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III

Carla ließ ihr Blatt auf die ausgestreckten Knie sinken und blickte fassungslos zu mir herüber: »Was liest du denn da, um Himmels willen?!«

»Kontaktanzeigen«, ich bemühte mich so zu klingen, als sei dies das Selbstverständlichste der Welt. »Diese ist schon besser, hör mal: ›Beamter, vierundvierzig, einsdreiundsiebzig, geschieden, sportlich, beruflich sehr engagiert, sucht mangels anderer Gelegenheit auf diesem Wege …‹«

»Du hast doch nicht im Ernst vor, auf eine Anzeige zu antworten!« Carla hatte sich stocksteif in ihrem Stuhl aufgerichtet.

»Hallo, ihr Lieben! Versäume ich da gerade etwas? Habt ihr noch Kaffee für mich?« Bea stand im Türrahmen. Wie immer in wallender, schwarzer Kleidung. In schwarzen Hosen diesmal, die in derben, kurzen Schnürstiefeln steckten. Über den überdimensionalen Strickpullover waren die unvermeidlichen farbenfrohen Schals geschlungen. Die Mütze, die im Freien die karottenroten Haare verborgen hatte, flog in lässigem Bogen auf den nächsten Stuhl. Tim hatte wohl wieder einmal vergessen, die Haustür abzuschließen.

»Guten Morgen, Bea«, ich war aufgestanden, um eine Tasse für meine Freundin aus der Glasvitrine zu holen, »schön, dass du gekommen bist. Setz dich zu uns. Wir haben eben eine kleine Meinungsverschiedenheit.«

Bea öffnete den Schraubverschluss der Kaffeekanne, die Carla wortlos hinübergeschoben hatte. Als sie sich mit einem kritischen Blick ins Innere davon überzeugt hatte, dass noch genügend vorhanden war, goss sie die schwarze, dampfend heiße Flüssigkeit in die bereitgestellte Tasse.

»Worum geht’s denn? Handelt es sich um Oliver? Ich habe eben sein Auto wegfahren sehen. Ich habe doch Recht, wenn ich daraus schließe, dass er hier war?«

»Roli will auf eine Heiratsannonce antworten«, erklärte Carla, ohne auf Beas Vermutung einzugehen. Ihre Stimme klang düster.

»Auf eine Kontaktanzeige«, verbesserte ich.

»Na und?«, fragte Bea.

»Na und?«, wiederholte Carla ungläubig. »Ist das alles, was dir dazu einfällt? Findest du es etwa gut, wenn Rosalind …«

»Ich finde es gut, dass Roli endlich beschlossen hat, sich hier nicht länger lebendig zu begraben«, fiel ihr Bea ins Wort. »Die Bargeschichte neulich war nicht das Richtige. Also müssen wir etwas anderes versuchen.«

»Aber es muss doch nicht gleich etwas so Vulgäres wie eine Anzeige sein!« Es hatte den Anschein, als hätte Carla am liebsten mit der Faust auf den Tisch geschlagen.

Bea zuckte achtlos mit den Schultern: »Wenn’s hilft.«

Sie nahm einen Schluck aus der Kaffeetasse und deutete auf die Strickjacke, die mein Schwiegervater über die Lehne seines Sessels gehängt und vergessen hatte. »Der gute Hubert macht sich hier schon so breit, dass man meinen könnte, er sei mit Roli verheiratet.«

»Gott behüte!«, entfuhr es mir. »Und überhaupt, weder Hubert noch die Kinder sind ausschlaggebend für meinen Entschluss …« Wollten die beiden denn nicht endlich verstehen, worum es mir ging?

»Das wissen wir, Roli«, unterbrach mich Carla auch schon. »Aber muss es wirklich eine Anzeige sein?«

»Also warum denn nicht?«, Bea zuckte achtlos mit den Schultern, »eine Putzfrau sucht man ja auch auf diesem Weg.«

»Ein Freund ist doch keine Putzfrau!«, Carla war entrüstet.

»Das ist zu befürchten«, antwortete die unverbesserliche Bea, »obwohl die Vorstellung doch reizvoll wäre. Ein Liebhaber, der sich auch im Haushalt nützlich macht … na ja, man kann nicht alles haben. Habt ihr euch schon für eine Anzeige entschieden?«

Ich breitete die Zeitung auf dem Esstisch aus. Einmütig beugten wir die Köpfe darüber.

