Читать книгу Der Ruul-Konflikt 15: Operation Himmelswolf - Stefan Burban - Страница 6

3

Оглавление

Der fast vierwöchige Flug zur Til-Nara-Hauptwelt Et/ero verlief komplett ereignislos. Es gab kaum technische Schwierigkeiten, die Franks Aufmerksamkeit verlangten. Schiff und Besatzung funktionierten wie ein Schweizer Uhrwerk.

Lediglich einmal musste der komplette Einsatzverband in der Nähe der Til-Nara-Grenze den Hyperraum verlassen, weil bei einem der Truppentransporter der ISS-Antrieb versagte. Dushku weigerte sich, das Schiff sich selbst zu überlassen, und so blieb ihnen nichts anderes übrig, als auf das Ende der Reparatur zu warten. Das Problem war aber schnell behoben und die Reise konnte fortgesetzt werden.

John Desmond, der neue XO, nutzte die Zeit gekonnt, um sich mit Schiff und Besatzung vertraut zu machen. Frank hatte die ganze Zeit ein wachsames Auge auf ihn. Aber der Mann verrichtete seinen Dienst gewissenhaft und mit dem nötigen Pflichtgefühl. Außerdem wurde er bei der Mannschaft langsam beliebt. Frank war zufrieden. Entgegen der Meinung anderer Flottenoffiziere war es für ihn kein Zeichen von Schwäche, bei der Truppe beliebt zu sein.

In der Mitte der vierten Woche nach ihrem Aufbruch von Serena erreichten sie die südliche Nullgrenze des Et/ero-Systems. Die Schwärze des Hyperraums wich schlagartig dem von weißen Punkten gesprenkelten Hintergrund des Weltraums. Frank entspannte sich etwas und beugte sich fasziniert vor.

Er schnalzte mit der Zunge. »Wahnsinn!«, flüsterte er.

Sein XO wandte sich ihm mit einer erhobenen Augenbraue zu. »Sir? Haben Sie etwas gesagt?«

Anstatt auf die Frage zu antworten, deutete Frank durch das Fenster auf die grün-weiße Welt, die sich in der Ferne abzeichnete. »Haben Sie eigentlich eine Ahnung, wo wir uns befinden, John?«, wollte Frank wissen.

Desmond warf einen kurzen Blick durch das Brückenfenster, bevor er mit vergnügtem Funkeln seinen kommandierenden Offizier musterte. »Ich nehme an, die Antwort ›Im Et/ero-System‹ wäre ein wenig zu einfach, oder?«

Frank schmunzelte. »Da nehmen Sie richtig an. Wir befinden uns an einem Scheideweg der Geschichte. Wir stehen hier auf einem Fleckchen Weltraum, das vor dem Krieg kein einziger Mensch besucht hat. Wäre der Krieg nicht gewesen, dann wäre das auch so bis in alle Ewigkeit geblieben.« Frank lehnte sich zurück. »In einem Punkt bin ich mir sehr sicher: Wären die Ruul nicht aufgetaucht, dann hätten Til-Nara und Menschen eines Tages Krieg geführt.«

Desmond runzelte die Stirn. »Wie meinen Sie das?«

Frank neigte leicht den Kopf zur Seite. »Ist doch ganz einfach. Irgendwann wären sich Menschen und Til-Nara gegenseitig ins Gehege gekommen. Die Geburtenrate der Til-Nara ist hoch. Sogar verdammt hoch. All diese Mäuler müssen gestopft werden und brauchen Platz. Ein Volk wie die Til-Nara braucht unheimlich viel Platz, um sich zu entfalten.«

»Ja, ganz anders als die Menschen«, meinte Desmond sarkastisch.

