Читать книгу Spitzenleistungen in der Steuerberatung - Stefan Lami - Страница 11
7. Wollen Steuerberater Beziehungen?
Оглавление42Mit großer Wahrscheinlichkeit, werden Sie der Frage, ob Steuerberater Beziehungen wollen, uneingeschränkt zustimmen. Natürlich wollen Steuerberater genauso wie alle anderen Menschen als soziale Wesen Beziehungen zu anderen Menschen. Ohne Beziehungen wäre das Leben als Individuum in einer sozialen Gemeinschaft undenkbar. Nur, in welcher Intensität möchten Steuerberater Beziehungen zu ihren Mitarbeitern und Mandanten aufbauen? Ist es nicht so, dass Steuerberater dazu neigen, sich den fachlichen Herausforderungen intensiver zuzuwenden als den menschlichen Aspekten ihres Berufs?
Beobachtungen über das tatsächliche Verhalten von Inhabern, Partnern und Mitarbeitern von Steuerberatungskanzleien verleiten mich zur – unangenehmen, weil unbequemen – Annahme, dass Fachprobleme mit großer Hingabe gelöst, während Beziehungsprobleme als irritierender Störfaktor für die Facharbeit gesehen werden. Diese Einstellung ist auch nachvollziehbar, da die ausschließlich rechtlich-fachlich basierte Ausbildung zum Steuerberater das Thema „soziale Interaktion” vollständig ausklammert. In Österreich wie in Deutschland können Sie mit Bravour die Steuerberaterprüfung ablegen, ohne das Wort „Kommunikation” in den Mund zu nehmen. Das ist umso erstaunlicher, als Mitarbeiter oder Mandanten sich im Berufsleben vor allem über mangelnde Kommunikation bzw. fehlendes Verständnis beklagen, hier also erheblicher Nachholbedarf besteht.
Kommunikation ist wie das Öl im Motor der Kanzlei. Nur durch sie läuft alles „wie geschmiert”, ohne sie gibt es einen Schaden nach dem anderen. Kommunikation funktioniert nur auf der Grundlage einer Beziehung. Ist die Beziehung gut, funktioniert die Kommunikation perfekt. Ist die Beziehung gestört, ist Kommunikation fast unmöglich. Jedes Wort wird auf die Waagschale gelegt, erzeugt Irritationen. In einer belastbaren persönlichen Beziehung hingegen entstehen viele Probleme erst gar nicht.
43Es lohnt sich also darüber nachzudenken, nach welchen Regeln Beziehungen aufgebaut werden, damit die positive Kraft der Kommunikation ihre volle Wirkung entfalten kann. Die folgenden zwölf Grundsätze für den Beziehungsaufbau mit Mitarbeitern sind simpel, stellen aber im Alltagsgeschäft eine echte Herausforderung dar:
Seien Sie Ansprechpartner für Ihre Mitarbeiter. Sie sollten in erster Linie nicht Kritik üben. Hören Sie zu, bevor Sie handeln. |
Hören Sie gut zu und versuchen Sie alles, um Ihre Mitarbeiter zu verstehen. |
Machen Sie ab und zu etwas Unerwartetes; seien Sie sich der Beziehung nie zu sicher. |
Diskutieren Sie Ihre gemeinsamen Werte und Prinzipien. |
Kommunizieren Sie ehrlich, offen und regelmäßig. |
Verbringen Sie Zeit miteinander – auch ohne Besprechungspunkte auf der Agenda. |
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung regelmäßig, aber nicht auf formelle Art und Weise. |
Suchen Sie nach Wegen, um gemeinsam Spaß zu haben. |
Lassen Sie nie zu, dass sich Schwierigkeiten festigen; machen Sie aufkommende Probleme gleich zum Thema. |
Zeigen Sie Interesse. |
Verstehen Sie andere Standpunkte. |
Geben Sie sich selbst auf (nicht als Individuum, aber den Perfektionisten in Ihnen). |
Am besten beantworten Sie die Frage still für sich selbst, ob Sie dieses Programm der Beziehungspflege zu Ihren Mitarbeitern konsequent umsetzen.
44Mandantenbeziehungen werden, so will es jedenfalls auf den ersten Blick scheinen, im Vergleich zu Mitarbeiterbeziehungen besser gepflegt.36) Ist das aber tatsächlich so? Es gibt im Wesentlichen zwei Ansätze, die Leistungserbringung für den Mandanten qualitativ zu bewerten, und zwar als „Auftrag” oder unter dem Blickwinkel einer „Beziehung”. Die folgende Gegenüberstellung zeigt polarisierend die Unterschiede zwischen den beiden Sichtweisen auf:
Wenn Sie vor der Entscheidung stehen, einen Arzt, Architekten, Rechtsanwalt oder Werbefachmann zu engagieren, welche der beiden Betrachtungsweisen würden Sie bevorzugen? Ich weiß nicht, wie Ihre persönliche Antwort ausfällt. Im Ergebnis erhalte ich auf diese Frage aber immer eine deutliche Mehrheit für die Alternative „Beziehung”. Selbstverständlich gibt es auch eine Reihe von Gründen, die für eine Betrachtungsweise „Auftrag” sprechen: Man möchte z. B. einfach nur professionell bedient werden, an einem Beziehungsaufbau ist man nicht interessiert.