»Also, ich weiß nicht«, sagte Carla, als sie sich wieder aufrichtete. »Es muss doch noch andere Wege geben.«

»Aber sicher gibt’s die«, erklärte Bea munter, »kein Grund, diesen nicht auch zu versuchen.«

»Für Frauen ab fünfunddreißig ist die Chance höher, vom Blitz erschlagen zu werden, als einen Mann zu finden«, konnte ich mich nicht zurückhalten, meine Zweifel anzumelden.

»Oder von einem Tiger gefressen zu werden«, bestätigte Carla düster.

Na bravo, vielen Dank. Sehr aufbauend.

Glücklicherweise war auf Bea Verlass: »So ein Schwachsinn! Von Männern erfunden, um Frauen zu entmutigen. Und schon längst widerlegt. Die Statistik besagt …«

»… dass es in unserem Alter viel mehr Frauen gibt als Männer.« Was war bloß in Carla gefahren? Sie war doch sonst nicht so pessimistisch.

Bea erwog diesen Einwand nur kurz: »Mag schon sein. Aber Roli sucht ja nicht viele Männer, sondern einen einzigen. Und einen wird es doch in Gottes Namen geben.«

Dafür hätte ich sie umarmen können.

Auch Carla gab sich geschlagen. »Na, gut. Vielleicht sollte Rosalind dem Mann hier einen Brief schicken: ›Mitarbeiter der Landesregierung, einssechsundfünfzig, vierundfünfzig Jahre, jung geblieben …‹«

»Was soll Roli denn mit einem Zwerg!«, rief Bea entgeistert.

»Wie gefallt euch das Inserat«, fragte ich und las meinen Favoriten vor: »›Mann mit vielen Interessen, einsdreiundsiebzig, geschieden, sportlich, beruflich sehr engagiert sucht mangels anderer Gelegenheit auf diesem Wege …‹«

Bea schüttelte den Kopf: »Ein biederer Geschiedener! ›Mangels anderer Gelegenheit‹, wenn ich das schon höre. Ein Schlappschwanz.«

»Ich dachte, du seist dafür, dass ich auf eine Anzeige antworte. Und jetzt hast du an allem etwas auszusetzen.«

Bea griff nach der Zeitung: »Ist das ein Wunder? Lies nur: ›Einsamer Junge sucht reife Lady mit großem Busen und weit geöffnetem Herzen …‹ Da bist du dein Geld los, so schnell kannst du gar nicht schauen. Wie war’s damit: ›Dominanter Endfünfziger sucht gefügiges Fräulein …‹«

»Also, Bea!«, Carla war ernsthaft schockiert. »Du wirst doch Roli nicht mit einem Sadisten verkuppeln wollen!«

»›Witwer, zweiundfünfzig, sucht für sich und seine drei schulpflichtigen Kinder …‹«, las ich.

»Kommt nicht in Frage!«, rief Carla.

»›Wen darf ich verwöhnen? Smarter Boy freut sich …‹«, las Bea.

»Kommt nicht in Frage!«, rief ich.

Bea war nicht zu bremsen: »›Jeder Topf findet seinen Deckel. Wenn du, bescheidene Frau bis vierzig mit Kochkenntnissen (Hausmannskost bevorzugt) mein Deckel sein möchtest …‹«

»Nein!«, rief Carla.

»›Eleganter Sportwagenbesitzer, Unternehmersohn, achtundreißig, Villa an der Riviera, sucht kultivierte Dame ohne Altlasten …‹«

»Was sind Altlasten?«, fragte ich verständnislos.

»Kinder vermutlich«, erklärte Bea, noch in die Zeitung vertieft.

»So ein Trottel!« Meine Entrüstung kam aus ganzem Herzen.

Bea blickte auf und grinste: »Mir scheint, euch ist keiner dieser Herren gut genug. Es bleibt dir wohl nichts anderes übrig: Du musst selbst eine Anzeige aufgeben.«

»Bis du verrückt?«, rief Carla aus. »Stell dir vor, das spricht sich in der Stadt herum: ›Rosalind Steinberg, die bekannte Zahnärztin …‹«

»Na und? Was ist denn dabei, verdammt noch mal?«, brauste Bea auf. »Warum muss man es denn geheim halten, wenn man einen Mann sucht? Und überhaupt: Wie soll es denn bekannt werden? Die Stadt ist groß. Und nicht jeder kennt Roli. Wenn ihr einer antwortet, den sie kennt …«