Frank warf ihm einen verschmitzten Blick zu. »Touché!« Er seufzte und deutete auf die Vielzahl an Schiffen, die ihren Weg kreuzten und die sich um Et/ero versammelt hatten. Einen ganz erheblichen Teil stellte der zivile Flugverkehr. Hunderte von freien Händlern oder Frachtern strebten ins innere System oder zu einer der Nullgrenzen. Auch das war ein unerwarteter Nebeneffekt des Krieges. Die eigentlich streng isolationistisch lebenden Insektoiden hatten sich der Galaxis geöffnet und trieben nun eine Menge Handel.

Doch auch militärische Schiffsverbände waren im Til-Nara-Hauptsystem allgegenwärtig. Bei einigen handelte es sich um Wachgeschwader mit der Aufgabe, das System zu verteidigen. Die meisten anderen hingegen waren mit Sicherheit Angriffsflotten, die für militärische Operationen gegen die Slugs zusammengezogen wurden. »Eines ist mal sicher«, erklärte Frank. »Ich kämpfe lieber gegen die Ruul als gegen die Til-Nara.«

Der XO ließ die Äußerung einfach über sich ergehen und enthielt sich eines Kommentars. Der ComOffizier wandte sich um und würgte das Gespräch auf diese Weise ab. »Commodore Taylor? Vizeadmiral Dushku bittet zu einer Lagebesprechung auf die Vigilantes.«

Frank schnaubte, unterdrückte aber jeden anderen äußerlichen Anschein von Antipathie. Es war nicht ratsam, die Autorität des befehlshabenden Admirals zu untergraben. »Bestätigen Sie die Order und melden Sie, ich sei auf dem Weg.«

Der ComOffizier nickte, wandte sich um und gab die Nachricht weiter. Währenddessen schnallte sich Frank los und erhob sich etwas schwerfällig. Der Kommandosessel war bequem, doch auch auf ihm konnten längere Fahrten zur Tortur für den Rücken werden. Frank streckte sich unauffällig.

»XO, Sie haben das Kommando bis zu meiner Rückkehr.«

»Aye, Sir«, bestätigte dieser. Und noch während sich Frank zum Gehen wandte, fügte Desmond ein »Viel Glück!« hinzu.

Der Flug zur Vigilantes dauerte nur eine Viertelstunde. Während sein persönliches Beiboot zwischen den Giganten des Kampfverbandes dahinzog, nahm sich Frank Zeit, ihre Eskorte in Augenschein zu nehmen.

Die Til-Nara hatten der terranischen Expeditionsstreitmacht mehrere Kreuzer entgegengeschickt, die diese ins innere System eskortierten. Die Führung hatten Lotsenschiffe übernommen, die die menschlichen Gäste zielsicher durch den Irrgarten führten, der hier als Verkehrsordnung durchging.

Das war auch dringend nötig. Im Gegensatz zu einem menschlichen System herrschte hier das reinste Chaos. Die Flugbahnen von Schiffen und sogar ganzen Verbänden kreuzten sich auf eine Art und Weise, dass sich nur für einen insektoiden Verstand daraus irgendeine Art von Logik ableiten ließ. Für Frank wirkte das alles beinahe … willkürlich.

Er schüttelte leicht den Kopf, während er das Chaos ringsum begutachtete, und fragte sich insgeheim, ob die Ordnung des Schiffsverkehrs in einem terranischen System für die Til-Nara wohl ebenso befremdlich wirkte wie das hier auf ihn.

Die Til-Nara hatten ihnen vor dem Flug ins innere System einen temporären IFF-Code übermittelt, der die terranischen Schiffe als Verbündete auswies. Kein Schiff ohne gültigen Code durfte Et/ero anfliegen. Wäre eine Besatzung dennoch so vermessen gewesen, einen derartigen Versuch zu starten, dann hätten sie nicht einmal das Schwerkraftfeld erreicht. Die Wachschiffe hätten sofort reagiert und den Eindringling zerstört. Die Gültigkeit des Codes erlosch augenblicklich nach Verlassen des Systems, sodass man für den nächsten Besuch einen neuen anfordern musste. Die Til-Nara waren paranoid, was Sicherheit betraf. Bei einem Gegner wie den Ruul konnte das aber beileibe kein Fehler sein.

