Читать книгу Die Templer im Schatten 2: Blutregen - Stefan Burban - Страница 4

Kapitel 1

Оглавление

Eine einsame Gestalt eilte durch die Straßen des nächtlichen Paris. Die Füße desjenigen schienen kaum den Asphalt zu berühren. Wer seinen Weg kreuzte, der machte schnell Platz. Der Krieger wirkte wie der Ingrimm auf zwei Beinen und niemand wollte sich freiwillig mit ihm anlegen. Der Mann trug einen langen Mantel, der im Wind flatterte. Das Gesicht des Ritters war durch die tief in die Stirn gezogene Kapuze verborgen. Der Mann trug ein langes Schwert an der Seite. Seine linke Hand lag die ganze Zeit über auf dem Kauf.

Der Schrei einer Frau hallte durch die Nacht. Der Mann hielt inne und hob das Haupt. Die Straßen in diesem Teil der Stadt waren um diese Zeit praktisch menschenleer. Hätte ihn aber jemand beobachtet, er hätte den Eindruck gewinnen können, der Mann in dem Mantel nehme Witterung auf.

Der Ritter beschleunigte erneut seine Schritte, nach wenigen Metern rannte er. Er folgte einer Spur, die außer ihm niemand wahrnehmen konnte. Ein weiterer Schrei hallte durch die Straßen des nächtlichen Paris. Der Mann hielt inne, allerdings nur für einen Moment, bevor er sich erneut in Bewegung setzte. Er stoppte erst in einer Gasse im Armenviertel. In der Ferne waren die gewaltigen Umrisse der Kathedrale Notre-Dame zu erkennen. Das Mammutprojekt befand sich in der dritten Bauphase und sie nahm langsam Gestalt an.

Der Mann in dem Mantel hatte jedoch keinen Sinn für die Schönheit des Bauwerks. Nicht heute Nacht. Seine volle Aufmerksamkeit galt der jungen Frau, die mit aufgerissener Kehle auf dem blanken Asphalt lag. Der Ritter kniete sich neben ihren Leichnam und strich ihr sanft das lange brünette Haar aus dem aschfahlen Gesicht. Mitleid überkam ihn. Sie konnte sechzehn Lenze noch nicht überschritten haben. Ein junges, unschuldiges Ding. Noch ein halbes Kind, das ihrer Kleidung nach vermutlich aus einer der Handwerksfamilien in der Nähe stammte.

Der obere Teil ihres Kleides war zerrissen, die Kehle von mehreren Bissen punktiert worden. Das arme Ding war von mindestens drei dieser Bestien angefallen worden. Der Mann knurrte leise. Diese dreckigen Bastarde waren wie Tiere in ihrem Wahn nach Blut.

Er drehte ihren Kopf sanft zur Seite. Es gab kaum Blut auf dem Boden. Nur einige wenige Tropfen benetzten die Steine. Die Vampire hatten nichts vergeudet, sondern das Mädchen innerhalb von Sekunden ausbluten lassen. Sie waren gierig. Reichhaltige Jagdgründe wie Paris hatten sie maßlos werden lassen – maßlos und … unvorsichtig.

Unvermittelt stieg ihm ein anderer Duft in die Nase. Er war eindeutig nicht menschlich. Er sah auf. Drei Gestalten standen ihm gegenüber: zwei schlanke hochgewachsene Männer und ein dritter sehr viel bulligerer und muskulöserer; Letzterer war fast schon so breit wie hoch.

Der Ritter erhob sich aus seiner knienden Position und schlug die Kapuze zurück.

Christian d’Orléans funkelte seine Gegenüber warnend an. Seine gelben Pupillen blitzten im Schein der spärlichen Straßenbeleuchtung.

Der bullige Vampir hob den Kopf, schnupperte vielsagend in der kalten Nachtluft und wandte sich anschließend seinen beiden Kumpanen zu. »Fremder Geruch«, kommentierte er wortkarg.

Christian lächelte bar jeder Gefühlsregung. »Irgendetwas sagt mir, dass du nicht das Gehirn hinter dieser Truppe bist.«

Einer der anderen Vampire trat vor ins Licht einer Straßenlaterne. Wäre er noch ein Mensch, ginge er wohl als Schönling durch. Doch seine Attraktivität war überschattet von Finsternis und Bösartigkeit. Die Grausamkeit stand ihm ins Antlitz geschrieben. Christian kannte diesen Typ. Dieser Vampir hatte sich völlig seinem Dasein ergeben und genoss den Durst. Er suhlte sich darin wie ein Schwein in seinem eigenen Dreck. Er hatte nicht den leisesten Zweifel, dass ihm hier der Anführer des örtlichen Nests gegenüberstand.

