Читать книгу Kate Glory Lie - Stefan Scheufelen - Страница 5
ОглавлениеDas Publikum erhebt sich für die Queen. Standing Ovations. Blumen. Oh Gott, nein. Womit hab ich das nur verdient? Ach, ich liebe es. Ich liebe das Publikum. Und ganz besonders liebe ich mich. Wer könnte diesen Job schon so gut machen wie ich? Niemand! Lächle, winke dem Publikum zu und denke mir meinen Teil. Die samtroten Vorhänge werden zugezogen. Das war’s! Stehe im Dunkeln. Vor dem Vorhang noch tosender Beifall. Mein Lächeln aber, verschwunden. Schaue mich um. Das Bühnenteam wuselt um mich herum. Sie wollen möglichst schnell abbauen und dann in den Feierabend. Kann ich verstehen. So geht’s mir auch.
»Miss Glory Lie! Mal wieder die Bühne zum Beben gebracht. Was für ’n Wunder! Kommst du mit? Wir machen ’ne Koksparty in Lorenzos Büro.«
Sie starrt mich ungeduldig an.
»Nee, Süße. Ich hab für heute die Nase voll. Vielleicht ein anderes Mal.«
»Wie du meinst. Wenn du was Besseres vorhast.«
Sie ist sichtlich verärgert. Lorenzo und seine Kokspartys. Die bringen mich noch um. Mein Ego ist so schon viel zu groß. Wo würde das hinführen? Anne zwinkert mir zu und dreht sich genervt weg. So liebevoll gehen wir miteinander um. Jedenfalls wenn wir gemeinsam Drogen konsumieren. Sonst hält sich das alles in Grenzen. Ist ja nicht so, als hätten wir das unbedingt nötig. Gebe noch sieben Personen Küsschen auf die Wange, von denen ich fünf Namen vergessen habe, und laufe zur Umkleidekabine. Ich bin ständig von Menschen umgeben. Tag und Nacht. Wie soll ich mir da noch alle Namen merken können? Ich brauch ’ne Pause. Ein wenig runterkommen. Vielleicht ein Erholungswochenende in irgendeinem Kaff, weit weg von Berlin. Nein, das würde ich vermutlich nicht überleben. Viel zu öde. So ein Hippie bin ich dann auch wieder nicht. Drücke mich gegen die Tür mit dem größten Stern und verdrehe die Augen. Nicht schon wieder. Simon hat Sex mit Olivia. Olivia hat dabei noch Sex mit Emma. Emma hält einen Dildo in der Hand, der mich an ein Laserschwert erinnert. Dann ist da noch jemand, dessen Namen ich nicht kenne. Ich glaube aber, dass er auch hier arbeitet. Hinter der Tür springt plötzlich Benjamin hervor. Der sieht ja mal wieder gut aus. Nur eine rote Fliege trägt er um den Hals. Zum Anbeißen! Olivia entdeckt mich. Benjamin kreist um mich herum. Ich kann mich kaum mehr konzentrieren.
»Hey, Kate! Da bist du ja. Wir haben schon die ganze Zeit auf dich gewartet.«
Ach, wie ich meine Arbeit liebe.
»Kinder! Danke für die süße Einladung, aber ich passe. Mir ist heute nicht danach.«
Sie schauen mich alle entsetzt an. Benjamin verzieht das Gesicht und sieht nun aus wie ein Bonobo-Affe, der sich gleich auf mich stürzen will. Ich mach lieber die Biege. Mache einen Schritt in die Umkleidekabine, schnappe mir meine Tasche und schlängele mich gekonnt an diesen kiloschweren Muskeln vorbei. Pah! Da soll mir noch mal jemand sagen, ich wäre nicht beweglich. Von wegen. Laufe durch den Flur zum Tor in die weite Welt, drücke mich gegen die Tür und bin draußen.