Voraus kam die Vigilantes in Sicht und der Pilot setzte zur Landung an. Kaum berührten die Kufen des kleinen Schiffes das blank polierte Metall des Hangarbodens, kam bereits ein Ordonnanzoffizier zielstrebig darauf zu. Die Luke öffnete sich und Frank schlenderte herab.

Die Ordonnanz salutierte. »Commodore Taylor?« Frank nickte. Der junge Lieutenant lächelte. Allerdings war klar, dass er dies lediglich als Pflicht empfand. Die Regung erreichte seine Augen nicht und auch sonst verzog er keine Miene. »Würden Sie mir bitte folgen?«

Ohne auf eine Antwort zu warten, drehte sich der Lieutenant um und steuerte den Ausgang des Hangars an. Frank blieb nichts anderes übrig, als diesem zu folgen.

Der Ordonnanzoffizier führte ihn durch eine Vielzahl fast identisch wirkender Gänge, in denen die Besatzung des Schlachtschiffes ihren Dienst versah. Alles wirkte ordentlich und straff organisiert. Aber eigentlich hatte Frank nichts anderes von einem Laszlo Dushku erwartet. Sie erreichten eine Tür, vor der zwei Marines auf Posten standen. Die Ordonnanz blieb zurück, während die beiden Posten strammstanden und salutierten. Einer löste sich aus der Haltung und öffnete die Tür, sodass Frank den Besprechungsraum betreten konnte.

Er machte einen Schritt hinein und blieb schlagartig stehen. Der Marine schloss die Tür hinter ihm fast geräuschlos. In der aufkeimenden Stille klang aber bereits dieser kleine Laut, als würde eine Kirchturmglocke durch den ganzen Raum hallen. Alle Augen richteten sich auf ihn. Er war offenbar der Letzte, der erwartet wurde. Frank bemühte sich, den Kloß in seinem Hals hinunterzuschlucken. Er war während der Schulzeit nie zu spät zum Unterricht gekommen, allerdings konnte er sich vorstellen, dass genau dieses Gefühl in einer solchen Situation zu erwarten sei.

Dushku saß am Kopfende des Tisches und sah demonstrativ auf die Uhr. Frank verkniff sich eine ungeduldige Reaktion. Er war schließlich so schnell gekommen, wie es ihm möglich gewesen war. Da sein Geschwader das Schlusslicht der Formation bildete, hatte er den weitesten Weg gehabt. Dushku schien dies aber keineswegs zu kümmern.

Frank erwog, sich wegen seines Zuspätkommens zu entschuldigen, obwohl er logisch betrachtet nichts dafür konnte. Er entschied sich dagegen. Es hätte die Situation nicht verbessert und Dushku hätte es darüber hinaus vermutlich sogar als Zeichen der Schwäche gewertet. Aus diesem Grund begab sich Frank an den letzten freien Platz in der Runde und setzte sich. Sobald sein Hintern den Stuhl berührte, nahm er sich Zeit, jeden Einzelnen mit kurzem Nicken zu begrüßen. Er war sich selbst nicht sicher, ob er es aus Höflichkeit tat oder einfach, um Dushku zu ärgern, da es den Beginn der Besprechung zusätzlich verzögerte. Die Mehrzahl der anwesenden Offiziere brachten wohl Verständnis für ihn auf. Sie erwiderten sein Nicken zumeist neutral, einige freundlich. Ein paar der Anwesenden lächelten sogar.

Bei fünf der anwesenden Offiziere handelte es sich um die Divisionskommandeure der Flotte – genau wie Frank einer war. Bei zwei weiteren handelte es sich um Marines. Einen kannte Frank bereits vom Sehen: Lieutenant General Boris Kusnezow, den Befehlshaber der Bodentruppen ihrer kleinen Exkursion. Bei dem schlanken Lieutenant Colonel mit den breiten Schultern und dem charakteristischen Kurzhaarschnitt musste es sich um dessen ranghöchsten Offizier und damit um dessen Stellvertreter handeln.