»Ich kenne keinen, der eine Frau sucht. Das ist ja das Problem«, meldete ich mich zu Wort. Und fügte hinzu, um die Diskussion abzuschließen: »Ich denke, ich schreibe doch an den biederen Geschiedenen.«


Dieses Vorhaben konnte ich schon Minuten später in die Tat umsetzen. Meine Freundinnen hatten sich in Carlas Wohnung im Dachgeschoss zurückgezogen. Carla war Mitglied in einem internationalen Verein für weibliche Führungskräfte. Den Namen des Vereins vergaß ich immer wieder, ich wusste nur, dass man ihn EWMD abkürzte. Sie hatten Bea als Vortragende für ihren nächsten Clubabend gewonnen. Bea war Historikerin und hatte sich vor allem auf die Rolle der Frau im 18. und 19. Jahrhundert spezialisiert. Nun wollte sie mit Carla die genauen Details für ihre Rede zusammenstellen und Folien entwerfen, um den Vortrag noch anschaulicher zu gestalten. Ich setzte mich an den Schreibtisch, startete meinen Laptop und las das Inserat des »biederen Geschiedenen« noch einmal durch. Was hieß schon »bieder«? Bieder war ich selbst auch. Eine brave Mutter von zwei Kindern, ihrem Gatten treu, lange über seinen Tod hinaus. Wer würde da besser zu mir passen als ein biederer Geschiedener? Ich beschloss, den Brief kurz zu halten. Nach zahlreichen vergeblichen Versuchen war ich halbwegs zufrieden:

»Sehr geehrter Unbekannter, Ihr Inserat hat mich angesprochen. Ich bin zweiundvierzig Jahre alt, schlank und sportlich. Beruflich bin ich im medizinischen Bereich tätig. Ihr Anruf würde mich freuen.«

Ich fand, dass der Ausdruck »medizinischer Bereich« sehr schlau gewählt war. Nun wusste der Unbekannte ungefähr, was ich machte. Aber auch, wenn der »Unbekannte« in Wirklichkeit ein »Bekannter« war, würde er nicht erkennen, dass es sich bei der Schreiberin um mich handelte. Es war Carla doch gelungen, mich zu verunsichern. Und daher würde ich natürlich auch meinen Nachnamen verschweigen. Am besten, ich nannte mich »Linda«. Peter hat mich so gerufen. »Linda« klang nach »Dynasty«, der beliebten Fernsehserie der Achtzigerjahre, nach Reichtum und Schönheit. Nicht nach einer braven Mama mit einer zu großen Nase. Ich setzte meine private Telefonnummer darunter (am besten zu erreichen zwischen neunzehn und zwanzig Uhr), druckte den Brief aus und steckte ihn in einen Umschlag. Nun ab damit in den Briefkasten an der nächsten Straßenecke, bevor ich es mir wieder anders überlegen konnte.


In den nächsten Tagen zuckte ich jedes Mal zusammen, wenn irgendwo ein Telefon läutete. Ich sagte mir immer wieder, dass es Wochen dauern konnte, bis der »biedere Geschiedene« anrief. Und dass mich sein Anruf sicher nicht in der Praxis erreichte.

»Was habe ich mir da bloß aufgehalst?« Ich stöhnte und hoffte auf Beas Mitgefühl. Wir hatten uns wie fast jeden Dienstag zum Mittagessen getroffen. Diesmal in einem kleinen Naturkostlokal, das in der Nähe meiner Praxis lag. Ich hatte montags, dienstags und donnerstags auch nachmittags Sprechstunde. Bea unterrichtete am Dienstagnachmittag in der nahe gelegenen Volkshochschule zum Thema »Wie schreibe ich einen Roman? «. »Meine Hausfrauenrunde«, wie sie es liebevoll nannte. Sie hatte selbst bereits zwei Romane geschrieben. Den einen über Marie von Ebner-Eschenbach. Den zweiten über Napoleons erste Frau Josephine. Leider hatte sie noch keinen Verlag gefunden, der bereit war, ihre Werke zu veröffentlichen.

