Читать книгу Vom Internet ins Ehebett - Sophie Berg - Страница 11
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Mir verschlug es vor Schreck den Atem. Hilfe suchend blickte ich zu Bea hinüber. Sie hatte eben begonnen, den Tisch zu decken. »Grace und Power« verabschiedeten sich rasend schnell. »Oh, guten Abend. Wie nett …«, war das Erste, das ich hervorbrachte.
»Ich habe nächste Woche Zeit, und da dachte ich, wir zwei Hübschen könnten miteinander essen gehen. Na, was halten Sie davon?« Herr Steuerthal war offensichtlich kein Freund langer Vorreden.
»Ja, ich finde, das ist eine gute Idee.«
»Na prima, dann abgemacht.« Herr Steuerthal ließ ein erfreutes, glucksendes Lachen hören. »Wohin gehen wir?«
Wohin wir gehen? Keine Ahnung …
»Zu ›Roberto‹?« Das war das erste Lokal, das mir einfiel. Ob das eine gute Idee war? Wahrscheinlich war es ihm zu teuer.
»Na prima.« Herr Steuerthal war einverstanden. »Wenn Sie mir jetzt auch noch sagen, wo das ist.«
Ich nannte ihm die Adresse.
»Na prima.« Herr Steuerthal war wieder einverstanden. »Und wann?«
»Wie wärs am Mittwoch um zwanzig Uhr?«
»Na prima, dann abgemacht«, sagte Herr Steuerthal, nicht eben rasend originell. »Sie reservieren doch einen Tisch für uns? Oder macht Ihnen das was aus?«
»Nein, nein – ich meine, es macht mir nichts aus. Das geht schon klar«, beeilte ich mich zu versichern. Schließlich war ich doch emanzipiert, oder nicht? Peter wäre nie auf die Idee gekommen, mich einen Tisch in einem Restaurant bestellen zu lassen. Das war die Pflicht eines Kavaliers.
»Na prima«, meldete sich Herr Steuerthal wieder. »Dann also bis Mittwoch. Ach ja, noch etwas: Auf welchen Namen werden Sie den Tisch reservieren? Damit ich Sie sicher finde.«
»Auf Steuerthal«, sagte ich, wie aus einem Reflex heraus.
»Na, prima«, sagte Herr Steuerthal und lachte wieder. Diesmal vergaß er, »Dann abgemacht« hinzuzufügen. »Dann tschüss also, bis Mittwoch.«
»Tschüss«, ich legte den Hörer auf. Ich fühlte mich leicht benommen. Und doch, es war gar nicht so schwer gewesen, wie ich befürchtet hatte.
»Was ist Steuerthal?«, fragte Bea.
»Guten Abend, ihr zwei«, sagte Carla von der Tür her. Ich hatte sie gar nicht klopfen hören.
»Ich spiele euch etwas vor!«, rief Marie und stürmte ins Zimmer herein. Sie hatte die Tatwaffe, ich meine die Querflöte, schon in der Hand. Nein bitte, das nicht auch noch.
»Marie, Tony hat angerufen«, kam mir der rettende Gedanke, »er möchte, dass du ihn zurückrufst. Gleich.«
»Roli, was ist Steuerthal?«, Bea ließ nicht locker.
Ich hatte keine Lust, mir jetzt die spöttischen Kommentare meiner lieben Freundinnen anzuhören. Marie war im Zimmer. Eben bogen die Jungs um die Ecke. Und der korrekte Konrad und der schöne Richie konnten jeden Augenblick erscheinen.
»Mein Steuerberater«, sagte ich gewollt beiläufig und kramte in der Schublade, so als könnte ich den Korkenzieher nicht finden. Ich war eine Meisterin im Lügen.
»Dein Steuerberater heißt Steuerthal? Das ist ja irre.« Bea lachte schallend.
»Was erzählst du Bea da für ein Märchen? Dein Steuerberater heißt Wittmann«, sagte Carla.
»Vielleicht hat er geheiratet?«, schlug Bea vor.
»Genau«, sagte ich. Was waren die beiden doch neugierig! Sie würden ohnehin alles früh genug haargenau erfahren.
»Guten Abend«, ertönte Konrads Stimme aus dem Vorzimmer. Noch nie war ich glücklicher gewesen, ihn zu sehen.
Am Abend, vor dem Einschlafen, fiel mir meine alte Lehrerin Frau Studiendirektorin Felsbrat wieder ein. Sie hatte damals dieselbe Frisur, wie ich sie jetzt trug. Das war mir bisher noch gar nicht aufgefallen.
