Читать книгу Kate Glory Lie - Stefan Scheufelen - Страница 11

Оглавление

Acht Minuten später

Ich sterbe! Ich kann nicht mehr. Ich breche gleich zusammen. Atme wie wild. Muss husten. Spucke auf die Straße. Scheiße! Meine Lunge tut weh. Mein Rücken. Auch die Beine. Die Gelenke. Mein Kopf. Einfach alles! Versuche, meine Mitmenschen auf mich aufmerksam zu machen. Humple auf sie zu und flehe sie an.

»Krankenwagen. Krankenwagen.«

Doch sind die Worte so leise und mein Keuchen so laut, dass ich mich selbst nicht verstehen kann. Sie laufen besorgt davon. Ich werfe mich auf einen bärtigen Mann. Er wird sauer und schubst mich weg.

»Verpiss dich, Alter!«

Ich bin fassungslos. In Momenten größter Not ist das die Reaktion meines sozialen Umfelds. Werde wütend und beiße die Zähne zusammen. Entwickle Hass gegen die menschliche Spezies. Irgendwie hilft mir das immer. Fühle mich schon etwas besser. Atme durch.

»Wow. Das war knapp.«

Mein Herz rast immer noch. Wie ein Presslufthammer. Rattattat. Oder ist das der neben mir? Zwei Männer bohren gerade ein Loch in den Boden. Einer schaut mich an. Er lächelt. Ich muss mich übergeben. Es kommt nicht viel raus. Ich hab heute noch nichts gegessen. Oh Mann. Das muss noch von der Party sein. Zum Glück nicht auf die Schuhe. Richte meinen Blick wieder nach oben. Jetzt lächelt der Typ nicht mehr. Er sieht etwas verwundert aus. Ich versuche zu lächeln, doch es kommt mir wieder hoch. Diesmal hat es die Spitze meines linken Schuhs erwischt. Huste. Mein Bauch tut weh. Mein Kopf langsam auch. Ziehe die Nase hoch und reibe mit dem Ärmel meines Pullis das Gesicht trocken. Wenn ich kotze, muss ich aus irgendeinem Grund immer weinen. Warum eigentlich? Das hab ich noch nie verstanden. Drehe mich um und laufe halbtot auf den Fernsehturm zu. Touristengruppen ziehen an mir vorbei. Der Geruch von Currywurst liegt in der Luft. Wieso jogge ich eigentlich zum Alex? Wundere mich über mein eigenes Verhalten. Ein asiatisches Pärchen wird auf mich aufmerksam. Der Finger der Freundin zeigt auf mich. Ihr Freund nimmt in Windeseile seine Waffe zur Hand: den Fotoapparat. Er schießt ein paar Bilder. Was für Fotos das wohl gibt? Ein fast zwei Meter großer Mann in pinken Schuhen und Leopardenleggins. Kotzend und weinend neben einer Currywurstbude direkt am Alex. Das könnte eine Postkarte sein. Darauf fett gedruckt: Berlin!

Ich gehe weiter. Auf einmal fühle ich mich merkwürdig. Ja, so ein Gefühl von Leichtigkeit. Alles wird plötzlich so leise um mich herum. Menschenmassen eilen an mir vorbei. Ich kann nichts mehr wirklich erkennen. Einzelne Gesichter, unscharf. Vielleicht auch besser so. Mein Herz hält an für einen Moment. Ich höre absolut nichts mehr. Schaue mich um. Alles bewegt sich in Zeitlupe. Mir wird schwarz vor Augen. Ich schlucke. Dieser Zustand ist mir neu. Atme durch. Das ist also Jamaika. Von irgendwoher kommt Musik. Aber nur das. Sonst nichts. Nur von irgendwoher Musik und die Geräusche meines Magens. Betrachte den Fernsehturm. Fange unten an und dann mit dem Blick immer weiter hoch. Weiter hoch. Weiter hoch. Weiter hoch. Weiter hoch. Das hört ja nie auf! Noch höher. Noch ein Stück. Da! Was ist das? Die Turmkugel leuchtet wie eine Discokugel. Und plötzlich verändert sie die Farbe. Erst blau, dann grün, dann rot und jetzt pink. Daher kommt die Musik. Das ist »One More Time« von Daft Punk! Ich traue meinen Augen nicht. Und auch meinen Ohren nicht. Das muss ich überprüfen. Laufe auf den Fernsehturm zu. Doch mit jedem Schritt entfernt er sich. Was für ein lustiges Spiel. Schade nur, dass ich nicht mitlachen kann. Der Turm kann das. Ein brummendes Gelächter. Dann endlich, bin am Eingang. Bewege mich auf die Treppen zu. Laufe hoch. Ein Drehgitter. Da komm ich drüber. Drücke mich hoch, doch komme nicht weit. Ein großer Mann im Anzug zieht mich wieder zurück.

»Ticket?«

Stimmt. Das Ticket. Gehe runter zum Schalter. Greife in die Pullitasche und krame alles heraus, was sich darin befindet. Ist das eine Frau, die da sitzt? Ja, ist es. Erkennt man nicht immer auf Anhieb. Sie fuchtelt mit den Händen in der Luft herum. Ich kann sie nicht verstehen.

Ich antworte einfach mal mit: »Ja.«

Sie drückt mir das Ticket und meinen Haustürschlüssel in die Hand. Geht doch. Schwanke hin und her. Restgeld? Gibt’s nicht. Na gut. Drehe mich um. Eine Schlange von ungefähr zwanzig Leuten, die genauso gestikulieren wie die Frau gerade eben. Der Alex hat einfach keinen Charme. Nächster Versuch. Gehe zum Fahrstuhl. Das Ticket. Gescannt. Ein Lächeln. Der Mann mit verschränkten Armen. Ich bin drin. Ziemlich eng hier. Wir fahren los. Ganz schön wacklig das Ganze. Dann kommen wir endlich an, die Türen öffnen sich. Alle um mich herum rennen panisch nach draußen. Schaue auf den Boden. Ups! Ich muss mich wohl noch mal übergeben haben. Tja. Das schafft Arbeitsplätze. Verlasse den Fahrstuhl.

Ist das nicht schön? Überall tanzende Menschen. Daft Punk. Hier bin ich richtig! Wir feiern. Menschen kommen auf mich zu und begrüßen mich. Umarmen mich und geben mir einen Kuss auf die Wange. Ich tue so, als könnte ich sie verstehen, obwohl ich das nicht kann. Ich lache ganz einfach mit. Auch der Turm muss lachen. Mir wird ein Glas Champagner in die Hand gedrückt. Sehr gut. Ich proste und dann werde ich schon zum Tanz aufgefordert. So eine Gesellschaft wünscht man sich doch.

Kate Glory Lie

Подняться наверх