»Aber er hat recht«, meinte der Beau. »Du gehörst nicht zu unserer Sippe. Du verschwindest besser. Das ist unser Revier und wir teilen unsere Beute nicht.«

Christian verzog vor Abscheu leicht die Miene. »Und wenn ich nicht gehe?«

Der Schönling lachte lauthals auf und deutete auf den bulligen Vampir neben sich. »Dann reißt dir Jean nacheinander Arme und Beine aus. Und zum Schluss ist der Kopf dran, damit du auch ja nichts verpasst. Das hat er schon getan. Halte das bloß nicht für eine leere Drohung.«

Christian baute sich vor dem Trio breitbeinig auf. Er sagte kein Wort, aber die Drohung war offenkundig. Der Schönling stutzte für einen Moment. Er war Derartiges offenbar nicht gewohnt. Rüpel regierten mit Angst. Egal ob Mensch oder Vampir, sie waren alle gleich. Es handelte sich schlicht um Feiglinge, die die Angst anderer nutzten, um sich selbst groß zu fühlen. Es genügte, sich ihnen in den Weg zu stellen, um sie zu verunsichern. Mit dem Mut ihrer Gegenüber konnten sie nicht umgehen.

Tatsächlich wirkte der Schönling nachdenklich, doch dann zuckte er die Achseln und gab dem bulligen Kerl mit Namen Jean ein knappes Zeichen. Dieser kam mit bösartigem Grinsen auf Christian zu.

Der Ritter wartete, bis Jean nur noch wenige Schritte entfernt war – dann schlug er die linke Seite seines Mantels zurück. Zum Vorschein kam die schwarze Scheide eines Schwertes. Ein unübersehbares schwarzes Templerkreuz prangte als Wappen darauf. Christian zog in einer fließenden Bewegung die Klinge, geschmiedet aus Stahl und mit Silber überzogen, gesegnet vom Heiligen Vater in Rom persönlich. Eine Waffe, tödlich für alle Kreaturen der Dunkelheit.

Der Schönling zischte. »Es ist einer von … denen

Jean reagierte für seine Größe und Masse außergewöhnlich schnell. Er zog zwei kleine Kurzschwerter aus einer versteckten Scheide auf dem Rücken. Er war geschickt, aber bei Weitem nicht geschickt genug. Der geübte und erfahrene Tempelritter sprang vor, seine Klinge beschrieb einen weiten Bogen. Jean bemühte sich um eine ernst zu nehmende Abwehr. Christians Klinge durchtrennte beide Kurzschwerter knapp über der Parierstange und anschließend Jeans Hals. Die beiden zerbrochenen Klingen klapperten über den Asphalt. Für Sekunden waren es die einzigen Geräusche. Jeans Gestalt hielt noch für den Bruchteil eines Augenblicks die Form, zerfiel dann zu Staub und bildete ein Häufchen neben der Leiche der jungen Frau. Die Kleider, nun ihres Inhalts beraubt, lagen nur knapp daneben.

Der Schönling zog sein Schwert. Seine Hände zitterten. Christian war kein Freund des Tötens, aber das hier würde er wahrlich genießen. Der Anführer des Vampirnests machte einen Schritt rückwärts. Sein Impuls riet ihm zur Flucht. Nur das Wissen, dass Christian ihn einholen und zur Strecke bringen würde, hielt ihn zurück.

Der Kerl hatte Angst. Er stank aus jeder Pore danach. Christian griff mit atemberaubender Schnelligkeit an. In seinen kämpferischen Fähigkeiten war er fleischgewordene Eleganz. Im Vergleich bewegte sich der Schönling steif und schwerfällig. Er hatte nicht den Hauch einer Chance.

Christians Schwert wischte dessen Abwehr mühelos beiseite. Die geweihte Klinge glitt durch die Bauchdecke seines Gegners. Dieser schrie schrill auf. Christian fragte sich, ob dieser wohl nun dieselbe Angst spürte, die sein Opfer gefühlt haben musste, bevor man es grausam abgeschlachtet hatte. Der Schönling raffte sich ein letztes Mal auf und schlug mit dem eigenen Schwert nach dem Tempelritter. Abermals wischte dieser die Klinge seines Kontrahenten einfach aus der Luft.

