar: Mit Willensstärke und Fleiß wirst du für deine harte Arbeit belohnt. Egal, in welchem Bereich des Lebens! Wenn ich es in einem Satz beschreiben würde, und da spreche ich bestimmt vielen Wettkampfathleten und Kraftsportbegeisterten aus der Seele: Es ist hart, aber cool!

Mit dem regelmäßigen Training kehrten auch meine Energie und Fröhlichkeit langsam zurück. Bodybuilding war jetzt in meinem Fokus. Meinen vorherigen Diätblödsinn hatte ich Gott sei Dank über Bord geworfen, obwohl dies natürlich auch ein schwieriger Prozess für mich war. Mein neues Ziel war jetzt: Muskeln aufbauen, so viele Muskeln wie nur möglich. Dabei machte ich mich im Internet schlau über Bodybuilding-Themen und auch über Wettkämpfe für Frauen und war von Anfang an begeistert. Ich bewunderte die sogenannten Bikini-Athletinnen, da ich die ganze Disziplin und Arbeit dahinter sah und deren Körper Kraft und etwas Amazonenhaftes ausstrahlten. Ich konnte mich noch nie mit Models identifizieren, eher mit Frauen wie Lara Croft oder She-Hulk. Ich wollte auch unbedingt so einen starken Körper, erschaffen durch meine eigene Arbeit, jedoch ohne chemische Hilfsmittel. Es ist so motivierend zu beobachten, wie man seinen eigenen Körper verändern kann, an Stellen, die man selbst bestimmt. Als wäre man sein eigener Bildhauer. Schon nach wenigen Monaten Krafttraining betrachtete ich mich im Spiegel und dachte: Hey, du bekommst ja langsam eine Schulter! Hey, und Oberarme! Cool, der Po hängt nicht mehr! Das war der Motor für mich, immer weiterzumachen. Ich konnte meinen Körper formen nach meinen Wünschen. Charly teilte mit mir all seine Erfahrungen und sein Wissen. Ich ersetzte nun also mein unsystematisches »Herumjoggen« durch gezieltes Krafttraining und begann gleichzeitig mich dafür zu interessieren, wie Nahrungsmittel im Körper verwertet werden und funktionieren und wie man Eiweiß, Fett und Kohlehydrate gezielt einsetzt. Charly hatte es mit meinem Dickschädel nicht einfach und musste mir ziemlich viele Irrtümer aus dem Kopf tilgen, zum Beispiel, dass ich mit Essen abnehmen kann und nicht nur ohne. Dass Kohlehydrate auch gut sein können für den Körper. Und dass man in der Regeneration Muskeln aufbaut, nicht während des Trainings ... Es hat eine Weile gebraucht, bis ich meine Irrtümer loslassen konnte.

Wie sich herausstellte, ergänzten wir uns super. Vorher hatte Charly mit seinem Cousin zusammen trainiert, nun war ich sein neuer Trainingspartner. Ich war froh, dass ich mich unter Männern und Jungs beweisen konnte! Wir spornten uns gegenseitig an, feierten unsere noch so kleinen Erfolge, und da wir immer mehr Zeit miteinander verbrachten, wurden wir richtige Trainings-Bro’s. Wir begannen uns zu erzählen, was uns so beschäftigt, auch übers Training hinaus. Einer war für den anderen sozusagen der Kummerkasten. Lief es bei uns in Liebesdingen nicht so, haben wir uns jeweils beim anderen ausgeweint. Charly kam mit einem Mädchen zusammen, mit dem es nicht so super lief, und hat sich bei mir ausgelassen und fragte mich um Rat. Ich war eben der perfekte Kumpeltyp! Nie wäre ich auf die Idee gekommen, dass er je ein anderes Interesse an mir zeigen würde! (Obwohl: Etwas gewundert habe ich mich irgendwie schon, dass der Junge, der mich doch früher gemobbt hat, plötzlich so nett zu mir war …)

Eines Tages – da hatten wir schon fast ein Jahr zusammen trainiert – hat Charly mich gefragt, ob wir auch außerhalb des Fitnessstudios etwas unternehmen wollen. Etwas später wurden wir ein Paar. Das klingt jetzt vielleicht etwas unromantisch, gar nicht nach Schmetterlingen im Bauch. Ich war ja auch selbst total überrascht. Aber wir hatten mehr als das: Uns verbanden Fleiß, Schweiß und Tränen. Fünf Jahre sollten wir gemeinsam durch dick und dünn gehen und so viele Hindernisse bewältigen müssen wie andere Paare in zehn. Von nun an waren wir 24 Stunden/7 Tage zusammen, haben jede Minute miteinander geteilt. Aus der Trainings-Bro-Beziehung wurde schließlich eine Liebesbeziehung, da wir beide nun ein Ziel und eine Vision hatten. Nach etwa einem Jahr zogen wir zusammen. Ercan, mein späterer Trainer und bester Freund, hat uns mal so beschrieben: »Sophia ist die Mutige, Risikofreudige. Charly der Denkende, Planende. In ihren Gegensätzen harmonieren die beiden total.« Und so war es auch. Fitness war jetzt unser gemeinsames Leben.

Unsere Fitnessbegeisterung stellte alles andere, vor allem die Schule, in den Schatten. Aus ein, zwei Fehltagen in der Schule wurden immer mehr, da wir nur noch an das Training dachten. Wenn uns unsere Eltern fragten, wie es denn in der Schule heute gewesen ist, beantworteten wir das nur mit einem trockenen »Schön«. Wir verließen das Haus gegen 7:30 Uhr morgens und kamen pünktlich gegen 13:30 Uhr wieder zurück. Im Unterricht waren wir jedoch nicht – sondern im Fitnessstudio. Das Resultat: Wir erzielten zwar tolle körperliche Fortschritte, mussten allerdings in der Zwölften direkt eine Ehrenrunde drehen, da sich zu viele Fehltage für die Abiturprüfung angehäuft hatten …

Aber deswegen gar nicht mehr zu trainieren und nur zu lernen war keine Option für uns. Bei der Wiederholung der 12. Klasse rissen wir uns richtig zusammen, um uns unseren Abschluss zu sichern, und strukturierten uns um. Wir standen also morgens um fünf Uhr auf, fuhren auch bei Schnee oder Regen mit Charlys Roller ins Gym, trainierten bis halb acht und gingen danach verschwitzt zum Unterricht. Den restlichen Tag nach der Schule wurde gelernt. Das Abi haben wir dann geschafft – schließlich hat uns der Sport ja beigebracht, wie man durch strenge Disziplin gute Ergebnisse erzielt ;-)

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