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2. Epeisodion (376–581)

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CHORFÜHRER.

Denn vor dem gottgewirkten Schreckbild dort

bin ich im Zwiespalt; wie kann ich, wo ich’s doch weiß, bestreiten,

dass dieses Mädchen Antigone ist?

Unselige, Kind unseligen

380Vaters, des Ödipus,

was soll das? Sie bringen dich doch nicht her,

weil sie dich ungehorsam dem Königsgebot

und wahnwitzig handelnd ergriffen?

WÄCHTER. Mit der gefangenen Antigone.

Die hier, die ist’s, die die Tat getan!

385Die griffen wir, als sie bestattete! – Doch wo ist Kreon?

CHORFÜHRER.

Da kommt er aus dem Haus, zurück zur rechten Zeit.

Kreon tritt auf.

KREON.

Was gibt’s? Zu welchem Vorfall komm ich wie gerufen?

WÄCHTER.

Nichts sollten Sterbliche verschwören, Herr!

Denn spätre Einsicht straft den Vorsatz Lügen:

390Wie hab ich fest geglaubt, ich käm wohl schwerlich wieder her,

von deinem Drohen eben noch umstürmt.

Doch einer gänzlich unverhofften Freude

kommt an Größe gleich kein andres Hochgefühl;

so bin ich da, und hab ich’s auch mit Eiden abgeschworen,

395und bringe dieses Mädchen, das wir aufgegriffen,

wie sie das Grab bestellte. Diesmal wurde nicht gelost,

nein, mein ist dieser Glücksfund, keines andern!

Und nun, Herr, nimm sie selber, wie du willst,

verhöre, überführe sie! Doch ich, als freier Mann,

400ich hab das Recht, erlöst zu sein von diesen schlimmen Dingen.

KREON.

Die du da bringst – wie und wobei ergriffst du sie?

WÄCHTER.

Sie war dabei, den Mann grad zu bestatten: alles weißt du nun!

KREON.

Begreifst du wirklich, was du sagst, und sprichst du wahr?

WÄCHTER.

Begraben sah ich sie den Toten, den du zu bestatten

405verboten hast. Drück ich mich klar und deutlich aus?

KREON.

Wie wurde sie gesehn und aufgegriffen bei der Tat?

WÄCHTER.

So lief die Sache ab: Denn als wir hingekommen,

von dir mit Schrecklichem bedroht,

und weggefegt vom Toten allen Staub, der ihn

410bedeckte, und den Leib, der schon verweste, gründlich frei- gelegt,

da setzten wir uns auf der Hügel Höhn, den Wind im Rücken,

dass wir vermieden, dass der Moderduft von ihm uns traf;

und einer hielt den andern wach mit lautem Schimpfen,

falls einer seine Pflicht missachten wollte.

415Dies dauerte so lange fort, bis in des Äthers Mitte

das Strahlenrund der Sonne trat

und Gluten brannten. Da, auf einmal, hebt vom Boden

ein Sturmwind einen Wirbel Staubs, ein Ungemach des Himmels,

durchfegt die Ebne und zerzaust das ganze Laub

420des Walds im flachen Land, und voll davon

ward da der weite Himmelsraum. Wir, mit geschlossnen Augen, hielten stand der gottgewirkten Not.

Und als sich dies verzogen hatte, lang darnach,

sieht man das Mädchen, und es stößt den schrillen Klagelaut

des Vogels aus, der bitter trauert, wenn des leeren Nestes Lager

425verwaist er von den Jungen sieht. Und so auch sie,

da sie entblößt den Toten nun erblickt,

brach aus in lautes Wehgeschrei und fluchte böse Flüche

auf die herab, die diese Tat getan.

Und mit den Händen bringt sie trocknen Staub sogleich

430und hoch aus erzgetriebnem Krug

besprengt sie rings den Toten mit dreifachem Guss.

Wir sahen’s, stürzten los und fingen sie

im Nu, die keineswegs erschrocken war, und hielten ihr

die frühre Tat wie die grad jetzt verübte vor;

435ihre Haltung war: Sie stritt nichts ab,

was mich erfreute und zugleich auch schmerzte.

Denn selber Nöten zu entrinnen

ist höchst erfreulich, doch in Not zu bringen, die uns lieb,

ist schmerzlich. Aber alles andre gilt mir, wie ich einmal bin,

440für nicht so wichtig wie das eigne Heil.

KREON. Zu Antigone.

He du, die du das Haupt zu Boden senkst:

Gestehst du oder leugnest du die Tat?

ANTIGONE.

Ja, ich gesteh die Tat und streite sie nicht ab.

KREON. Zum Wächter.

Du scher dich fort von hier, wohin du willst,

445entlastet von dem schweren Vorwurf, frei!

Der Wächter eilt weg.

Du aber sage mir nicht lang und breit, nein, kurz und bündig:

Hast du gewusst, dass ausgerufen war, dies nicht zu tun?

ANTIGONE.

Ich wusste es! Wie sollt ich nicht? Es war ja öffentlich bekannt.

