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Unser erstes London-Abenteuer
London calling – voller Vorfreude fuhren wir nach London: Stefan hatte ein Bild gekauft, und der Künstler wollte uns gleich drei Auftrittsmöglichkeiten organisieren. Es kam zwar alles anders als geplant, und zwar wirklich alles – trotzdem ist unser erstes London-Abenteuer eine tolle Erinnerung.
Eines Tages bekamen wir auf MySpace eine Nachricht aus England. Sie stammte von La Toupét, einem französischen Künstler, der in London lebte und dort in seinem Atelier, wie er uns schrieb, zu unserer Musik seine Bilder malte. Neugierig klickten wir uns durch die MySpace-Galerie, in der einige seiner Arbeiten zu sehen waren.
Eines der Bilder, darauf zwei Augen mit Flügeln, gefiel Stefan so gut, dass er es unbedingt kaufen wollte. Der Preis: stolze 600 Euro. Aber Stefan war so begeistert von La Toupéts Arbeit, dass er ohne Zögern einwilligte. Allerdings nur unter einer Bedingung: La Toupét, der sich ja offenbar in Londons Clubszene auskannte, sollte uns doch bitte einen Auftritt in London besorgen. Anschließend würde Stefan das Geld überweisen und das Bild schließlich beim Besuch in Großbritannien mit nach Deutschland nehmen. Kein Problem für La Toupét, wie er schrieb: Er habe uns gleich drei Gigs in London organisiert. Voller Vorfreude packten wir unsere Sachen und machten uns auf den Weg. Endlich in England spielen, noch dazu in London! Wo der Geist der Beatles durch die Clubs wehte, in die Welt der Abbey Road Studios und der Royal Academy of Music – da würde unser Weg nun hinführen! Ein langgehegter Traum schien endlich in Erfüllung zu gehen.
Aber als wir ankamen, mussten wir feststellen, dass La Toupét den Mund wohl etwas zu voll genommen hatte. Denn von den drei versprochenen Auftritten war exakt keiner organisiert worden. Auch die Sache mit dem Bild, das Stefan von La Toupét erworben hatte, stellte sich etwas komplizierter dar als ursprünglich gedacht. Denn wie der geniale Maler vor Ort kleinlaut gestehen musste, war das Kunstwerk gerade mal so groß wie eine Briefmarke – und befand sich zu allem Überfluss auch noch im Notizbüchlein des Künstlers. Trotz des bereits bezahlten Kaufpreises konnte Stefan das Bild also gar nicht überreicht bekommen. Als Entschädigung gab es immerhin einen Stapel Postkarten mit Motiven von La Toupét für Stefan – ein schwacher Trost für 600 Euro samt Anreise und Vorfreude auf drei Konzerte.
Vor dem K4 vertrieben wir uns die Zeit mit dem Hacky-Sack.
Endlich in England spielen, noch dazu in London!
Die Enttäuschung war uns allen und Stefan gleich doppelt anzusehen. Ein Gemütszustand, der auch unserem frankobritischen Künstlerfreund nicht entgangen war, weshalb er eine befreundete Musikmanagerin darum bat, sich mal in der Stadt umzuhören, ob sich mit ein bisschen Glück in den nächsten Tagen nicht doch noch hier und da eine Möglichkeit des Musikmachens für uns ergeben würde.
Wir hatten Glück. Den ersten Auftritt spielten wir noch am selben Abend in der Kommune von La Toupét. Das war ein in die Jahre gekommener Gebäudekomplex, in dem auf mehreren Etagen Künstler:innen aller Couleur lebten. Während eines der Stockwerke mit einer üppigen Marihuana-Plantage bepflanzt war – hervorragend gepflegt: die Monsterpflanzen wuchsen bis unter die Decke! –, gab es in einem weiteren Geschoss eine große Bühne, auf der Theateraufführungen stattfanden. Und da traten auch wir auf und gaben in schlechtem Englisch ein paar Songs zum Besten.
Unterwegs in London, natürlich mit Reiseführer in einem roten Doppelstockbus.
Sightseeing im Londoner Stadtteil Camden.
La Toupét hatte die Wände im K4 in seinem ganz eigenen Stil bemalt.
Unser nächster Gig fand im Favela Chic in Hackney im Nordosten der Stadt statt – und zwar im Rahmen einer Clubnacht für Balkan-Sounds. Während wir das Gefühl hatten, dass der Balkan-Hype in Deutschland schon wieder abebbte, war er in London gerade auf seinem absoluten Hoch.
Die Gage des Abends investierten wir natürlich umgehend in Bier – und Weed. Durch ein Versehen sogar jede Menge Weed. Und weil man auch eine fälschlicherweise erworbene große Menge Marihuana nicht einfach wegschmeißt, mussten wir das Kraut natürlich aufrauchen. Man muss allerdings dazu sagen, dass wir alle eher schlechte Kiffer sind, weshalb es uns im Anschluss auch dementsprechend mies ging.
Genau das wurde uns beim dritten Gig an diesem Abend dann zum Verhängnis. Noch bekifft stolperten wir in Lederhosen und ohne Schuhe, dafür aber mit unseren Instrumenten unterm Arm dem Türsteher des renommierten Jazz-Clubs »Uncle Sam’s« in die Arme – und der hatte natürlich Besseres zu tun, als uns in sein Etablissement zu lassen. Wir redeten auf ihn ein und versuchten ihm zu vermitteln, dass wir wirklich und wahrhaftig eine der Bands wären, die an diesem Abend in seinem Club »Uncle Sam’s« spielen sollte. Nichts zu machen. Erst, als zu unserem großen Glück die Musikmanagerin aus dem Bekanntenkreis von La Toupét aufkreuzte und ein Machtwort sprach, wurden wir schließlich hineingelassen.
Als wir dann endlich drin waren, machten wir es uns im hinterletzten Eck gemütlich – derart geschwächt vom Weed, dass wir möglicherweise sogar ein kleines Nickerchen einlegten. Wach wurden wir erst wieder, als wir auf der Bühne lautstark als berühmteste Brass-Band und der neue, heiße Scheiß aus Deutschland angekündigt wurden. Diese Vorschusslorbeeren konnten wir nun nicht unbedingt einlösen, aber immerhin fand ein australisches Pärchen den Auftritt ganz gut.
In den darauffolgenden Tagen vertrieben wir uns mit dem Spielen von Straßenmusik, mit Sightseeing und unzähligen Partien Hacky-Sack die Zeit. Dann ging es wieder zurück nach Bayern – zwar ohne das von Stefan gekaufte Bildchen, dafür aber mit jeder Menge neuem Selbstbewusstsein und einer neuen Identität als Band. Denn auch, wenn das wenige verdiente Geld für ein weiter im Notizbüchlein von La Toupét schlummerndes Bild und jede Menge Bier sowie Weed draufgegangen war, war die Reise nach London ein voller Erfolg – und die 600 und nochwas Euro somit ein mehr als gutes Investment.