Beas Mitgefühl blieb aus: »Ist doch toll, wenn sich endlich etwas rührt! Wenn dein Blut wieder einmal so richtig in Wallung gerät. Und sei es auch nur wegen eines simplen Inserats.«

»Ich komme mir vor wie eine brave Jungfrau vom Lande.«

»Du hast einen Knall.« Bea biss ungerührt in das nächste Salatblatt. »Du bist doch keine brave Jungfrau – oder hast du die beiden Jungen vor der Klosterpforte aufgelesen?«

Ich musste kichern: »Nein, wirklich, Bea. Mir fehlt die Zeit zwischen zwanzig und zweiundvierzig. Mit zwanzig habe ich Peter kennen gelernt. Ab diesem Zeitpunkt habe ich mich nicht mehr für andere Männer interessiert.«

»Das war ein Fehler«, fand Bea. »Herr Ober, noch ein Glas Johannisbeersaft, bitte.«

»Mir fehlt es einfach an Selbstsicherheit, wenn ich mit Männern zu tun habe.«

Bea kniff die Augen zusammen: »Bekommst du auch weiche Knie, wenn ein Mann auf deinem Behandlungsstuhl sitzt, den Mund weit aufgerissen, ein kesses Plastikschürzchen um den Hals gebunden?«

Ich musste wieder lachen: »Nein, natürlich nicht. Oder sagen wir: kaum. Ich habe schon eine Hand voll Patienten, die verflixt gut aussehen, das muss ich zugeben.«

»Und?« Bea war sichtlich neugierig.

»Ihre Frauen sind auch bei mir in Behandlung. Dazu die fröhliche Kinderschar. Und wie stellst du dir das überhaupt vor? Auch wenn einer von denen Single wäre, könnte ich ihn kaum fragen, ob er mich zum Essen ausführt, oder?«

Bea schien diesen Einwand abzuwägen: »Na, vielleicht wenn du mit den Wimpern klimpern und dir für diesen Zweck einen großen Ausschnitt in deinen weißen Kittel schneiden würdest …«, schlug sie vor und lachte.

»Jetzt hast du einen Knall!«

Der Kellner brachte den Johannisbeersaft.

»Kommst du eigentlich nächste Woche zu meinem Vortrag bei Carlas Verein?«

»Der würde mich natürlich interessieren«, gab ich zu, »aber bin ich dort überhaupt willkommen? Ich bin doch keine Führungskraft.«

Bea sah mich zuerst mit großen Augen an, dann schnaufte sie unwillig. »Dein Selbstbewusstsein ist nicht nur in puncto Männer im Eimer, meine Gute«, ihre Stimme klang streng. »Fach- oder Führungsverantwortung sind die Kriterien für eine Aufnahme, soviel ich weiß. Und Fachverantwortung hast du ja wohl genug. Ich erwarte dich am nächsten Montag bei meinem Vortrag. Schau dir die anderen Damen ruhig einmal an. Vielleicht ist das Netzwerk auch für dich das Richtige. Herr Ober«, sie winkte energisch, »bitte zahlen. Ich muss los. Meine Hausfrauen warten.«


Der nächste Montagabend kam schnell. Ich hatte mich wirklich entschlossen, Carla zu Beas Vortrag zu begleiten. Mir war dabei nicht ganz wohl zumute. Peter hatte für »Weibervereine« nichts übrig gehabt. Ich stand vor dem großen Spiegel in meinem Schlafzimmer, eben dabei, mit geübten Griffen meine Haare hochzustecken.

»Ma-am!«, erschallte Tims Stimme durchs Haus. »Telefon!«

Erschrocken spuckte ich die Haarnadeln aus, die ich wie immer zwischen die Lippen geklemmt hatte. Ich eilte in unser Wohnzimmer und flüsterte: »Wer ist denn dran?«

Mein Sohn zuckte mit den Schultern, bevor er sich wieder die Kopfhörer seines CD-Players in die Ohren stöpselte. »Keine Ahnung. Irgendein Mann. Seinen Namen habe ich nie zuvor gehört.«

Er zog in Richtung Küche von dannen. Ich musste aufpassen, dass ich nicht vor Aufregung über den Teppich stolperte. Jetzt war es also so weit. Der »biedere Geschiedene« ließ von sich hören. Gerade jetzt, da Carla jeden Augenblick an der Tür klopfen würde, um mich abzuholen. Wie hatte ich bloß so wahnsinnig sein können, auf eine Anzeige zu antworten? Atemlos griff ich zum Hörer. Schon wollte ich mich gewohnheitsmäßig mit »Steinberg« melden, als mir siedend heiß einfiel, dass ich ja anonym bleiben wollte.

»Hallo, hier Linda«, flötete ich daher. Hoffentlich klang meine Stimme sympathisch. Ich wagte kaum zu atmen.