»Halleluja!«
Die Luft da drin bringt einen ja schier um. Aber das Leben ist nun mal kein Zuckerschlecken. Auch wenn wir uns das alle einreden. So, was passiert jetzt mit mir? Ziehe mein Handy aus der Tasche und checke meine Messages. Es sind 99+ Nachrichten. Die meisten davon sind aus Chatgruppen von irgendwelchen Veranstaltungen. Ich habe längst aufgehört mitzulesen. Überfliege mein Sozialleben und merke, dass ich heute überhaupt keine Lust darauf habe. Ich will niemanden sehen. Nur meine zwei süßen Mitbewohner, und die sind mir schon chaotisch genug. Halte das nächstbeste Taxi an und steige ein. Die Augenbrauen des Taxifahrers sind zusammengewachsen. Er starrt mich verwirrt an. Noch hat er Schwierigkeiten, mich mit seinem kleinen Gehirn einzuordnen. Dieser Hinterwäldler. Wohl noch nie so was Schönes wie mich gesehen. Dass die Menschen selbst in Berlin so von gestern sind.
»Wohin!?«
Ganz schön harter Ton, der Kerl.
»Einfach zum Monbijoupark. Bei der Tram dort.«
Wir fahren los. Draußen beginnt es zu regnen. Das Wetter ist wie immer ein Segen in dieser Stadt. Man gewöhnt sich daran. Die bunten Lichter verschwimmen. Freitagabend, 23:27. Die Straßen füllen sich. Nun fallen die Alkoholiker nicht mehr auf, weil jeder trinkt. Überall Flaschen. Das Geschäft der Woche für jeden Pfandflaschensammler. Es ist laut. Menschen springen über die Straßen. Mein Taxifahrer dreht durch. Hupt wie ein Bekloppter und faselt in irgendeiner Sprache vor sich hin. Mir kann’s egal sein. Es vibriert in meiner Tasche. Reagiere blitzschnell. Es ist Beatrix. Bestimmt möchte sie wissen, warum ich so schnell abgehauen bin. Das ist mir jetzt zu viel. Schalte das Handy aus und werfe es zurück in die Tasche. Oh Mann! Wie mich dieser Blick nervt.
»Hab ich was im Gesicht oder warum starrst du mich die ganze Zeit an wie ’ne Ziege?«
Er schaut wieder nach vorne und drückt aufs Pedal. Spinner! Selbst im Taxi fühlt man sich wie ein Außerirdischer. Als ob die U-Bahn nicht schon schlimm genug wäre.
Wir sind fast da. Noch um die Ecke. Geschafft. Die Anzeige sagt: Achtzehn Euro. Durchforste meinen Geldbeutel und sammle angewidert all meine Fünf-Euro-Scheine zusammen.
»Der Rest ist für dich.«
Eigentlich hätte er das nicht verdient. So bin ich aber wenigstens das Geld los. Die Vorstellung macht mich verrückt, in wie vielen Nasen diese Scheine schon drin waren. Kleine, große, krumme, spitze, stumpfe, breite, einfach jegliche Art von Nasen. Er bedankt sich, doch in seinen Augen sehe ich, er ist gegen mich. Das nennt man Diskriminierung. Schnappe meine Tasche, ziehe den Kopf ein, verlasse das Auto und knalle die Tür so stark zu, wie ich nur kann. Es wackelt. Er schreit. Ich lache.
Ich hoffe, dass durch all die Auseinandersetzungen mit irgendwelchen Spinnern meine Urteile nicht zu voreilig geworden sind. Und wenn schon. Man muss nicht jedem gegenüber offen sein. Laufe auf meine Eingangstür zu. Plötzlich brausen zwei Fahrradfahrer an mir vorbei. Aus Reflex schlage ich mit der Tasche um mich. Treffe einen der beiden auf dem Rücken. Er gerät ins Schwanken. Stürzt über den Lenker und knallt mit voller Wucht gegen den Mülleimer. Er rührt sich nicht vom Fleck.
»Meine Nase! Meine Nase!«
Führe mir noch einmal seine Flugbahn vor Augen und finde das Ganze plötzlich unglaublich witzig. Kann mich nicht mehr zurückhalten und muss lachen.
»Das war olympiareif. Herrlich!«
Muss mir die hohen Schuhe vom Fuß streifen, sonst falle ich noch hin. Es ist zum Totschießen! Er wirft mir ein paar Ausdrücke an den Kopf, doch übertönt mein Gelächter alles. Es tut mir so leid. Versuche, mir den Mund zuzuhalten. Freudentränen kullern meine Wangen herunter.
