Читать книгу Fledy - Stefan Häring - Страница 5
Kapitel 2
ОглавлениеFledy flog nur einige Minuten, als er plötzlich merkte, wie sein Magen knurrte. Daraufhin beschloss er eine Rast zu machen. An einem nicht so hohen Ast, des nächstgelegenen Baumes, hing er sich an. Er hätte auch einen höheren wählen können, doch da wären ihm viele Geräusche oder Ähnliches entgangen. Er nahm seinen Rucksack ab, entnahm ihm einige Nachtfalter und einige Fliegen und fraß sie genüsslich auf. Er hatte großen Hunger, da Fledermäuse an einem Tag fast die Hälfte ihres Körpergewichtes essen. Nachdem sein größter Hunger gestillt war, wurden seine Augenlider sehr schwer und er war der Meinung, ein kleines Nickerchen machen zu müssen. Er legte seinen Rucksack auf einen Ast über sich, schloss die Augen und legte seine Flügel um seinen Körper.
Die Sonne hatte gerade den höchsten Punkt überschritten, als Fledy aus seinem traumlosen Schlaf gerissen wurde.
“Bleib ruhig und beweg dich nicht!” dachte er, sah nach unten und konnte aber nur einen großen Schatten erkennen. Da war noch einer und beide kamen näher. Fledy konnte sie miteinander reden hören, verstand aber nur Bruchstücke.
“Wir..heute..nichts..lebt..”, sagte der erste Schatten.
“..bald..Hause..Mutter..mich..” gab der andere zurück. Fledy wurde daraus nicht schlau. Wer waren diese beiden Schatten? Sie hörten sich nach Menschen an. Er öffnete seine Flügel noch ein weiteres Stück und strengte seine Augen noch etwas mehr an. Dann erschrak er, es waren zwei Menschenkinder und sofort fiel ihm Hoppel und Stummel ein, die ihn gewarnt hatten. Er verschloss wieder seine Augen und schlang seine beiden Flügel so stark um sich, wie er es noch nie in seinem Leben getan hat.
“Lieber Gott der Fledermäuse, lass die beiden vorbei gehen, ohne dass sie mich entdecken!”, dachte er, doch die Geräusche kamen näher und Fledy verstand sie jetzt sehr gut.
“Hey, Klaus, sieh mal das schwarze Etwas, was dort oben im Baum hängt. Was mag das sein?”, fragte die erste Stimme.
“Es könnte ein Wespennest sein, Micha”, sagte der als Klaus gerufene Junge.
“Nein auf keinen Fall!”, entgegnete Micha und fuhr fort, “Sei leise! Ich werde vorsichtig hinaufklettern und es in meine Tüte stecken.”
Den letzten Satz konnte Fledy nicht mehr verstehen, da die beiden Jungen jetzt viel zu leise sprachen. Er hatte auch nicht den Mut seine Augen zu öffnen. Die Geräusche kamen näher und er fühlte einen zarten Windstoß. Jetzt, viel zu spät, öffnete er seine Augen. Um ihn herum war alles dunkel. Sofort versuchte er seine Flügel auszubreiten, was ihm aber nicht gelingen wollte. Aus heiterem Himmel erzitterte der Ast an dem er hing. Vor Schreck ließ er sich fallen und landete sanft in etwas Weichem. Dann hörte er wieder die Stimme von Klaus.
“Ich habe es in der Tüte mit dem Moos und es bewegt sich. Es ist ein Tier, vielleicht ein Vogel. Ich komme jetzt wieder langsam herunter, dann schauen wir gemeinsam nach.”
Fledy, der vor Angst zitterte und nicht wusste, was er tun sollte, merkte, dass er langsam hinunter getragen wurde.
“Zeig mir mal!”, rief Micha, nachdem Klaus wieder festen Boden unter den Füßen hatte.
Fledy fühlte sich überhaupt nicht wohl in seiner Haut. Wie sollte er da wieder herauskommen? Seine Augen gewöhnten sich schnell an die Dunkelheit in der Tüte. Er stellte fest, dass die Hülle seines Gefängnisses recht dünn war. Langsam konnte er auch wieder einen klaren Gedanken fassen. Die beiden Menschenkinder wollten ihn sich anschauen. Bis zu diesem Moment würde er sich ruhig verhalten, um dann im richtigen Augenblick loszuschlagen. Plötzlich war dort etwas Warmes, das ihn durch die Tüte versuchte zu umfassen.
“Ich kann nicht fühlen was es ist”, hörte er Micha sagen. “Lass uns vorsichtig hineinsehen!”
“Okay!”, kam sofort zur Antwort.“ Ich halte das Etwas fest, während du langsam die Tüte öffnest. Dann sehen wir gemeinsam hinein.”
Nun wurde Fledy unsanft umfasst. Dann drang ein immer größer werdender Lichtstrahl in sein Gefängnis. Er wand den Kopf und biss mit aller Kraft in die ihn umfassende Hand.
“Aaaaah, das Vieh hat mich gebissen!”, schrie Klaus und im selben Moment ließen beide vor Schreck die Tüte los. Das war für Fledy die Gelegenheit zu entkommen. Er breitete seine Flügel aus, und bevor die Tüte den Boden erreichte, war er wieder frei.