KREON.

Und wagtest dennoch, dies Gesetz zu übertreten?

ANTIGONE.

Es war ja Zeus nicht, der mir dies verkündet hat, 450

noch sie, die mitwohnt bei den untern Göttern, Dike,

hat bei den Menschen je solch ein Gesetz bestimmt.

Auch glaubt ich nicht, dass das von dir Erlassne

so große Macht besäße, dass, wer sterblich ist, der Götter ungeschriebne

455und ewig gültige Gesetze könnte setzen außer Kraft.

Denn sie bestehn nicht erst seit heute oder gestern:

die leben schon seit je, und keiner weiß, wann sie zuerst erschienen.

Indem ich diese überträte, wollt ich nicht,

aus Furcht vor irgendeines Mannes Denken, vor den Göttern büßen.

460Ja, dass ich sterben würd: Ich wusst es wohl – wieso auch nicht? –

und hättest du es auch nicht öffentlich verkündet!

Doch sterb ich vor der Zeit, eracht ich’s als Gewinn.

Denn wer, wie ich, in vielen Übeln lebt,

wie trüge der im Tode nicht Gewinn davon?

465So ist für mich, dass dies Geschick ich leide,

ein Nichts an Schmerz; doch hätt ich’s hingenommen,

dass meiner Mutter Sohn nach seinem Tod blieb ohne Grab,

dies schmerzte mich; doch das hier schmerzt mich nicht.

Und scheint dir töricht jetzt mein Tun,

470so wirft vielleicht ein Tor mir Torheit vor.

CHORFÜHRER.

Ganz klar tritt da zutag des schroffen Vaters schroffe Art

im Kind; im Unglück nachzugeben weiß sie nicht.

KREON.

So merk dir gut, dass allzu starrer Sinn

am ehsten scheitern wird, wie du das stärkste Eisen,

475kommt ausgeglüht zu spröd es aus dem Feuer,

meist brechen und zerbersten siehst.

Mit knappem Zaumzeug, weiß ich, bändigt man

die bockig-wilden Pferde; denn es geht nicht an,

dass, wer der Sklave seiner Nächsten ist, verstiegen denkt.

480Doch diese da verstand nur allzu gut sich zu erdreisten,

schon als erlassenes Gesetz sie übertrat;

und nach der Tat war dies die zweite Dreistigkeit:

Dass sie sich dessen rühmt und lacht, dass sie’s getan.

Da wär wahrhaftig ich kein Mann, sie wär der Mann,

485wenn man ihr straflos hingehn ließe diese Übermacht.

Nein, sei sie meiner Schwester Kind, sei blutsverwandter mir

als jeder, den der Hausbeschützer Zeus beschirmt:

Sie wie die Schwester werden beide nicht entgehn

dem schlimmsten Los; denn auch die andre klag ich an,

490dass sie in gleicher Weise dieses Grab hat mitgeplant.

So ruft sie her! Denn eben noch sah ich sie drinnen

wie außer sich und nicht mehr mächtig ihrer Sinne.

Es pflegt das Herz im Voraus schon ertappt zu werden als geheimer Täter,

wenn man im Finstern listig lauter Unrecht spinnt.

495Doch hass ich auch, wenn man, bei schlimmer Tat

ertappt, dann diese auch noch schönen will.

ANTIGONE.

Willst du noch Ärgres, als mich töten, da du mich gefasst?

KREON.

Ich weiter nichts! Denn hab ich dies, so hab ich alles!

ANTIGONE.

Was also zögerst du? Da mir an deinen Worten

500gar nichts gefällt und nie gefallen möge,

so muss gewiss auch dir mein Handeln widerstreben.

Und doch, wie hätt ich rühmlicheren Ruhm

gewonnen, als dass ich den eignen Bruder beigesetzt

im Grab? Dass die hier alle dies für gut befinden,

505dürft ich wohl sagen, schlösse Furcht nicht ihren Mund.

Allein, die Ein-Mann-Herrschaft ist mit vielem glückgesegnet,

und ihr steht’s zu, zu tun, zu sagen, was sie will!

KREON.

Nur du allein von Thebens Bürgern siehst das so.

ANTIGONE.

Auch diese sehn’s, doch kneifen sie vor dir den Mund. 509

KREON.

Du aber schämst dich nicht, dass du so anders denkst als sie?

ANTIGONE.

Es ist kein Schimpf, zu ehren, die uns blutsverwandt.

KREON.

War gleichen Blutes nicht auch er, der mit ihm kämpfend fiel?

ANTIGONE.

Des gleichen Bluts: von einer Mutter und vom selben Vater.

KREON.

Was schenkst du dem dann einen Liebesdienst, der jenen kränkt?

ANTIGONE.

Nie wird der Tote drunten dies bezeugen! 515

KREON.

Wenn du ihn gleich ehrst wie den Gottmissachter?

ANTIGONE.

Kein Sklave, nein, der Bruder war’s, der umgekommen.

KREON.