»Oh nein.«
Er baut sich langsam wieder auf. Schnappt sich sein Fahrrad, schüttelt den Kopf und fährt weiter. Reibe mir das Gesicht trocken. Ich hoffe, dass mein Make-up nicht verschmiert ist. Es ist nun mal Freitagabend. Wer weiß, was noch passiert? Kämpfe mich barfüßig die knarrende Treppe nach oben und drücke die Klingel. Nach wenigen Tagen mit den beiden Chaoten in einer WG habe ich mir das ziemlich schnell angewöhnt. Es ist eine Art Signal, dass ich gleich das Apartment betrete. Eine Chance, mich vor den schlimmsten Bildern zu bewahren. Drehe den goldenen Schlüssel und betrete die Wohnung.
»Scheiße!«
Wedle mir den Rauch aus dem Gesicht. Ich muss husten.
»Was ist denn hier passiert!«
Werfe meine Schuhe zur Seite. Sie verschwinden im Rauch. Ich dreh noch durch. Halte mich an der Wand fest und taste mich langsam durch den Flur. Rotes Licht leuchtet aus der Küche. Ist das Feuer? Stecke meinen Kopf vorsichtig durch den Türrahmen.
»Was zur Hölle? Sebastião!«
Er rührt sich nicht vom Fleck. Er muss wieder völlig drauf sein.
»Sebastião!«
Keine Reaktion. Er steht auf dem Küchentisch. Über ihm eine rote Lampe. Wer weiß, wo die herkommt. Genau über seinem Kopf. Sein Gesicht leuchtet rot. Seine Augen sind geschlossen. Um seinen Körper ist Klopapier gewickelt. Ich verlasse die Küche. Denke laut: »Es gibt ja noch jemand anders.«
Öffne die Tür meines Zimmers. Niemand da. Laufe weiter. Nächste Tür.
»Fabio!«
Er erschreckt. Ich huste. Mit riesigen Augen starrt er mich an. Aus seinen Boxen dröhnt Musik oder so etwas. Trommeln auf jeden Fall.
»Du hast doch ’nen Knall.«
»Was?«
»Du hast ’nen Knall!«
»Ja.«
Er lächelt. Dieses verschmitzte Lächeln.
»Was hast du da eigentlich in den Haaren?«
Er fasst sich an den Kopf und schüttelt sich. Er hat sich bestimmt fünfzig Räucherstäbchen ins Haarband geklemmt.
»Bist du verrückt geworden?!«
Ich stürme auf ihn zu. Er springt auf und tanzt um mich herum.
»Wenn ich dich in die Finger kriege!«
Er beginnt zu lachen. Werfe mich in seine Richtung. Er weicht aus. Ich stürze gegen den Tisch. Ein Tischbein bricht und alles rutscht herunter. Werde wütend.
»Du kleiner …«
Er rennt aus dem Zimmer. Ich hinterher. Bekomme den ganzen Rauch in den Hals, der in Schwaden hinter ihm herzieht. Hebe die Hand vors Gesicht.
»Das kann doch nicht wahr sein.«
Gehe in die Küche. Er versteckt sich hinter Sebastião, der immer noch als Mumie unter dem roten Licht steht.
»Jetzt reicht’s.«
Reiße die Schranktür auf, werfe alle Gewürze auf den Boden und ziehe den Minirevolver hervor. Entsichere ihn. Richte die Waffe nach oben.
Schreie: »Aufhören!«
Und schieße dreimal in die Decke. Sebastião ist aus seinem Koma erwacht. Beide starren mich entsetzt an. Ich ringe nach Luft. Der Putz von der Decke fliegt uns auf den Kopf. Sie sind wieder da. Wir schauen uns alle mit großen Augen an.
»Kate. Warum hast du denn ’ne Waffe in der Hand?«
»Ich hab dir doch gesagt, sie ist gewalttätig.«
»Ihr könnt mich mal!«
»Und was machen wir eigentlich hier auf dem Küchentisch? Und was hast du da? Sind das Räucherstäbchen?«
Er zieht eins aus Fabios Haaren.
»Leute, ich weiß, dass ihr crazy seid. Und das schätze ich auch sehr an euch. Aber gehen eure Spielchen mit dem Acid nicht langsam zu weit? Kommt schon. Das geht bereits den ganzen Monat so. Keinen Tag mehr nüchtern und dem anderen immer heimlich LSD unterjubeln – Sebastião und Fabio in wonderland, oder was?«
Sie werfen sich gegenseitig Blicke zu und schmunzeln. Ich muss durchatmen. Sie küssen sich, dann lachen sie.