Es war am Abend, zwei Tage später. Ich saß an meinem Laptop und bestellte einige Fachbücher bei amazon. Das sparte mir einen mühsamen Weg in die Innenstadt, und ich konnte mich gleich auf das Grundgerüst des Vortrags stürzen, den ich in Wien halten wollte. Die Jungen waren im Kino. Alles war friedlich und still, bis ich das Läuten an meiner Wohnungstür vernahm. Ich schob die Bücher beiseite und erhob mich unwillig. Wer immer es war, er kam zur falschen Zeit.
Es war Carla. Wutentbrannt stürzte sie herein. »Störe ich?«
»Willst du eine Tasse Tee?«
Ade, Vortrag. Carla sah aus, als würde sie eine mitfühlende Seele benötigen. Sie trug noch ihr enges Businesskostüm. Die Aktentasche, die sie auf Huberts Lehnstuhl pfefferte, zeugte davon, dass sie direkt aus dem Büro kam.
»Nein danke, ich bleibe nicht lange. Ich muss Marie von Tony abholen. Roli, kann ich kurz mit dir reden?«
Wir setzten uns auf die Couch. »Ja sicher, worum geht’s denn?«
»Es geht um Rotter! Und wieder einmal um die Leitung des Exports in unserer Firma. Ich bin so wütend. Wenn ich nicht mit jemandem reden kann, dann platze ich.«
Ich stand auf und holte einen Aschenbecher. Ich mochte es nicht besonders, wenn man in meinem Wohnzimmer rauchte. Doch Carla sah aus, als würde sie dringend einen Halt brauchen. Und vielleicht verschaffte ihr ja ein Glimmstängel diesen Halt. Zumindest vorübergehend.
Sie schenkte mir ein dankbares Lächeln und entzündete mit einer fahrigen Geste eine Zigarette. »Du weißt ja, bis jetzt gibt es einen Bereich ›Verkauf nach Europa‹, den leite ich. Und den Bereich ›Verkauf nach Übersee‹, den leitet Rotter. Beide Bereiche laufen gut. Ich bin froh, dass ich nicht allzu viel mit Rotter zu tun habe. Denn er ist nicht nur ein eingebildeter und dünkelhafter, sondern auch ein hinterhältiger Mensch. Und er hasst erfolgreiche Frauen.«
Die Tatsache, dass Carla ihren Kollegen nicht ausstehen konnte, war für mich nichts Neues.
»Im letzten Jahr hatten wir externe Berater im Haus. Die haben das Unterste zuoberst gekehrt …«
Ich nickte. Zu gut konnte ich mich daran erinnern, wie genervt Carla an den Abenden nach Hause gekommen war.
»Und die haben festgestellt, dass man den Export in eine Hand zusammenlegen sollte. Angeblich um die Effizienz zu steigern.«
Auch das wusste ich bereits.
»Ich habe dir doch vom Gespräch mit dem Senior – also dem alten Herrn Moosburger – erzählt. Er hat angedeutet, dass ich die Leitung des gesamten Bereichs übertragen bekomme, sobald wir eine einheitliche Abteilung geschaffen haben. Ein anderer Kollege würde den ›Verkauf Europa‹ übernehmen und ich hätte vor allem Koordinationsaufgaben. Und müsste nicht mehr so oft verreisen und Marie allein lassen. Und mehr Geld brächte diese Stelle auch. Klar, dass F. J. da nicht tatenlos zusehen konnte.«
F. J. war Rotter. F. J. statt Ferdinand Jakob. Das klang wie »Efdschäi«, amerikanisch, dynamisch.
»Was soll denn der Rotter noch machen, wenn dir dein Boss den Job bereits zugesagt hat?«, wollte ich wissen.
»Na ja, zugesagt …«, murmelte Carla, »zugesagt ist zu viel gesagt. Er hat ihn mir in Aussicht gestellt. Doch das war, bevor Bubi in die Firma eintrat.«
Bubi war der Juniorchef. Franz Moosburger IV. lautete sein voller Name und »Bubi« die Bezeichnung, wie ihn Carla im Geheimen nannte. Moosburger Junior war Ende zwanzig und nach seinem Studium und einem Praktikum kürzlich in das Unternehmen seines Vaters eingetreten.
