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Vorwort zur französischen Ausgabe

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Dies ist die dritte Ausgabe des Buches Comment philosopher en Islam?. Es wird letztlich in drei verschiedenen Verlagen erschienen sein, zuerst bei Panama in der Reihe „Cyclo“ unter der Leitung von Roger-Pol Droit, dann bei Phoenix und heute beim Verlag Jimsaan, der von Felwine Sarr, Boubacar Boris Diop und Nafissatou Dia Diouf ins Leben gerufen wurde.

Ursprünglich hat mich der Philosoph Roger-Pol Droit dazu überredet, einen Text zu schreiben, der in großen Zügen die Philosophie im Islam darstellen soll. Warum diese fragende, problematisierende Wendung – „wie philosophiert man . . . ?“ – bei einer einfachen Darstellung einiger Philosophen der muslimischen Welt? Bedeutete das nicht, so fragten mich einige Leser, die ich getroffen habe oder die mir geschrieben haben, der Skepsis eine übermäßige Bedeutung beizumessen, die bei manchen die Verbindung der Wörter „Islam“ und „Philosophie“ hervorruft? Würde dadurch nicht die Möglichkeit suggeriert, eine Religion, die nach Auffassung dieser Leser einen blinden und unvernünftigen Glauben darstellt, könne sich ihrerseits auf das Infragestellen, Zweifeln und Nachforschen gründen, die das Vorgehen der Kritik und damit die Philosophie selbst ausmachen?

Die Frageform war das Markenzeichen der Buchreihe; aber die eigentliche Antwort kann nicht in dieser Erklärung liegen. Die Frage Wie philosophiert man im Islam? war und ist Ausdruck der Feindseligkeit einiger muslimischer „Denker“ gegenüber einer Disziplin und Methode, die sie für nutzlos und zersetzend halten, wenn es darum geht, in gutem Einvernehmen mit dem zu stehen, was die Religion von uns zu denken, zu glauben und zu tun verlangt. Sobald die islamische Welt mit der „Liebe zur Weisheit“ der Griechen in Berührung kam, traten Hüter des „islamischen Wissens“ auf den Plan, um ein absolutes Misstrauen gegenüber einer „Weisheit“ zu fordern, die keine Weisheit sein könne, sofern sie nicht aus einer Offenbarung stamme und die daher diejenigen nichts lehren könne, die ihr Wissen allein aus der Offenbarung zu beziehen haben.

Ghazali (gestorben 1111) attackierte bekanntlich die Philosophen und beschuldigte ihre Vernünfteleien, zu ketzerischen Thesen zu führen, während er sich gleichzeitig – gegen andere Sekten und Interpretationen des Islam – für das Sunnitentum und die Aschariya einsetzte. Aber derselbe Ghazali offenbart sich in der erstpersonalen Erzählung seiner Suche nach Gewissheit und seiner Errettung aus dem Irrtum als ein moderner Philosoph, der zeigt, wie die Mystik an der Spitze des Rationalismus gedeiht. Und in seiner Reflexion über die Koranverse und die Traditionen, die Gott als Licht darstellen, erklärt er, dass der Pluralismus (der kein Relativismus ist) notwendig sei, da die Wahrheit sich in vielfachen Erscheinungen bricht. Der Philosoph Averroes, der auf seine Angriffe reagierte, nahm im Übrigen die Ausfälle des ascharitischen Theologen gegen diejenigen, die in der Offenheit für die Weisheit und die Wissenschaften der Griechen gedacht haben, nie ernst: „Abu Hamid [Ghazali] bleibt einer von uns“, sagt er im Namen der Philosophen.

Bekanntlich hat das Denken Ibn Taimiyas auf all diejenigen Einfluss ausgeübt, die mit ihm in einem Aufwasch Schiiten, Philosophen oder Sufis verdammen. Selbst Ghazali entgeht nicht dem Anathema, vom gestrengen Gesetzesgelehrten unter die „sogenannten Philosophen“ und/oder „sogenannten Sufis“ gereiht zu werden.2 Es ist nicht uninteressant festzustellen, dass er gerade als Autor der Kostbaren Perle im Wissen des Jenseits verurteilt wird, eines Buches, das die gemeinsame Sprache der Philosophen und der Mystiker spricht.

Unserer Gegenwart näher behauptete Sayyid Qutb, die Dichtung des indischen Denkers Mohamed Iqbal zu lieben, lehnte es aber ab, sich auf dessen Philosophie einzulassen, so wie sie in Iqbals Prosa dargelegt ist, durch die sich seine Dichtung doch erhellen lässt. Man erkennt leicht, weshalb: Verse kann man sagen lassen, was man zu hören wünscht, um leichter die Aufgabe ignorieren zu können, zu der Iqbal einlädt, nämlich mit den Philosophen, auch wenn sie keine Muslime sind, wie Henri Bergson, die Bedingungen einer „Wiederbelebung des religiösen Denkens im Islam“ zu denken.

Wer sich weigert, als Philosoph und mit den Philosophen zu denken, glaubt damit zu behaupten, dass der Islam sich selbst genüge, dass er selbst seine eigene Philosophie sei. Wer würde das Gegenteil behaupten? Diese Behauptung ist nämlich schlicht und einfach eine Tautologie, wenn man unter „Philosophie des Islam“ die Lehren, Rituale, Dogmen und Vorschriften der Religion versteht. Doch diese „Philosophie“, als Wahrheit der Religion, dem Irrtum der „fremden“ Wissenschaften und dem entgegenzusetzen, was einst Al Farabi, Avicenna oder Averroes im Dialog mit den Weisheiten Griechenlands und anderer Länder, heute Iqbal im Gespräch mit Bergson und andere nach ihm gedacht und geschrieben haben, hat keinen Sinn. Dieser Unsinn hat jedoch verheerende Auswirkungen, die wir in der heutigen Welt feststellen, wenn Bewegungen sich darauf stützen, muslimischen Mädchen oder Muslime im Allgemeinen mittels Mord das Recht auf Bildung (die sie absurderweise als „westlich“ bezeichnen) zu verweigern. Deshalb muss man für die Philosophie kämpfen. Dieser Kampf war immer und ist weiterhin der Kampf für das Licht der Erziehung gegen den Geist der Verschlossenheit und gegen den Fanatismus, zu dem Letztere führt. Erziehen – die Etymologie des Wortes macht das deutlich – bedeutet, aus der Selbstverschlossenheit auszuziehen, im Namen der Pflicht, sich selbst zu erkennen, um besser zu sich zurückzukehren. Der Befehl des Propheten, sich auf die Suche nach dem Wissen zu begeben, „und sei es bis nach China“, bedeutete nichts anderes. Zu sich zurückkehren, sich verbessern, das heißt seine Bewegung wiederaufnehmen: Darin steckt die Aufgabe der Wiederbelebung, zu der Iqbal aufruft. Und jene, die in diesem Buch dem Philosophieren im Islam Gestalt verleihen, machen auf unterschiedliche Weisen diese Aufgabe deutlich.

New York, den 3. November 2013

Philosophieren im Islam

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