»Sehr komisch. Und ich denke, unsere Wohnung brennt ab!«
»Jetzt übertreib mal nicht.«
»Na schau dich doch mal um.«
Er verdreht die Augen. Ich schüttle den Kopf. Chaos-WG. Gehe zum Fenster und lasse etwas Luft rein.
»Frische Luft. Würde euch auch mal guttun.«
»Jetzt komm uns nicht wieder so.«
»Na ja. Ich kann immer noch nicht begreifen, wie du auf LSD beim Jobcenter sein konntest. Das ist doch völlig absurd.«
Sebastião schaut Fabio verwundert an.
»Ach ja, wirklich? Du warst auf LSD beim Jobcenter? Hast du mir gar nicht erzählt.«
»Du hast ihm an dem Morgen zwei Tropfen Acid in den Orangensaft getan.«
Er lacht.
»Das stimmt. Aber ich wusste nicht, dass er danach beim Jobcenter war. Die Geschichte wird immer besser. Erzähl, wie war’s?«
»Ziemlich schräg. Ich bin ja schon auf der Hut vor dir – doch der Orangensaft am Morgen, das hätte ich nicht gedacht. Ich bin nüchtern. Plötzlich bin ich high. Wie aus heiterem Himmel. Was für ’n Spaß.«
Er niest. Der Rauch um ihn herum wirbelt auf. Es riecht verbrannt.
»Also. Ich in der Bahn. Hoffe, dass kein Kontrolleur kommt, weil ich kein Ticket habe. Alles wie immer, völlig überfüllt und ich voll drauf. Leichte Platzangst. Alle drängeln sich aneinander und keiner spricht ein Wort. Ziemlich bedrückendes Gefühl. Und dann die Vorstellung, dass jeder Typ mit einer Bauchtasche ein Kontrolleur sein könnte. Wie nervig. Ich bin viermal ausgestiegen, weil ich dachte, es kommt einer. Scheiße, hab ich Angst gehabt. Hab mich gefühlt, als würde ich vor einem Monster wegrennen. Und die ganzen Blicke um mich herum. Okay. Ich glaube, dass ich die mit meinen großen Pupillen auch ziemlich blöd angestarrt habe.«
Fabio schreckt auf und schreit: »Verdammt!«
Wir zucken zusammen. Er hat sich das Band vom Kopf gerissen und die Räucherstäbchen auf den Küchenboden geworfen. Die Glut schießt in alle Richtungen. Ich mache einen Sprung nach hinten. Versuche, mich davor zu retten. Sebastião schaut verträumt auf das Lichterspiel.
»Ist das schön …«
Ich könnte sie umbringen.
»Meine Haare brennen ab!«
»Selber schuld! Wer macht auch so was?«
»Ja, ja. Sag mal, hab ich da was?«
Er dreht sich um und zeigt auf seinen Hinterkopf. Oh nein. Eine riesige kahle Stelle. Wenn ich ihm das verrate …
»Nein. Alles gut. Beruhig dich. Du siehst hübsch aus wie immer.«
Er dreht sich um und lächelt.
»Erzähl weiter.«
»Ja. Ich komm also beim Jobcenter an. Viel zu spät natürlich. Und dann umgeben von all den Menschen. Ihr könnt euch vorstellen, was das für Gespräche dort sind.«
Er schüttelt den Kopf.
»Das war zu viel für mich. Probleme über Probleme über Probleme und über deren Problemkinder. Erst als ich endlich aufgerufen wurde, hab ich realisiert, dass ich auf dem Boden saß. Aus irgendeinem Grund habe ich meditiert. Ja, wirklich! Mitten auf dem Boden im Warteraum des Jobcenters. Ich habe noch nie zuvor meditiert. Ihr hättet die Blicke sehen sollen. Das Highlight kommt noch. Ich gehe schlussendlich zu meiner Zuständigen, Frau Topf, die auch genau so aussieht, und da setzt es voll ein. Ich tue so, als könnte ich noch lesen, male aber, statt zu schreiben, und halte energisch eine Rede, dass ein Staat wie Deutschland nicht nur Arbeitslosengeld, sondern auch Liebe verteilen sollte. Noch euphorisch von der Rede, habe ich dann nicht mit meinem Namen, sondern mit Gandhi unterschrieben und dahinter ein Herz gesetzt. Plötzlich regte sich in mir ein gewisses Misstrauen Frau Topf gegenüber. Sie wusste einfach zu viel. Das war mir unheimlich. Aus ihrem topfähnlichen Kopf wuchs eine tanzende Pflanze. Eine tanzende, fleischfressende Pflanze. Ich hatte Angst. Sie fragte mich immer wieder, was mit mir los sei. Ich schüttelte nur den Kopf und ließ die Pflanze nicht aus den Augen. Irgendwann bemerkte ich, dass sie mit den anderen Pflanzen im Raum kommunizierte. Und da kam mir ein beunruhigender Gedanke: Möglicherweise kannte sie auch die Pflanzen in unserer Wohnung? Sie alle teilten Informationen miteinander! Ja, sie wussten alles! Bei der Erkenntnis schrie ich auf und rieb mir hysterisch die Brust.