45Wenn ich dann die Anschlussfrage stelle, „Wie beurteilen Sie diese Fragestellung im Hinblick auf Ihre eigenen Leistungen als Steuerberater?, bekomme ich darauf meist mehrheitlich die Antwort, dass man – selbstkritisch betrachtet – nach der Sichtweise „Auftrag” handele und zuwenig für die „Beziehung” tue. Diese Antwort lässt erkennen, dass ein auf gegenseitiges Vertrauen gegründetes Beziehungsmodell für das Mandanten-Steuerberater-Verhältnis als erstrebenswert angesehen wird.
46Sie bauen Vertrauen als Grundlage einer Beziehung vor allem dadurch auf, dass Sie mit dem Menschen sprechen, ohne dass es dafür einen an einem bestimmten Zweck orientierten Anlass gibt. Das gilt nicht nur für berufliche, sondern auch für private Beziehungen. Stellen Sie sich vor, Sie würden mit Ihrem Lebenspartner nur dann reden, wenn es einen konkreten Anlass gibt, etwa um zu entscheiden, wer die Spülmaschine ausräumt oder bei Problemen mit den Kindern in der Schule. Ein solches geschäftsmäßiges und zweckorientiertes Verhalten ist keine Basis für eine dauerhaft funktionierende Beziehung zu einem Lebenspartner.
47Und genauso es im Berufsleben: Reden Sie mit dem Mandanten, auch ohne konkreten Auftrag! Geben Sie ihm wertvolle Informationen und vermitteln Sie ihm konkreten Nutzen auch zu Themen, die nicht unmittelbar in Ihrem Leistungsangebot enthalten sind. Seien Sie hilfreich, ohne sofort ein Honorar zu verrechnen. Diesen Vorschlägen liegt folgendes Geschäftsmodell zugrunde:
Mandanten kaufen Dienstleistungen, wenn und sobald Sie diese tatsächlich brauchen bzw. wollen. Sie können ihre eigene Situation gut einschätzen und benötigen keine Leistungsangebote zur Unzeit. |
Mandanten kaufen diese Dienstleistungen eher bei Ihnen, wenn Sie sich vor dem Kauf bereits um diese Mandanten gekümmert haben. |
Mandanten kaufen diese Dienstleistungen dann wahrscheinlich zu einem besseren Preis und verursachen für Sie keine Akquisitionskosten. |
Marketing aus der Sicht des Mandanten bedeutet also, ganz im Sinne der „Quelle Mensch”: Gib mir (freiwillig) mehr von dem, was ich haben möchte, und ich bin bereit, dir (freiwillig) mehr von dem zu geben, was du haben möchtest.37)
48Stellt man das Vertrauen als Basis einer funktionierenden Beziehung zum Mandanten in den Mittelpunkt, stellt sich nach der These von der „Quelle Mensch” der (höhere) Gewinn automatisch ein. Wenn man in der Beziehung zum Mandanten hingegen den Gewinnaspekt („Auftrag” und „Verkauf”) betont, wird der Mandant zu einem Objekt und zu einer reinen Geldquelle. Das wiederum zerstört das Vertrauen und damit die Grundlage für höhere Gewinne. Um hohe Gewinne zu realisieren, muss man also das direkte Streben nach ihnen mit den Mitteln Auftrag und Verkauf aufgeben. Hohe Gewinne kommen nur, wenn man ihnen nicht obsessiv nachhetzt.
49In jeder menschlichen Beziehung ist das, was man erhält, ziemlich genau ein Resultat dessen, was man selbstlos hinein gibt. Und warum sollte das im Geschäftsleben anders sein? Zu Beginn dieses Abschnitts habe ich bereits davon gesprochen.38) Aus diesem Blickwinkel sind die meisten „Verkaufsgespräche”, die zu einem Auftragsabschluss führen sollten, von Grund auf falsch angelegt, denn sie finden zu früh statt. Einen Auftrag zu vergeben, ist eine Entscheidung für die Lösung eines Problems. Ist aber das Problem, zu dem der Verkäufer eine Lösung anbietet, noch nicht erkennbar, wird der Mandant aus der Natur der Sache heraus Einwände erheben, was dazu führt, dass der „Verkäufer” redet. Dadurch wird kein Vertrauen für eine belastbare Beziehung aufgebaut. Der „Verkäufer” sollte vor allem zuhören.
Wem trauen Sie die Lösung eines Ihrer Probleme eher zu? Jemandem, der die ganze Zeit spricht, oder jemandem, der Ihnen zuhört, die richtigen Fragen stellt, Ihnen selbstlos wertvolle Informationen zu Lösungsmöglichkeiten gibt und erst dann mit Ihnen die konkreten Lösungen durchgeht? Die Beziehung zum Mandanten in den Mittelpunkt zu stellen, hat nicht nur eine ethische Dimension, sondern bedeutet gleichzeitig, dass in der Folge durch gewachsenes Vertrauen auch die Gewinne steigen werden.
Mein Fazit: Geben Sie der Beziehung zu Ihren Mitarbeitern und Mandanten die höchste Priorität. Absichtslos. Stellen Sie dabei nicht auf die Wirkung ab, sondern tun Sie es, weil es für Sie wichtig ist. Der Rest – Engagement, Motivation, Anerkennung, Honorare, Gewinne etc. – wird automatisch folgen. „Es gibt keinen anderen Weg, jemanden dazu zu bringen, dass er tut, was wir wünschen, als dass man ihm gibt, was er wünscht”, sagt Dale Carnegie.39)