Des Weiteren waren die drei MAD-Offiziere Captain Harriman Bates sowie die Lieutenants Lory Roberts und Haruto Ihara anwesend.

Dushku räusperte sich übertrieben. »Da wir nun endlich vollzählig sind, können wir ja anfangen.«

Frank ließ den unausgesprochenen Tadel ohne jede Gefühlsregung über sich ergehen. Es hatte nicht den geringsten Sinn, dagegen aufzubegehren. Er konnte eine solche Auseinandersetzung nicht gewinnen. Nicht hier, nicht jetzt und nicht gegen einen Mann wie Dushku.

Der Admiral nickte dem ranghöchsten MAD-Offizier im Raum zu. Captain Harriman Bates erhob sich und warf einen Blick in die Runde, bevor er mit seiner tiefen Baritonstimme zu sprechen begann.

»Obwohl wir seit Beginn des Krieges eng mit den Til-Nara zusammenarbeiten, wissen die meisten so gut wie nichts über unsere insektoiden Verbündeten. Aus diesem Grund werde ich mit ein paar einleitenden Worten zur Gesellschaft der Til-Nara meinen Bericht beginnen. Es ist wichtig, dass allen Anwesenden klar ist, mit was für Wesen wir es zu tun haben, um die zu erwartenden kulturellen Probleme und Missverständnisse auf ein Minimum zu reduzieren.«

Bates betätigte einen Knopf und über dem Tisch wurde eine Karte des Til-Nara-Territoriums sowie der Nerai-Sphäre projiziert. Die von den Insektoiden gehaltenen Systeme wurden in Grün dargestellt, die von den Ruul okkupierten Welten in Gelb.

»Was wir als Til-Nara-Hegemonie kennen und als einheitliches Reich verstehen, sind in Wirklichkeit drei separate Reiche, die sich vor langer Zeit zusammengeschlossen haben.«

Bates betätigte erneut einen Knopf und das Til-Nara-Reich wurde in drei fast gleich große Teile gespalten. »Die drei Til-Nara-Territorien nennen sich Asken-dor, Asken-tal und Asken-van. Daraus resultieren auch verschiedene Begriffe: Die Königin des Asken-dor-Reiches nennt sich zum Beispiel Dor-Vaniri. Dabei handelt es sich um den Titel, nicht um den Namen. Das darf nie verwechselt werden! Des Weiteren ist der Titel des Oberbefehlshabers der Asken-dor-Streitkräfte Dor-shri. Die Titel der Königinnen sowie der Oberbefehlshaber der anderen zwei Reiche muss ich wohl nicht extra benennen. Das Prinzip der Titelgebung dürfte klar sein. Als die Til-Nara sich zusammenschlossen, gab es noch Unterschiede in diesen Rassen, sowohl gesellschaftlicher als auch anatomischer Art. Inzwischen sind diese nicht länger existent. Die Til-Nara sind eine einheitliche Spezies geworden. Es gab vor Tausenden von Jahren ein viertes Reich. Dieses spaltete sich ab und wurde zur Nerai-Sphäre. Zwischen den Til-Nara und den Nerai gab es im Lauf der Zeit mehrere größere Kriege und unzählige Grenzscharmützel sowie kleinere Auseinandersetzungen. Obwohl hin und wieder ein System den Besitzer wechselte, blieb die Demarkationslinie relativ konstant. Keine der beiden Seiten konnte nennenswerte Gebietsgewinne verbuchen, aus denen man folgern könnte, dass jemand gewonnen hätte.«

