Читать книгу Essentielle Schriften - Sophronius Eusebius Hieronmyus - Страница 80

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Nach drei Tagen sahen wir in nebelhafter Ferne zwei Reiter auf Kamelen eilig näher kommen. Nichts Gutes ahnend fing ich sofort an zu glauben, der Herr sinne auf unser Verderben, und düster wurde es vor meinen Augen. Voller Furcht bemerkten wir, daß die Spuren im Sande uns verraten hatten, doch zu unserer Rechten öffnete sich eine Höhle, welche tief in die Erde führte. Wir betraten sie trotz unserer Angst vor giftigen Tieren; denn Schlangen, Basilisken, Skorpione und ähnliches Getier, welches das Sonnenlicht scheut, pflegt an solchen Orten den Schatten aufzusuchen. Doch wir fanden Unterschlupf in einer Seitenhöhle, die sich links gleich beim Eingang befand, ohne weiter vorzudringen, damit wir nicht in der Absicht, dem Tode zu entgehen, dem Tode in die Arme liefen. Zugleich dachten wir bei uns, wenn Gott den Unglücklichen hilft, dann werden wir Rettung finden, wenn er aber die Sünder verachtet, dann wird hier unser Grab sein. Wie mag es uns wohl zu Mute gewesen sein, was für einen Schrecken mögen wir ausgestanden haben, als der Herr und ein Mitsklave vor der Höhle in geringer Entfernung Halt machten und, geleitet durch unsere Fußspuren, sich bereits dem Schlupfwinkel näherten! Ach, um wieviel schlimmer ist die Todeserwartung im Vergleich zum Todesstoße! Jetzt noch stammelt meine Zunge vor Aufregung und Angst; gleich als ob ich den Herrn schreien höre, wage ich keinen Laut von mir zu geben. Er schickte den Sklaven vor, um uns aus der Höhle heraus zu zerren, während er selbst die Kamele hielt. Mit gezücktem Schwerte harrte er unseres Erscheinens. Unterdessen war der Sklave drei oder vier Ellen vorgedrungen, so daß wir aus unserem Versteck ihm auf den Rücken sehen konnten — es liegt nämlich an der natürlichen Veranlagung der Augen, daß einem alles dunkel erscheint, wenn man vom Sonnenschein in die Finsternis tritt —, und seine Stimme schallte durch die Höhle: „Heraus ihr Galgenstricke, heraus ihr Todeskandidaten! Was bleibt ihr stehen? was habt ihr zu erwarten? Heraus, der Herr ruft.“ Noch ist er am reden, da sehen wir durch die Finsternis, wie eine Löwin sich auf den Mann stürzt, ihm die Kehle durchbeißt und ihn blutüberströmt ins Innere schleppt. O guter Jesus! Welcher Schreck, welche Freude! Wir sahen, wie unser Feind umkam, ohne daß sein Herr es ahnte. Vielmehr vermutete er, da sein Sklave solange brauchte, wir möchten zu zweien dem einzelnen Widerstand leisten. Und außerstande, seinen Zorn zu mäßigen, kam er, das Schwert in der Hand, in die Höhle. Mit wütendem Geschrei schalt er über die Feigheit des Sklaven. Doch er war bereits eine Beute des Tieres, als er noch nicht an unserem Schlupfwinkel vorüber war. Wer hätte glauben sollen, daß ein wildes Tier vor unseren Augen für uns kämpfen würde? Einer Furcht waren wir jetzt zwar enthoben, aber der gleiche Tod stand auch uns vor Augen. Ein Unterschied bestand freilich; es ist leichter, der Wut eines Löwen als dem Zorne eines Menschen zu trotzen. Wir erzitterten bis ins innerste Mark, und ohne die geringste Bewegung zu wagen, harrten wir auf den Ausgang der Sache. In all diesen Gefahren schützte uns nur das Bewußtsein, die Keuschheit gerettet zu haben, wie eine Mauer. Die Löwin aber witterte Gefahr; denn sie merkte, daß sie gesehen worden war, erfaßte mit den Zähnen ihr Junges, trug es eiligst hinaus und überließ uns gastfreundlich ihre Wohnung. Da wir uns hier ziemlich sicher fühlten, begaben wir uns nicht sofort ans Tageslicht. Vielmehr warteten wir lange, und während wir darüber nachdachten, wie wir hinaus kämen, gaukelte unsere Phantasie uns noch öfters eine Begegnung mit der Löwin vor.

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