Frau Topf verschränkte die Arme und lehnte sich zurück: »Sie sollten einen psychologischen Test machen.«
Ich schaute sie entsetzt an. Schaute mich um. Alle starrten mich an. Und kennt ihr diesen speziellen Blick, den ein Beamter aus Berlin draufhat? Diesen angewiderten und völlig abwertenden Gesichtsausdruck. Ich fühlte mich wie der größte Idiot der Welt. Auf dem Weg nach Hause realisierte ich das Ganze erst richtig. Jedenfalls hab ich jetzt einen Termin beim Psychologen.«
Er lässt traurig den Kopf hängen. Dabei wird wieder die kahle Stelle auf seinem Hinterkopf sichtbar. Sebastião und ich bekommen uns nicht mehr ein vor Lachen. Fabio verlässt mit hängenden Schultern die Küche.
Sebastião und ich sehen uns fragend an: Haben wir überhaupt Pflanzen in der Wohnung?
Whatever. Ich bin müde. Lege den Minirevolver zurück in den Schrank und reibe mir die Augen.
»Was für ’n Tag.«
»Das kannst du laut sagen.«
»Für dich doch nicht.«
»Doch, auch. Ich habe heute Morgen ein Shooting gehabt.«
»Ach so. Was für eins?«
»Gummistiefel.«
»Wie viel?«
»Sechshundert.«
»Das ist gut.«
»Vier Stunden.«
»Ist okay.«
»Ja.«
Er kratzt sich den Kopf und gibt mir einen Kuss auf die Wange.
»Und du, Süße? Wie war die Show?«
»Ach, nichts Großes. Ich weiß nicht, was mit Lorenzo zurzeit los ist. Seine Bookings sind einfach nicht mehr so gut. Aus irgendeinem Grund engagiert er keine guten Leute mehr. Ich bin dann diejenige, die versucht, die Show zu retten. Es bleibt am Ende immer an der Drag hängen.«
Wir verlassen die Küche. Laufen durch den Flur und hören, wie Fabio vor sich hin brabbelt. Ziemlich strange. Spähen durch seine Zimmertür und sehen ihn, wie er sich vor seinem Schrank hinkniet, aus dem ein Lichtschein fällt und Blätter herausragen.
»So ist das also. Ich habe mich schon gewundert, welche Pflanzen du meinst. Jetzt verstehe ich das.«
Er dreht sich um und sieht mir tief in die Augen.
»Ja. Und ich weiß nicht, wie viel Frau Topf schon weiß.«
Wende mich Sebastião zu.
»Na toll. Siehst du, was du angerichtet hast. Jetzt ist er völlig übergeschnappt.«
Er zuckt mit den Schultern. Ich bin genervt und möchte nur noch schlafen. Gehe zurück in die Küche. Werfe drei Schlaftabletten ins Glas und kippe das Zeug runter. Eine starke Frau braucht starke Medizin. Reibe mir den Mund trocken und ab in mein Zimmer. Basta! Pelle mich aus meinem Kleid. Wie viel Zeit meines kostbaren Lebens ich damit vergeude. Obwohl ich das eigentlich doch ganz gerne mache. Was soll’s. Schlüpfe unter die Bettdecke, zünde mir eine Slim an und zähle das Geld, das ich unter meinem Bett in einer kleinen Box lagere. Ich liebe das Gefühl von Fünfhundert-Euro-Scheinen in der Hand. Zwitscher vor mich hin.