Frank beugte sich interessiert vor und betrachtete den Frontverlauf zwischen Til-Nara und Nerai auf der einen Seite sowie den Insektoiden und den Ruul auf der anderen. Währenddessen fuhr Bates fort. »Die Nerai haben seit Beginn des Krieges mehr als ein Drittel ihres Territoriums an die Ruul verloren. Bei den Til-Nara sieht es ähnlich katastrophal aus. Anfänglich umfasste die Hegemonie mehr als dreihundert Systeme. Sie ist inzwischen auf annähernd zweihundert zusammengeschrumpft, wobei die meisten Gebietsverluste auf die erste ruulanische Angriffswelle zurückzuführen sind. Die Ruul gingen dabei äußerst raffiniert zu Werke. Sie konzentrierten sich anfangs auf die Brutplaneten der Til-Nara und eroberten fünf von ihnen. Gleichzeitig überrollten sie die Verteidigung Dutzender Welten.

Die Til-Nara sind in der Lage, unter so gut wie allen Umweltbedingungen zu siedeln. Aber zur Fortpflanzung sind sie von ganz bestimmten umweltbedingten Faktoren abhängig. Ein insektoides Volk wie die Til-Nara ist auf ihre Brutplaneten angewiesen. Ohne diese ist es für sie schwierig, ihr Militär wieder aufzustocken und zum Gegenangriff überzugehen. Die Til-Nara haben sich von diesem schweren Schlag bis heute nicht gänzlich erholt. Die Ruul wussten ganz genau, wie und wo sie die Til-Nara treffen mussten. Seit der ursprünglichen ersten Welle haben die Slugs in weiteren Wellen noch zwei Brutplaneten erobert und damit die prekäre Situation der Til-Nara zusätzlich verschärft.«

Frank hob den Kopf und zeigte damit, dass er das Wort ergreifen wollte. Bates nickte ihm zu. »Ja, Commodore?«

»Welches der drei Reiche hat die meisten Systeme verloren?«, wollte er wissen.

»Asken-dor«, erwiderte Bates. »Sogar mit großem Abstand. Ungefähr fünfzig Prozent der gefallenen Systeme gehören diesem Til-Nara-Clan an.«

Dushku rümpfte die Nase. »Ich weiß nicht, was das für uns für eine Rolle spielt.«

Bevor Frank den Sinn hinter seiner Frage erläutern konnte, kam ihm der MAD-Agent zu Hilfe. »Die Frage ist sogar äußerst clever«, fuhr er dem Admiral in die Parade. »Darauf wäre ich ohnehin noch zu sprechen gekommen. Die Politik innerhalb der Til-Nara ist ein fragiles Gleichgewicht, das von Intrigen und dem Schmieden von Allianzen geprägt ist. Der Verlust derart vieler Systeme hat den Status der Königin Dor-Vaniri geschwächt. Wäre kein Krieg, wäre sie bereits abgesetzt, getötet und an die Larven der beiden anderen Reiche verfüttert worden. An ihrer statt wäre eine andere Königin eingesetzt worden. Sie kann von Glück reden, dass sie noch benötigt wird, um das Reich in Kriegszeiten zu regieren und zusammenzuhalten. Die beiden anderen Königinnen wollen die Lage durch einen Machtwechsel nicht zusätzlich destabilisieren.« Bates warf Dushku einen eindringlichen Blick zu. »Wir sollten äußerst vorsichtig im Umgang mit dem Triumvirat sein. Für die Til-Nara sind wir Außenstehende. Gut möglich, dass sie uns lediglich als bloße Schachfiguren in diesem Spiel um die Macht ansehen. Ich möchte dringend raten, dass wir uns nicht in ihre Machtspielchen hineinziehen lassen.«

Dushku schnaubte. »Was hätten die Til-Nara davon? Ein solcher Versuch würde lediglich das Bündnis gefährden und das würde niemandem helfen.«

Bates legte den Kopf leicht auf die Seite. »Wir haben es mit insektoiden Wesen zu tun, nicht mit Menschen. Wir dürfen ihnen keine menschlichen Denkmuster unterstellen. Wer weiß schon, was in einem insektoiden Gehirn vor sich geht? Wie gesagt, ich rate zur Vorsicht.«

»Zur Kenntnis genommen«, erwiderte Dushku.