Er wollte dieses Land verheeren, aber der trat für es ein.

ANTIGONE.

Und gleichwohl fordert Hades diese Bräuche. 519

KREON.

Doch hat dazu das größre Recht der Gute als der Schlechte.

ANTIGONE.

Wer weiß, ob drunten solche Sicht für heilig gilt?

KREON.

Gewiss wird nie der Feind, auch nicht im Tod, zum Freund!

ANTIGONE.

Gewiss nicht, um den Feind zu hassen, nein, den Freund zu lieben, lebe ich!

KREON.

So geh hinunter, wenn geliebt sein muss, und liebe

525die dort! Doch meiner Lebtag wird kein Weib regieren!

Ismene wird aus dem Haus geführt.

CHORFÜHRER.

Doch da, schau hin, vor dem Tor Ismene,

aus Liebe zur Schwester Tränen vergießend!

Eine Wolke über den Brauen

entstellt ihr gerötetes Antlitz

530und benetzt die reizende Wange.

KREON.

Du, die im Hause gleich der Natter eingeschlichen

mich heimlich aussogst, und ich merkte nicht,

dass ich zwei Unheilsgeister aufzog und Umsturz des Throns,

los, sage mir, bekennst du, dass auch du an der Bestattung

535hast Anteil, oder schwörst du, nichts davon zu wissen?

ISMENE.

Getan hab ich die Tat, wenn sie es tat: ich geb es zu

und habe teil daran und trage mit die Schuld.

ANTIGONE.

Doch wird dir Dike dies nicht zugestehn:

Du wolltest nicht, und ich bezog dich nicht mit ein.

ISMENE.

Doch jetzt in deiner Not schäm ich mich nicht, 540

mit dir an Bord zu sein auf deiner Leidensfahrt.

ANTIGONE.

Wer es getan, bezeugen Hades und die Toten.

Die nur mit Worten liebt, die Freundin mag ich nicht!

ISMENE.

Halt, Schwester, nicht für unwert mich,

545mit dir zu sterben und den Toten zu entsühnen!

ANTIGONE.

Stirb nicht mit mir gemeinsam! Was du nicht berührt,

das eigne dir nicht an – mein Tod genügt!

ISMENE.

Und welch ein Leben wär mir lieb, verlässt du mich?

ANTIGONE.

Den Kreon frag! Für seine Sache standst du ein!

ISMENE.

Was kränkst du mich und hast doch nichts davon? 550

ANTIGONE.

Es schmerzt mich freilich, wenn ich dich verlachen muss.

ISMENE.

Wie könnt zumindest jetzt ich dir noch nützlich sein?

ANTIGONE.

Dann rett du dich! Ich neid dir nicht, dass du entrinnst.

ISMENE.

O Ärmste ich! Ich soll dein Los nicht mit dir teilen?

ANTIGONE.

Du wähltest ja das Leben, ich den Tod. 555

ISMENE.

Nicht ohne dass ich meine Gründe dargelegt.

ANTIGONE.

Du glaubtest vor den einen, ich vor den andern recht zu denken.

ISMENE.

Und doch ist das Vergehen für uns beide gleich.

ANTIGONE.

Sei guten Muts! Du lebst, doch meine Seele,

560längst ist sie tot, um den Verstorbnen beizustehn.

KREON.

Die beiden Mädchen, glaub ich, sind verrückt:

Die eine zeigt es eben jetzt, die andre ist’s, seitdem sie lebt.

ISMENE.

Herr, selbst wo angeboren ist Verstandeskraft,

verbleibt sie Notgeplagten nie, nein, sie entgleist.

KREON.

Zumindest dir, als du gewählt, mit Schlechten Schlechtes zu verüben. 565

ISMENE.

Wie wär’s mir möglich, einsam ohne diese fortzuleben?

KREON.

Doch sag nicht »diese«! Denn sie ist nicht mehr.

ISMENE.

Doch willst du töten deines eignen Kindes Braut?

KREON.

Es gibt noch andre Äcker zu bepflügen!

ISMENE.

Nicht so, wie ihm und ihr sich’s hat gefügt! 570

KREON.

Ein böses Weib für meinen Sohn – das hasse ich!

ANTIGONE.

O liebster Haimon! Wie beleidigt dich dein Vater!

KREON.

Du machst mich krank, du und dein Ehebett!

CHORFÜHRER.

So willst du sie denn wirklich rauben deinem eignen Spross?

KREON.

Hades wird mir diesem Bund ein Ende setzen! 575

CHORFÜHRER.

So ist, wie’s scheint, beschlossen, dass sie sterben soll?

KREON.

Bei dir wie mir! Kein Säumen mehr, ihr Knechte,

schafft sie hinein! Gefesselt müssen diese Weiber sein

und dürfen nicht sich frei bewegen.

580Selbst die Verwegnen suchen zu entfliehn, wenn sie

den Hades nah schon ihrem Leben sehn!

Antigone und Ismene werden ins Haus geführt. Kreon bleibt

auf der Bühne.

Antigone

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