“Jetzt werde ich euch zeigen, was mit Kindern passiert, die versuchen Fledy zu fangen”, dachte er laut und flog so schnell er wie der Wind um die Kinder herum. Immer wieder stürzte er auf sie herab, biss sie in die Wangen oder Hände und kratzte mit seinen Krallen, wo er nur konnte. Die Menschenkinder waren so überrascht, dass sich ein Tier widersetzte, weshalb sie sich in den ersten Sekunden auch nicht wehrten. Laut schreiend versuchten sie dann mit um sich schlagenden Armen und Händen Fledy fortzuscheuchen. Da er mittlerweile auch am Tage ein guter Flieger war, hatten die beiden Jungen keinerlei Chance ihn zu erwischen. Als auch sie das merkten, rannten sie weg. Fledy verfolgte sie einige Minuten, kehrte dann aber um, flog zum nächsten Baum und hängte sich dort an einen Ast.
“Ich hätte nie gedacht, dass ich das heil überstehe. Jetzt muss ich mich erst einmal ausruhen und von dem Schreck erholen”, beschloss er. Kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende geführt, raschelte es im gegenüberliegenden Gebüsch.
“Haben die Beiden denn immer noch nicht genug?”, fragte er sich und schaute aufmerksamer in die Richtung. Im selben Moment, als er los fliegen wollte, erkannte er Hoppel und Stummel, die aus dem Gebüsch traten.
“Du brauchst keine Angst zu haben, Fledy! Wir sind es nur”, sagte Hoppel. Dann ergriff Stummel das Wort: “Wir haben alles gesehen und gehört. Wir bewundern deinen Mut, mit dem du den Bösewichten eins ausgewischt hast. Wir beiden hätten das nie geschafft. Niemals zuvor hat sich ein Bewohner dieses Waldes gegen die Beiden gewehrt. Du bist ein wahrer Held!”
Fledy wäre fast rot geworden, aber da er ja kein Mensch war, schaute er nur verlegen zu seinen Krallen empor. Innerlich war er aber mächtig stolz, so ein Kompliment zu hören. Er hatte ja nur spontan gehandelt, es ist alles einfach so gekommen. Er fragte sich, ob es wirklich so einfach war ein Held zu werden. Und ehe er etwas sagen konnte, kam ein weiterer Bewohner des Waldes aus dem Gebüsch. Der Rucksack, den er auf dem Rücken hatte, sah genauso aus wie der Seine, den er bei der Verteidigung hatte zurück lassen müssen.
“Das ist Eichi, das Eichhörnchen. Wir haben es, kurz bevor wir die Menschenkinder hörten, getroffen. Es hat dir deinen Rucksack geholt, damit du ihn nicht suchen musst”, erklärte Hoppel, während Fledy über soviel Hilfsbereitschaft erstaunt war. Noch nie hatte er von anderen Tieren Hilfe oder gar Komplimente bekommen. Nun war er noch nicht einmal fünf Stunden von zu Hause weg und hatte schon soviel erlebt. Er flog zu den Dreien hinunter und landete recht unbeholfen, indem er seine Flügel auf dem Boden ausbreitete.
“Recht herzlichen Dank, Eichi! Meine Name ist Fledy”, stellte er sich vor.
“Das ich dir deinen Rucksack gebracht habe, ist doch selbstverständlich, nachdem du soviel für uns Waldbewohner getan hast. Ich habe alles von dem Baum dort oben gesehen. So wie die Zwei gelaufen sind, werden sie uns erstmal eine Weile in Ruhe lassen. Ihre Schreie waren sicher im ganzen Wald zu hören”, erwiderte Eichi voll Dankbarkeit. “Ich habe von den Beiden gehört, dass Du ein neues Zuhause suchst, Fledy. Ich würde dir ja gerne meinen Bau zur Verfügung stellen, aber der ist wohl zu klein für dich. Aber ich habe von einer großen Höhle gehört. Sie soll in einiger Entfernung etwas westlich von hier liegen. Wo sie genau liegt, weiß ich leider nicht. Sie sollte aber groß genug für dich sein und auch sehr ruhig. Aber du kannst ja mal Kucki, den Kuckuck fragen. Der kommt viel herum und kann dir vielleicht den Weg dorthin beschreiben.”
“Das hört sich ja sehr interessant an. Wo finde ich denn diesen Kucki?”
“Er ist mal hier und mal dort”, antwortete Hoppel. “Am besten hörst du auf seinen Ruf, der ist kaum zu überhören.”
“Dann werde ich mich mal wieder auf den Weg machen. Habt nochmals vielen Dank für alles!” rief Fledy, warf seinen Rucksack über die Schulter und wollte gerade losfliegen, als er Stummels Stimme vernahm.
“Hier, Fledy, dieses vierblättrige Kleeblatt habe ich heute früh gefunden. Nimm es als Erinnerung an uns, damit es dir Glück bringt und du Erfolg bei deiner Suche hast.”
Fledy nahm es an sich, steckte es in seinen Rucksack, bedankte sich abermals und flog los. Ein letztes Mal umkreiste er sie und verschwand dann zwischen den Bäumen in Richtung Westen.
“Ob ich die drei jemals wieder sehen werde?”, fragte er sich und wich dabei gekonnt jedem Baum aus.