Frank wandte leicht den Blick ab, damit niemand seine Verachtung für Dushku an seinem Gesicht ablesen konnte. Der Mann verhielt sich in höchstem Maße dumm und uneinsichtig. Bates’ Einwände waren berechtigt. Die Expeditionsstreitmacht durfte sich nicht in interne Machtkämpfe verwickeln lassen. Der Verdacht überkam Frank, dass Dushku die Bedenken des MAD-Agenten nur deshalb nicht ernst nehmen wollte, weil dieser ihm zuvor geholfen hatte. Frank richtete sich auf und hoffte, dass die vorübergehende Entgleisung seiner Mimik niemandem aufgefallen war. Er hatte bereits genügend Probleme, auch ohne dass sich seine Verachtung für Dushku herumsprach. Als er aufblickte, bemerkte er jedoch Lory Roberts, die ihn nachdenklich musterte. Die MAD-Agentin lächelte rätselhaft, als Franks Blick den ihren kreuzte.

»Und wie ist die derzeitige strategische Lage?«, wechselte Dushku das Thema.

Bates zuckte die Achseln. »Da gibt es leider nicht viel zu berichten. Zumindest nichts Positives. Die Fronten stagnieren. Es gibt regelmäßig Vorstöße beider Seiten in das jeweils andere Gebiet, aber der Verlauf der Hauptkampflinie bleibt dabei relativ stabil. Vor drei Monaten gab es eine große Schlacht in einem System namens Orm/aldy. Die Til-Nara versuchten, einen ihrer Brutplaneten wieder unter Kontrolle zu bringen.«

Frank sah auf. »Und das Ergebnis?«

Bates seufzte. »Niederschmetternd. Es wurde ein Patt. Die Til-Nara konnten sich im System festsetzen, aber es gelang ihnen nicht, sich zum Planeten durchzukämpfen. Außerdem erlitten beide Seiten schwere Verluste.« Bates warf Dushku einen leicht verzweifelten Blick zu. »Ich sage es nicht gern, aber ich befürchte, die Til-Nara brauchen dringend unsere Hilfe, wenn sie den Stellungskrieg beenden wollen, der zwischen ihnen und den Slugs herrscht.«

Dushku dachte einen Augenblick über die Worte des MAD-Agenten nach und nickte ihm zu. »Danke, Captain Bates.«

Der MAD-Agent setzte sich wieder.

Dushku sah sich in der Runde um. »Irgendwelche Anmerkungen zu dem gerade Gehörten?«

Niemand sagte etwas. Die Til-Nara gingen selbst nach den Jahren des Bündnisses mit den Menschen nicht sehr verschwenderisch mit Informationen um. Dass es in der Hegemonie so schlecht stand, davon hatte kaum jemand im Konglomerat überhaupt eine Ahnung. Frank jedenfalls wurde davon völlig überrumpelt. Wenn man den Begriff Insektoid hörte, dann dachte man dabei unwillkürlich an Massen von Soldaten und einen schier unerschöpflichen Nachschub. Dass es bei ihnen jedoch auch eng werden könnte, auf den Gedanken kam man nicht.

Frank sah auf. »Gibt es bereits einen Plan, wie unsere Hilfe aussehen soll? Ich meine, gibt es schon konkrete Angriffsziele?«

Dushku antwortete nicht, sondern sah vielsagend in Bates’ Richtung. Dieser schüttelte den Kopf. »Falls ja, wurden sie uns noch nicht mitgeteilt. Ich bin mir aber sicher, unsere Hilfsleistungen richten sich auf die Rückeroberung von mindestens zwei Brutplaneten. Vier wären sogar ideal. Damit könnten die Til-Nara ihre Kräfte so weit aufstocken, dass sie wieder eine ernst zu nehmende Macht in diesem Teil des Weltraums werden. Sie könnten sich zu einem echten Problem für die Slugs entwickeln. Aber wie gesagt, dafür brauchen sie diese verdammten Planeten zurück.«

