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5. Das Drama als plurimediale Darstellungsform – Verhältnis von Text und Inszenierung

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Fünf Sinne

Auf der Bühne steuert das Drama als „szenisch realisierter Text“ (Pfister 1988, 24) alle fünf Sinne des Menschen an, vornehmlich das Hören und Sehen: So hört der Zuschauer eine Figur sprechen, wobei der Stil, die Stimmqualität, die Art und Weise der Artikulation (Gesang, Flüstern) und die Situation diese Rede nuancieren. Daneben vernimmt er weitere akustische Zeichen: Texte aus Bühnenlautsprechern, Geräusche oder Musik, die während der Aufführung zur Untermalung oder als Bestandteil der Handlung erklingen. Zudem kann der Zuschauer mit Schrifttafeln oder Spruchbändern im Bühnenraum konfrontiert werden, dies neben anderen visuellen Zeichen, zu denen die Physiognomie, die Maske und das Kostüm einer Figur gehören, aber auch die Bühne selbst (Bühnenbild samt Beleuchtung, Requisiten, Projektionen und alle anderen sichtbaren Elemente). Der polnische Theatersemiotiker Tadeusz Kowzan hat in diesem Zusammenhang den Theatercode als ein System von 13 Zeichenkomplexen beschrieben: word, tone, mime, gesture, movement, make-up, hair-style, costume, properties, settings, lightning, music, sound effects (Krieger 2004, 80; Esslin 1989, 53–56, 106f.).

Codes – Kanäle

Als ‚szenisch realisierter Text‘ nutzt das Drama folglich nicht allein sprachliche Codes wie reine Lesetexte (z.B. Romane), denn es setzt vielmehr auch außersprachliche Zeichen ein. Unter dem Code versteht man ein System von Regeln, das die Deutung von Zeichen erlaubt: eine Art Dechiffrierschlüssel zur Einsicht in die Bedeutung einer Zeichenverwendung. Der Zeichenvorrat eines Senders überschneidet sich mit dem Zeichenvorrat eines Empfängers, so dass über diesen gemeinsamen Code Inhalte ausgetauscht werden können. Zeichentheoretisch formuliert ist der Code also diejenige Größe, die eine Verbindung zwischen dem Zeichen und seiner Bedeutung herstellt. Diese Verbindung entsteht, indem einem Zeichen durch einen Zeichenbenutzer Bedeutung zugeschrieben wird. Der Code ist daher kaum als feste Größe zu bestimmen, weil er auf einer kulturellen Übereinkunft basiert und damit historisch wandelbar ist. (Am Beispiel der Mode leuchtet dieser Sachverhalt unmittelbar ein.) Wie die Aufführung selbst stellt der Einsatz aller außersprachlichen Codes in der theatralischen Umsetzung eine Interpretation der Textvorlage dar.

Die fünf Sinne des Menschen (Sehen, Riechen, Fühlen, Schmecken, Hören) dienen als Kanäle der Informationsübertragung (Übersicht Pfister 1988, 27). Ein ‚szenisch realisierter Text‘ s(t)imuliert für die Zeit der Aufführung damit die menschliche Sinneswahrnehmung. In erster Linie ist hier zwischen verbalen und nicht-verbalen Codierungen auf der Ebene des Sendersystems Figur/Bühne zu unterscheiden, so dass zusätzliche Informationen über die sprachlichen Mitteilungen hinaus durch die Statur, die Physiognomie oder die Maske einer Figur geliefert werden. Durch ihre Gestik und Mimik, ihre Position und Interaktion in einer bestimmten Situation an einem konkreten Ort, d.h. auch durch die Choreographie ihrer Bewegungen, erfährt der Zuschauer etwas über die handelnde Person auf der Ebene der optischen Codierung.

Institution Theater

Dieser Einsatz verschiedener Zeichensysteme markiert den einen Aspekt, das Drama als plurimediale Darstellungsform zu charakterisieren. Der zweite Aspekt bezieht sich auf Institutionen, Funktionen und Gruppen, die an einer Theateraufführung beteiligt sind, wobei deren Interessen wiederum institutionell, ästhetisch und sozial bedingt sind. Orientiert man sich an den Rubriken in der Textanthologie zur Theorie des Theaters (Lazarowicz/Balme 1991), sind folgende Gesichtspunkte relevant: die Schauspielkunst (Ausbildung, Beruf u.a.), die Regie und ihr Apparat (Dramaturgie, Maske usw.), das Theaterstück selbst, der Bühnenraum und das Bühnenbild (samt dazugehöriger Technik), schließlich die Formen der intratheatralen Kommunikation (Verhältnis zum Zuschauer) und die Frage nach dem Theater als einer moralisch-pädagogischen Anstalt, die sich auf das Volkstheater oder das politische Theater beziehen kann. Nicht zuletzt gehört die Performanz des Theaters und dabei die Frage nach dem Paratheater zu diesem Komplex: Gemeint sind damit die zusätzlichen bzw. angrenzenden Aspekte, etwa die Funktion des Theaters als Psychotherapie oder als Happening.

Die Plurimedialität des Dramas – als Differenzkriterium und als Informationsüberschuss gegenüber Epik und Lyrik – betrifft daher insgesamt folgende Aspekte: Zunächst ist der dramatische Text selbst bereits mehrschichtig, insofern er auf die Aufführung hin konzipiert ist, aber auch, insofern bereits in seiner mündlichen Aktualisierung eine Reihe nichtsprachlicher Variablen wirksam werden. Darüber hinaus erscheint seine Struktur durch den Einsatz anderer Zeichensysteme synästhetisch, weil im inszenierten Text, der immer eine konkretisierende Interpretation der Textvorlage darstellt, verschiedene Codes gleichzeitig wirken.

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