»Alles ist anders geworden, seit der Sohn vom Chef in die Firmenleitung eingestiegen ist. Er fühlt sich als der große Macher und versucht, die Firma in den Griff zu bekommen, solange sein Vater im Krankenhaus liegt.« Sie nahm einen tiefen Zug aus ihrer Zigarette: »Rotter, das Aas, hatte natürlich nichts Besseres zu tun, als sich umgehend mit Bubi zu verbünden.«
»Rotter nennt ihn auch sicher nicht ›Bubi‹«, dachte ich. Und ließ ihn nicht spüren, dass er ihn offensichtlich für zu jung, zu unerfahren und fachlich wenig kompetent hielt – wie Carla das sicher getan hatte. Ich kannte sie zu gut. Sie konnte mit ihrer Abneigung noch nie gut hinter dem Berg halten.
»Dem jungen Spund imponiert das, wenn sich der ach so weltgewandte Herr Rotter um ihn kümmert. Ihn um Rat fragt …«
»Und die weltgewandte Frau Martens will sich nicht auch verbünden und ihn um Rat fragen?«, erkundigte ich mich zur Sicherheit.
»Mach dich nicht lächerlich«, schnaubte Carla auch schon.
»Und du meinst, Rotter in Verbindung mit Bubi könnte dir den Job noch streitig machen?«
Carla nickte: »Es sieht so aus. Dabei bin ich fast ebenso lange im Unternehmen, verfüge über mindestens ebenso viel Erfahrung und hab die bessere Qualifikation.«
Was sollte ich dem hinzufügen? Carla seufzte. Ich seufzte mit.
»Wenn ich nur wüsste, wie weit Rotters Einfluss bereits geht. Die beiden sind in der kurzen Zeit, die Bubi bei uns ist, unzertrennlich geworden. Und Rotter trägt bereits sein strahlendes Siegerlächeln zur Schau. Ich kann nur hoffen, dass der Zug nicht bereits in die Gegenrichtung abgefahren ist.«
»Du meinst, dass Rotter die Verkaufsleitung schon in der Tasche hat?« Ich versuchte, den roten Faden nicht zu verlieren. Da ich nie für eine Organisation gearbeitet hatte, fiel es mir schwer, mich in die Hierarchien hineinzudenken.
»Rotters Ziel ist es natürlich, die Leitung aller Verkaufsaktivitäten in seine Hand zu bekommen. Er kann sehr geschickt und überzeugend sein, der gute F. J.«
»Aber ich dachte, F. J. sei faul«, unterbrach ich etwas ratlos, »warum sollte er sich noch mehr Arbeit aufladen wollen?«
Carla blickte mich verständnislos an und schüttelte unwillig den Kopf: »Es geht doch hier nicht um Arbeit, Roli! Es geht um Macht und darum, wer das Sagen hat. Der gute Rotter hätte nicht mehr Arbeit, wenn wir beide Verkaufsbereiche zusammenlegen. Aber er hätte die Position ›Verkaufsleiter‹ bei Moosburger. Das hat einen Klang auf der Visitenkarte! Mit dieser Position kämen sie gar nicht umhin, ihn in die Geschäftsleitung aufzunehmen …«
»Aber der junge Moosburger kann doch so eine wichtige Entscheidung nicht ohne seinen Vater fällen!«, rief ich aus.
»Der alte Moosburger favorisiert sicher mich. Denn er schätzt meine Arbeit wirklich. Aber er wollte nichts vor dem Eintritt seines Sohnes in die Firma entscheiden. Das verstehe ich ja auch. Doch nun ist der Seniorchef krank. Und da befürchte ich das Schlimmste. Wenn Rotter die Gesamtleitung bekommt, dann bin ich weg vom Fenster. Dann kann ich weiter bis zum Umfallen arbeiten. Und das Sagen hat F. J.«
»Die Moosburgers wissen doch, dass ihr beide wie Hund und Katze seid. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie so eine unvernünftige Entscheidung treffen.«
Carla lachte bitter auf: »Dem Junior traue ich jede unvernünftige Entscheidung zu. Er versucht, den Herrn herauszukehren. Und dabei gibt er eine so lächerliche Figur ab mit seinem pausbäckigen Kindergesicht.«
Die Haustür war zugeschlagen worden, und ein Hund kläffte.
»Mama! Mama!« Man hörte Marie die Treppe hinaufstürmen.
Carla drückte ihre Zigarette aus und eilte zur Tür. »Ich bin hier«, rief sie ihrer Tochter hinterher, »bei Rosalind im Wohnzimmer.«
Ich war ihr gefolgt, um den Grund der seltsamen Geräusche zu ermitteln – und wäre fast über ein apricotfarbenes Wollknäuel gestolpert. Das Wollknäuel kläffte wieder. Es war offensichtlich ein Pudel.
