Читать книгу 13 Mordfälle und eine Amour Fou - Stefan Hohler - Страница 10
Sadist
ОглавлениеEin Callgirl-Mörder, der im August 2008 in der Ostschweiz eine 30-jährige Thailänderin aus dem Zürcher Rotlichtmilieu ersticht, wird rechtskräftig lebenslänglich verwahrt: Es ist der erste und bisher einzige Fall nach dem Ja zur Verwahrungs-Initiative 2004.
«Ladarat, ein Kunde für dich.» Ein Freier aus dem Kanton Thurgau hat bei einem Escort-Service im Zürcher Rotlichtquartier angerufen und die zierliche Thailänderin für eine Nacht gebucht. Ladarat ist schon lange im Geschäft. Sie weiss, Männerwünsche zu erfüllen und ist entsprechend begehrt. Die 30-Jährige hat erreicht, wovon die meisten Prostituierten nur träumen können. Sie kassiert als Escort-Callgirl pro Nacht 2200 Franken. Ladarat schminkt sich, zieht Jeans und Bluse an, nimmt ihre braune Handtasche und lässt sich zum Freier nach Märstetten, einer kleine Gemeinde im Thurgau fahren. Während der Fahrt fragt sie sich, wie ihre siebenjährige Tochter und ihr Schweizer Ehemann wohl den Tag in Zürich verbracht haben und freut sich auf das freie Wochenende. Kurz nach Mitternacht erreichen sie das kleine Dorf und Ladarat steigt an der vereinbarten Strassenkreuzung aus. Der Kunde wartet bereits an einer Strassenlaterne auf sie, eine furchteinflössende Gestalt. Der bullig wirkende Schweizer hat tiefe Augenringe, ein vernarbtes Gesicht, einen zerzausten Bart und wallendes Haar. «Bist du sicher, dass du mit ihm gehen willst?», fragt sie der Chauffeur besorgt. «Keine Angst», erwidert Ladarat, «ich kenne ihn.» Sie steigt aus und instruiert den Fahrer nochmals, wo und wann er sie am nächsten Morgen abholen soll. Dann hakt sie beim Freier ein und zusammen verschwinden die Beiden in seine Wohnung in einem nahen Mehrfamilienhaus.
Obwohl Ladarat den arbeitslosen Lageristen bereits von einem früheren Sextreffen kennt, weiss das Escortgirl nicht, dass Mike A. eine dunkle Seite hat: er ist ein Sadist. Was in der folgenden Nacht geschah, kann nur der 41-jährige Mike A. sagen. Dazu schweigt er aber beharrlich. Sicher ist, Ladarat hatte Sex mit ihm, dies ergab später die Obduktion. Ob er das Callgirl während oder nach dem Geschlechtsverkehr mit zwei Messerstichen in die Brust tötete, ist unbekannt. Das Messer durchsticht Herz und Lunge. Ladarat muss noch in der Wohnung gestorben sein. Nach der Tat, packte Mike A. die nackte Leiche in einen Lederkoffer. Diesen schleifte er durchs Treppenhaus hinunter zur Garage, wo sein Puch-Maxi-Mofa stand. Dort befestigte er den Koffer auf dem Gepäckträger und fuhr davon. In einem Waldstück ausserhalb des Dorfes warf er den Koffer mit der Toten eine Böschung hinunter. Dann kehrte er zurück, duschte, reinigte Wohnung und Treppenhaus von Blutspuren sowie seine Kleider in der Waschmaschine.
Der Chauffeur des Begleitservices hatte ein ungutes Gefühl, als am nächsten Morgen Ladarat nicht wie vereinbart an der Strassenkreuzung in Märstetten wartete. Dies passte überhaupt nicht zur zuverlässigen Thailänderin, die an diesem Morgen auch sämtliche Handyanrufe unbeantwortet liess. Der Chauffeur ahnte Schlimmes und alarmierte die Polizei, die noch am gleichen Abend Mike A. verhaftete. Doch der gab sich ahnungslos, wollte nicht wissen, wo Ladarat war. Zuvor hatte die Polizei einen anderen Mann festgenommen: Den Vormieter von Mike A., unter dessen Namen der Lagerist die Prostituierte zu sich bestellt hatte. Die Polizei startete eine grosse Suchaktion nach dem spurlos vermissten Callgirl. Sie setzte Hunde, Helikopter und Taucher ein – ergebnislos. Ladarat blieb spurlos verschwunden. Sogar der Abfall der Thurgauer Gemeinde wurde beschlagnahmt, und Polizisten durchwühlten insgesamt neun Tonnen Haushaltkehricht nach Spuren der Frau.
Zwei Wochen nach der Vermisstmeldung wurde an alle Haushalte in und um die kleine Gemeinde ein Flugblatt mit dem Foto der Thailänderin verteilt: Eine hübsche Frau mit rötlichbraunem Haar und leicht melancholischem Blick. Ein Verbrechen könne nicht ausgeschlossen werden, stand auf dem Flyer. Sachdienliche Beobachtungen sollten der Polizei gemeldet werden. Auch dieses Fahndungsmittel zeigte keinen Erfolg. Es verstrichen weitere zwei Wochen, bis die Polizei die sterblichen, stark verwesten Überreste Ladarats fand: An einem Abhang im Wald ausserhalb des Dorfes, in einen Koffer gesteckt. Daneben ein Plastiksack mit ihren Kleidern und Schuhen und, an einem jungen Tännchen hängend, gebrauchte Latex-Einweg-Handschuhe.
Die Thurgauer Kantonspolizei suchte mit einem Flugblatt mit diesem Foto nach der vermissten Ladarat.
Zwei Phänomene ziehen sich wie ein roter Faden durch das Leben von Mike A.: seine dissoziale Persönlichkeitsstörung und sein sexueller Sadismus. Er liebt es, Frauen beim Sex zu würgen und mit einem Messer zu bedrohen. Schon als Schüler hat er in seiner Freizeit Fische aufgespiesst und Mäuse mit Strom gequält. Später werden seine Opfer Frauen sein. Das erste war eine junge Frau, die nach einem Dancingbesuch vom damals 22-jährigen Mike A. nach Hause begleitet wurde. Dort vergewaltigte und würgte er sie. Die Frau überlebte. Ein mutmasslich weiteres Opfer war eine Spielsalon-Aufseherin, deren verkohlte Leiche die Polizei später in einem abgebrannten Haus fand. Die Polizei vermutete, dass mit dem gelegten Brand die Spuren verwischt werden sollten. Zwar wurde Mike A. verhaftet und er legte ein Geständnis ab, welches er aber später widerrief. Nun kommt er richtig auf den Geschmack. Ein halbes Jahr später strangulierte er erneut eine Frau beim Sex und schnitt ihr in die Brust. Er wanderte für die beiden Sexualdelikte dreieinhalb Jahre ins Gefängnis, der Mord an der Spielsalon-Aufseherin konnte ihm nicht nachgewiesen werden. Seine Veranlagung, Frauen zu quälen, wurde zusehends abartiger. Zwei Jahre später fesselte er eine betrunkene Frau, vergewaltigte sie und schnitt ihr in die Brust. Erneut kam er für fünf Jahre ins Gefängnis. Eine Verwahrung wurde nie angeordnet, in beiden Fällen wurde er vorzeitig bedingt entlassen. Noch im offenen Strafvollzug heiratete Mike A. eine Frau aus seinem ehemaligen Bekanntenkreis.