Der Mann am anderen Ende der Leitung räusperte sich. »Hallo?«, es klang sichtlich verwirrt, »spreche ich mit Frau Dr. Steinberg?«

Ich hatte diese Stimme noch nie gehört. Woher kannte der »biedere Geschiedene« meinen Namen?

Ich stotterte ein kurzes »Ja-a …«

»Hier Professor Meierhofer. Universitätsklinik Wien. Guten Abend, Frau Kollegin. Entschuldigen Sie bitte meinen Anruf in Ihrer Privatwohnung. Aber ich nehme an, Sie sind darauf vorbereitet. Es geht um das Programm der Jahrestagung im Juni in Wien.«

Ich ließ mich auf Huberts Ohrensessel plumpsen. Das war nicht der »biedere Geschiedene«, so viel war klar. Wie war ich froh darüber! Oder war ich enttäuscht? Das war mir nicht klar. Und was die Wiener Uniklinik von mir wollte, das war mir völlig unklar.

Es klopfte an der Tür. Das war sicher Carla. Und ich war noch nicht fertig angezogen. »Ja!«, rief ich. Carla trat ein.

»Fein«, sagte der Wiener, »dann gehe ich gleich in medias res.«

Das war mir nur recht, wenn er sofort zur Sache kam, denn ich hatte keine Zeit. Carla winkelte bereits den Arm an und klopfte mit ungeduldiger Bewegung auf das Zifferblatt ihrer Uhr. Wir mussten uns beeilen. Ich deutete ihr, sich zu setzen. Carla zog die Augenbrauen hoch. Doch sie folgte, wenn auch widerwillig.

»Mit Kollegen Spörer ist abgestimmt, dass Sie über osseointegrierte Implantate sprechen werden. Ihr Vortrag ist für den 14. Juni geplant, um 11 Uhr 30, unmittelbar vor dem Lunch. Mein eigener Lichtbildvortrag ist für den Nachmittag angesetzt. Ich spreche über die neuesten Erkenntnisse der Prophylaxe in der Jugendzahnpflege …«

Während mir Professor – wie war sein Name? – lang und breit erläuterte, worüber er selbst zu sprechen gedachte, ergab das Ganze für mich langsam Sinn. Wien war dieses Jahr Austragungsort des internationalen Zahnärztekongresses. Dieser fand einmal im Jahr statt. Immer in einem anderen Land. Und Zahnärzte aus allen fünf Kontinenten reisten zu diesem Kongress an. Die Vortragenden waren hochkarätig, die Themen vielfältig und der Erfahrungsaustausch mit Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt besonders reizvoll. Meine Praxis stellte wiederholt Vortragende bei derartigen Treffen. In den letzten Jahren war dies meist mein Kollege Frank Spörer gewesen. Frank war der älteste Partner in unserer Praxis. Sein Wort hatte Gewicht. Er hatte mich vor Wochen einmal gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, über mein Spezialgebiet zu referieren. Aber er hatte mit keinem Wort erwähnt, dass er sich als Forum diesen großen Kongress vorstellte.

Carla war aufgestanden und strebte ungeduldig der Tür zu.

»Ich freue mich darauf, diesen Vortrag zu halten«, unterbrach ich etwas brüsk den Redefluss des Professors.

Meine Freundin blieb stehen und sah sich mit großen Augen zu mir um. Wahrscheinlich wunderte sie sich, dass ich mir zutraute, öffentlich zu sprechen. Ich, die in den letzen Jahren immer bescheiden im Hintergrund geblieben war. Im Rampenlicht immer Peter. Oder auch meine Freundinnen. Und jetzt lud man mich zu diesem internationalen Ereignis ein! Na, die würden sich wundern. Ich hatte richtig Lust, sie zu überraschen.

»Fein. Dann nehmen wir ihn ins Programm auf. Dauer eine Stunde mit der Möglichkeit, Fragen zu stellen. Ich lasse Ihnen umgehend alle Unterlagen zusenden. Guten Abend, Frau Kollegin, Handkuss.«

»Auf Wiedersehen.«

Wie in Trance legte ich den Hörer auf und erhob mich aus dem Lehnstuhl. »Ich halte einen Vortrag.«

»Bea auch, und zwar in einer halben Stunde«, antwortete Carla kühl. Sie war nie unpünktlich. »Willst du deine Haare noch aufstecken? Oder ist das dein neuster Look?«

Ich beeilte mich in mein Schlafzimmer zu kommen, bevor ich mir endgültig ihren Unwillen zuzog.

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