Der geweihte Stahl mit der Silberbeschichtung glitt aufwärts und drang durch das Kinn in den Kopf seines Gegners ein. Wo auch immer das Silber es berührte, da begann das Fleisch des Vampirs zu qualmen, zu verkohlen und verbrannt vom Körper abzufallen. Der Schönling schrie vor Schmerzen. Der Schrei endete erst, als die Klinge den Kopf des Vampirs vollständig durchquert und dabei auch das Gehirn in zwei Teile gespalten hatte. Der Körper des Nun-nicht-mehr-so-Schönlings zerfiel, wie auch der seines Kumpans Jean es zuvor getan hatte.

Christians Blick richtete sich auf den dritten Vampir. Dieser hatte den Tod seiner zwei Brüder stocksteif mit angesehen. Er schien es gewohnt zu sein, Beute einzuschüchtern, bevor er über sie herfiel. Einem Gegner standzuhalten, der es vermochte, sich zu wehren, überstieg dessen Fähigkeiten bei Weitem. Der Tod des Schönlings ließ die Schockstarre von dem dritten Vampir abfallen. Dieser drehte sich um und rannte, so schnell seine Beine ihn trugen, davon.

Er kam nicht weit. Ein Schatten erhob sich auf einem Dach und löste sich von dem Schornstein, hinter dem er sich verborgen gehalten hatte. Behände segelte die Gestalt auf die Straße hinab. Ein silberner Schemen zischte durch die Luft und schlug dem dritten Vampir den Kopf von den Schultern. Kopf und Körper lösten sich zu Staub auf, noch bevor sie auf den Boden aufschlagen konnten.

Christian nickte seinem Waffenbruder dankbar zu. Hendrick de Videre säuberte seine Klinge von den Resten des gerade getöteten Vampirs, indem er seinen Mantel nutzte. »Drei Menschenfresser erledigt«, meinte der Ritter aus Flandern. »Nicht schlecht für eine Nacht Arbeit.«

»Wir sind noch nicht fertig«, korrigierte Christian.

Hendrick sah auf. »Noch mehr von denen?«

Christian nickte und deutete auf ein oberflächlich betrachtet leer stehendes, halb verfallenes Gebäude am Ende der Gasse.

Hendrick hob Witterung aufnehmend den Kopf. Als er ihn wieder senkte, zog er ungläubig beide Augenbrauen hoch. »Das ist doch jetzt nicht wahr?!«

Christian nickte. »Sie haben Beute in der Nähe ihres Nestes gemacht.«

Hendrick schnaubte. »Ein schlimmer Fehler.«

»Sie waren zu arrogant. Zu selbstgefällig.«

Hendrick zog einen Mundwinkel leicht nach oben. »Ob sie schon wissen, dass ihren Anführer das Zeitliche gesegnet hat?«

Christian lächelte. »Überbringen wir ihnen doch einfach die traurige Botschaft.«

Mit weit ausgreifenden Schritten ging Christian auf das verfallene Haus zu. Hinter ihm stieß Hendrick einen kurzen Pfiff aus. Die Nacht wurde lebendig, als sich weitere Schatten von den Dächern lösten und um ihren Anführer sammelten. Als Christian die verrammelte Eingangstür erreichte, befanden sich fünfzig Templer im Schatten in seiner unmittelbaren Nähe.

Er blieb stehen, holte mit seinem Fuß aus und trat die Eingangstür mit einem fürchterlichen Tritt auf. Falls die Vampire noch nicht wussten, dass sich etwas zusammenbraute, spätestens nun dürfte es ihnen klar sein. Ekelhafter Geruch nach Tod und Verwesung schlug ihm entgegen. Gestank, der in einem Armenviertel nicht weiter auffiel. Deshalb hatten sie dieses Gebäude als Standort für ihr Nest gewählt.

Christian packte das Heft seines Schwertes fester. »Niemand entkommt«, schwor er seine Ritter auf den bevorstehenden Kampf ein. »Dieses Nest geht heute Nacht unter. Mit Mann und Maus.«

Zustimmendes Gemurmel antwortete ihm, während er den Fuß in das Vampirnest setzte. Seine Ritter folgten ihm – und die Hölle brach los.

Die Templer im Schatten 2: Blutregen

Подняться наверх