»Wem gehört das Tier?« Es klang schroff. Aber alle wussten es: Ich mochte Hunde nicht besonders. Und Pudel noch weniger. Und in meinem Haus am allerwenigsten.
Marie kam die Treppe heruntergehopst. Immer noch voller Euphorie. Und doch durch meinen unfreundlichen Tonfall und den erwartungsvollen Blick ihrer Mutter etwas unsicher geworden: »Das ist Puxi. Er war die Überraschung, von der Tony gesprochen hatte. Ist er nicht süüüüß?«
Ich starrte zur Haustür, als käme von dort die Erklärung. War das zu fassen? Jahrelang hatte ich mit Hubert gekämpft und durchgesetzt, dass kein Köter ins Haus kam. Und nun das!
»Ist Tony nicht mitgekommen?«
Marie schüttelte den Kopf. Sie beugte sich zu dem Pudel hinunter und begann, ihn zu streicheln. Dieser ließ das Kläffen sein und warf sich auf den Rücken. Er hatte offensichtlich nichts dagegen, ausgiebig gekrault zu werden.
»Nein«, sagte Marie, die Augen nicht von dem Tier wendend, »er wollte zuerst. Aber dann hatte er es plötzlich eilig und hat mich nur aussteigen lassen. Er ist gleich weitergefahren.«
Ich blickte zu Carla hinüber. Sie schien hin- und hergerissen zu sein. Schließlich kannte sie meine Einstellung. Und Tony hatte sie auch gekannt. Carla selbst hatte zwar sicher nichts gegen einen Hund einzuwenden. Sie hatte vor Maries Geburt selbst einen Setter gehabt. Aber das hier war immerhin mein Haus …
»Tut mir Leid, Schätzchen«, begann sie, nach einem kurzen Blick auf mein Gesicht, auf dem sich meine Abneigung offensichtlich nur allzu deutlich spiegelte, »wir können Puxi nicht behalten. Hat dir Tony gesagt, wo er ihn geholt hat?«
Wie befürchtet, brach Marie sofort in Tränen aus. Wenn auch noch nicht in das lautstarke Geheul, für das sie hinlänglich bekannt und gefürchtet war.
»Wir können Puxi nicht zurückgeben, Mama. Silvie hatte sich ihn gekauft. Die Busenträgerin, die bei Tony arbeitet«, fügte sie hinzu, als sie das erstaunte Gesicht ihrer Mutter wahrnahm, »du weißt doch, die mit dem blonden, großen Kopf. Die Papa einmal operiert hat. Durch die er Tony kennen gelernt hat.«
Carla nickte. Sie wusste, von wem Marie sprach.
»Und jetzt hat Silvie eine Allergie, und der Doktor sagt, sie darf ihn nicht behalten. Und darum müssen wir dem armen Puxi ein Zuhause geben.«
»Na, bravo«, stöhnte ich. Gab es wirklich kein Entrinnen?
Carla warf mir abermals einen Seitenblick zu. Dieser war nicht unbedingt freundlich.
»Na bravo«, dachte ich noch einmal. Jetzt ist sie vielleicht auf mich böse, weil sie ihrer Tochter einen Wunsch abschlagen wollte?! Zur Hölle mit Tony.
»Es geht nicht, Schatz«, hörte ich Carla sagen, »sei ein vernünftiges Mädchen, wir müssen …«
Nun brach es aus, das Heulkonzert. Laut und unerbittlich.
Puxi erschrak zutiefst, sprang auf und hinterließ eine Lache auf den Vorzimmerfliesen.
»Auch das noch. Halt die Klappe, Marie, sonst setzt es etwas!« Carlas Stimme hatte jede damenhafte Contenance verloren. Sie eilte in Richtung meiner Küche: »Wenn ich Tony erwische, dann drehe ich ihm den Hals um.«
»Ich helfe dir dabei«, versprach ich und eilte ihr nach. Carla war imstande und nahm eines meiner besten Geschirrtücher, um das Malheur zu beseitigen. Marie heulte noch immer.
Ich nahm einen Eimer aus der Besenkammer und füllte ihn mit heißem Wasser und Spülmittel. Dann drückte ich wortlos Carla einen Schwamm in die Hand.
Maries Geheul wurde etwas leiser. Sie blinzelte zu ihrer Mutter hinüber, die mit versteinertem Blick beseitigte, was Puxi hinterlassen hatte. Die Haustür wurde geöffnet. Hubert trat ein, seinen Schlüsselbund in der vorwurfsvoll erhobenen Hand. Marie hatte wohl in der Aufregung vergessen, die Tür abzusperren. Puxi lief ihm freudig, mit dem kleinen Stummelschwanz wedelnd, entgegen und sprang schließlich an ihm hoch.
