Читать книгу Philosophieren im Islam - Souleymane Bachir Diagne - Страница 10

Einleitung
Dialoge

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„Philosophieren im Islam“ und nicht „islamische Philosophie“, selbst wenn „islamische Philosophie“ die übliche Bezeichnung in der Nomenklatur der universitären Lehre und der unterschiedlichen „Geschichten der islamischen Philosophie“ ist. Ich habe sie selbst unter anderem unterrichtet und weiß aus Erfahrung, zu welchen Missverständnissen dieser Ausdruck führen kann.

Manchmal erwartet man von dieser Bezeichnung, dass sie erklärt, welche Philosophie aus dem Islam „hervorgeht“, gleichsam als Quintessenz der Blüte. Im Islam philosophieren heißt im Gegenteil, im Universum der muslimischen Kultur den Dialog fortzusetzen, in dem die Philosophie beständig und von Rechts wegen überall entsteht. Eine Form des Dialogs ist die Übersetzung von Texten, insofern die Übersetzung immer Veränderungen und Hybridisierungen in die Sprache, die die Texte empfängt, einführt. Das Philosophieren im Islam ist somit zuerst durch die Übersetzung griechischer Werke ins Arabische und durch den Austausch entstanden, zu dem die Gedanken, die diese Werke ausdrücken, geführt haben. Man hat also, um nur ein Beispiel zu nennen, der Theologie des Aristoteles eine entscheidende Rolle zugeschrieben. Später stellte sich heraus, dass sie von Plotin stammt, denn tatsächlich handelt es sich um die ersten Bücher der Enneaden.

Dialoge also mit Plotin, Platon, Aristoteles, heute mit Nietzsche, Bergson und anderen … Die Kapitel, die man lesen wird, stellen mehrere Dialoge dar, von denen manche im Traum stattfanden, andere waren Konfrontationen oder sogar richtige Gefechte. Sie sagen uns vor allem, dass die Philosophie im Islam nicht durch die Selbstverschlossenheit eines geistigen Universums gekennzeichnet ist, das abseits jenes Abenteuers stünde, das man als „westlich“ nur dann definieren kann, wenn man es von allem abschneidet, was nicht aus dem „Westen“ stammt und von dem es doch auch zehrt.

Dialoge auch deshalb, weil die Philosophie nicht „hervorgeht“, kein natürlicher Ausdruck weder einer Kultur noch einer Religion ist. Sie ist jenes oft lebhafte Gespräch, in dem Personen begriffen sind, die wissen, was freies Denken bedeutet und wert ist, und dies verlangt, sich von den unmittelbaren Bedeutungen frei zu machen, in denen uns die Kulturen und Religionen einschließen. Diese Personen tauschen sich also jenseits der Zeiten und Zugehörigkeiten aus: Die Gesellschaft der Philosophen weitet sich immer mehr aus.

Was bedeutet es für diese Dialoge, sich „im Islam“ zu verorten, das heißt von Gegenständen, Texten und Erzählungen zu sprechen, die Teil der muslimischen Tradition sind? Anders gesagt, handelt es sich noch um Philosophie, wenn man damit beginnt, den Gott des Monotheismus zu setzen, d. h. mit einer Offenbarung, die von ihm stammt und die man akzeptiert, und mit einer Menge an Glaubensinhalten, die sich aus dieser Akzeptanz ergeben? So wie der Heilige Augustinus oder Thomas von Aquin Philosophen und Christen sind, sind Avicenna, Averroes und andere, um die es auf den folgenden Seiten gehen wird, Philosophen und Muslime. Dass das nicht ohne Probleme vor sich geht, ist gewiss, doch im Islam philosophieren heißt, wie man sehen wird, gerade über die Texte und Erzählungen, die durch die Tradition gegeben sind, der Vernunft gemäß sprechen zu wollen, das heißt über sie zu sprechen, ohne sie jemals den Anforderungen der Verständlichkeit und der Mitteilbarkeit zu entziehen, die den philosophischen Dialog leiten. Dieser Wille beruht selbst wiederum auf der Überzeugung, dass es eine menschliche Weisheit gibt, die in höchstem Maße abseits jeglicher Offenbarung durch den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs bei göttlichen Personen – göttlich in dem Sinne, in dem man beispielsweise vom „göttlichen“ Platon spricht – gestrahlt hat, und dass diese Weisheit helfen muss, die Wahrheit der religiösen Bedeutungen philosophisch zu konstruieren.

Es kommt vor, dass die Missverständnisse im Hinblick auf die Bedeutung des Ausdrucks „Philosophieren im Islam“ bei denjenigen zur Ablehnung führen, die meinen, dass dieses Philosophieren zahlreichen „Ungläubigen“ (infidèles) einen zu großen Platz einräumt. Glücklicherweise kommt es öfter vor, dass man darin die Einladung sieht, sich zu fragen, was Treue (fidelité) ist, wem und in welchem Sinn man jemandem oder einer Sache die Treue halten kann; Treue ist nicht Versteifung gegen die Zeit und gegen den Unterschied, weit gefehlt, sie ist im Gegenteil Bewegung und Pluralismus. Auf den folgenden Seiten wird dieser Einladung forschend nachgegangen.

Philosophieren im Islam

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