Frank zog eine Augenbraue hoch. »Aber was können ein paar Hundert terranische Schiffe erreichen, was Tausende von Til-Nara-Einheiten nicht geschafft haben? Welchen Unterschied bringt unser Erscheinen?«

Bates öffnete den Mund, doch Dushku kam ihm zuvor. »Taktische Flexibilität. Terranische Schiffe besitzen Möglichkeiten, über die Til-Nara-Schiffe nicht verfügen. Zum Beispiel die Möglichkeiten des Fernkampfes. Til-Nara-Einheiten sind schwer bewaffnet und stark gepanzert, aber die Reichweite ihrer Waffen ist auf kaum mehr als Nahkampfdistanzen begrenzt. Wir werden gemeinsam mit unseren Verbündeten in eine Kampfzone springen und dann eskortieren wir sie ins innere System. Nah genug, dass die Til-Nara ihre Feuerkraft in die Waagschale werfen können. Das wird unser Auftrag sein. Und ich denke, das ist zu schaffen.« Dushku räusperte sich und sah erneut in die Runde. »Vor unserer Abreise habe ich persönlich mit der Präsidentin gesprochen. Sie hat mir mitgeteilt, von welch essenziellem Interesse unser Auftrag für das Konglomerat, die Koalition und die Kriegsanstrengungen sind. Unsere Mission besteht darin, dafür zu sorgen, dass unsere Verbündeten wieder ihre volle Schlagkraft erlangen, damit wir diesen verfluchten Krieg endlich beenden können. Schiffe haben die Til-Nara genug. Ihre Werften produzieren mit hundertprozentiger Auslastung. Nur an Drohnen, um diese auch zu bemannen, mangelt es ihnen. Und wir sorgen dafür, dass sich das ändert.«

Frank wollte noch etwas einwenden. Bevor er dazu kam, öffnete sich die Tür und ein Adjutant betrat den Raum. Er eilte an die Seite des Admirals und flüsterte diesem etwas ins Ohr. Dushku nickte angespannt. Er warf einen vielsagenden Blick in die Runde. »Alle weiteren Erörterungen müssen warten. Wir haben unsere Parkposition erreicht. Das Triumvirat hat bereits eine Einladung geschickt, sie aufzusuchen. Kehren Sie auf Ihre Schiffe zurück. Ich informiere Sie zu gegebener Zeit über das Ergebnis der ersten Zusammenkunft.«

Die Divisionskommandeure erhoben sich und verabschiedeten sich mit gedämpften Stimmen. Sie befanden sich in der Heimat ihrer Verbündeten, trotzdem hatte man irgendwie das Gefühl, im Feindesland festzusitzen. Es war eine irrationale Emotion, aber nichtsdestoweniger war sie vorhanden.

Frank streifte seine Uniform glatt und machte sich wie alle anderen bereit, auf sein Schiff zurückzukehren. Dushkus Stimme hielt ihn jedoch zurück.

»Commodore Taylor? Sie werden mich auf die Oberfläche begleiten. Gemeinsam mit unseren Offizierskollegen vom MAD.«

Frank behielt eine sorgsam neutrale Miene bei und bestätigte den Befehl mit einem Nicken. »Ich werde noch kurz der Saber Bescheid geben.«

Dushku verzog die Miene zu einem kurzen, nicht sehr sympathischen Grinsen. »Das wurde schon erledigt«, meinte der Admiral leichthin.

Frank schluckte eine zornige Entgegnung herunter. Das wäre eigentlich seine Aufgabe als Kommandant gewesen. Sein Blick und der des Admirals kreuzten sich und die Temperatur im Raum schien für einen Augenblick um ein paar Grad abzusacken. Frank rief sich unwillkürlich in Erinnerung, dass es sich nicht nur beim Raum der Til-Nara um Feindgebiet handelte.

Der Ruul-Konflikt 15: Operation Himmelswolf

Подняться наверх