Marie war ebenfalls aufgesprungen: »Gropa, Gropa!«, rief sie und lief Puxi nach. Es war offensichtlich, dass sie in meinem Schwiegervater einen Verbündeten erwartete. »Wir haben jetzt einen Hund. Den hast du dir doch immer gewünscht, nicht wahr?«
Sehr geschickt, das kleine Biest.
»Das ist doch kein Hund«, bemerkte Hubert herablassend, »das ist ein Spielzeug.«
Ich spitzte die Ohren. Bravo, Hubert, weiter so. Hatte ich wirklich Glück, und Hubert fiel mir nicht in den Rücken?
Marie hatte offensichtlich beschlossen, diesen Einwand zu übergehen: »Aber er liebt dich, Gropa. Sieh nur, wie er mit dem Schwänzchen wedelt. Er mag dich.«
»Meinst du wirklich?« Hubert wurde wankelmütig. Er beugte sich zu dem Pudel hinunter und kraulte ihm den Kopf, was diesen zu einem enthusiastischen Gepiepse veranlasste.
»Ein Hund ist das trotzdem nicht.« Hubert richtete sich auf. Es klang nicht mehr so abweisend.
»Hast du dich doch überreden lassen, Mam.« Das war keine Frage, das war eine Feststellung. Sebastian stand im Türrahmen der Haustür. »Ich wusste, du kannst auf die Dauer nicht ›Nein‹ sagen.«
»Ich habe gar nichts gesagt«, fuhr ich auf, »mich hat nämlich gar keiner gefragt.«
Nun fielen alle über mich her: »Ach bitte, Roli, erlaube es doch!« Marie blickte flehend zu mir herauf, »Puxi ist ganz lieb und soooo brav. Ich verspreche dir …«
»Bitte Rosalind, fühl dich nicht verpflichtet …« Carla war die ganze Angelegenheit sichtlich peinlich. Und doch spürte ich auch ihre Ungeduld mir gegenüber. »Musst du wegen so einem kleinen Hund so ein Theater machen?«, schien ihr Blick zu sagen.
»Vielleicht ist er ja ein guter Wächter?«, gab Hubert zu überlegen. »Gute Wachhunde werden immer wichtiger in der heutigen Zeit.«
Ja, und dann rettet uns der liebe, kleine Puxi vor den bösen Einbrechern – so ein Schwachsinn!
»Wow, ein Hund! Gehört der uns? Echt geil!« Die letzten Worte kamen von Tim, der ins Haus stürmte und den Pudel freudig in die Höhe hob. Puxi leckte ihm begeistert über die Wange.
Ich hatte es ja gleich geahnt. Ich würde mich wohl oder übel geschlagen geben müssen: »Und ihr versprecht alle, euch um das Vieh zu kümmern?«, fragte ich die Runde. »Marie kann das nicht allein.«
Ein einstimmiges Kopfnicken beantwortete meine Frage.
»Ich will mit dem Tier nichts zu tun haben. Absolut nichts.«
»Nicht das Geringste.«
»Und er kommt mit zu Tony, wenn Carla verreist ist.«
»Tony hat ihn schon eingeladen«, bestätigte Marie begeistert. »Papi hat nichts dagegen.«
»Und er kommt nicht in meine Wohnung, bis er stubenrein ist«, fuhr ich fort. Es war eine neue Rolle für mich, Bedingungen zu stellen. Diese Rolle gefiel mir. »Und er kommt nie, nie, nie in mein Schlafzimmer.«
»Nie, nie, nie.«
»Na gut, dann nimm ihn halt in Gottes Namen mit nach oben, Marie.«
Erwartungsgemäß führte die Kleine einen Freudentanz auf und umarmte mich innig, um mir einen Kuss auf die Wange zu drücken.
»Danke, Roli.« Ich sah Carla an, dass sie mir wirklich dankbar war. Sie ging mit ihrer Tochter und dem kläffenden Etwas in ihre Wohnung. Auch die anderen zogen sich in ihre Räume zurück: »Der Film war super, Mam. Und wir haben im Kino schon etwas gegessen. Jetzt müssen wir rasch in Tims Zimmer – er hat noch etwas für die Schule zu erledigen. Wir kommen dann noch einmal zu dir, um gute Nacht zu sagen.«
Die Stille war angenehm nach der Aufregung. Ich setzte mich wieder an meinen Laptop, um weiter an meinem Referat zu schreiben. Es war gar nicht so leicht, den Faden wieder aufzunehmen.