Читать книгу Kate Glory Lie - Stefan Scheufelen - Страница 8

Оглавление

Nach ein paar Stunden

Ich könnte mich direkt übergeben. Dieser Alkoholgeschmack auf der Zunge. Appetitlich. Doch das muss man in Kauf nehmen. Auf das eine folgt das andere. Stehe auf und ersticke fast an dem Qualm, der sich in meinem Zimmer angesammelt hat. Ganz schön bedeckt hier. Wedle mir mit der Hand ein wenig Luft zu. Das erinnert mich an die Geschichte von gestern. Oder vorgestern? Diese Chaoten. Laufe als Leiche ins Bad. Meine Augen sitzen drei Zentimeter tiefer als sonst. Meine Mundwinkel zeigen nicht nach oben, sondern nach unten. Meine Haare, ach, meine Haare. Damit will ich gar nicht erst anfangen. Sie sehen aus wie diese vorbeirollenden Steppenläufer in den Westernfilmen. Das genügt. Ziehe die Nase hoch und kratze mich am Bein. Sebastião stürmt durch die Badtür herein und wirft sich über die Toilettenschüssel.

»Du hast es ja eilig.«

Er übergibt sich. Ich mache weiter vorm Spiegel.

»Ist es nicht beeindruckend, wie viel in so einen Magen passt?«

Er muss wieder würgen.

»Ich sollte zur Kosmetik gehen und alles machen lassen. Schau mich mal an. Das geht so nicht. Ich sehe aus wie ’ne Vogelscheuche.«

Er dreht sich zu mir und schaut mich an. Gleich darauf ist sein Kopf wieder in der Kloschüssel, und er kotzt weiter.

»Na, Dankeschön! Das hätte man auch ein wenig sanfter ausdrücken können.«

Verdrehe die Augen und schnappe mir zwei Einwegrasierer. Ziehe mich aus. Stelle mich unter die Dusche und rasiere mich.

»Sebastião. Hast du mal wieder Lust auf Waxing?«

Er gibt leidende Geräusche von sich.

»Ja, ich weiß. Es tut ziemlich weh. Aber es lohnt sich.«

Keine Reaktion. Ich dusche weiter und erhole mich ein wenig von der Nacht. Als ich die Dusche verlasse, sehe ich Sebastião mit dem Kopf auf der Kloschüssel. Er ist eingeschlafen. Herrlicher Anblick. Ich schleiche in mein Zimmer und hole die Polaroid-Kamera. Komme zurück und mache ein Foto. Es sieht umwerfend aus. Das sollte er in seine Unterlagen fürs Jobcenter legen. Drücke doppelseitiges Klebeband auf die Rückseite und schmücke damit den Kühlschrank.

»Mein Geburtstag. Happy Birthday, Kate.«

Das Apartment sieht schrecklich aus. Der Küchentisch ist von einer weißen Schicht überzogen. Es riecht nach Zigarettenqualm, Sex und Latex. Fabio jammert in seinem Zimmer herum. Ein typischer Sonntag. Und wenn der Sonntag nicht so ist, dann spätestens der Montag. Es klingelt an der Tür. Erschrecke und springe auf. Wer klingelt denn sonntagmorgens an der Tür? Schaue auf die Uhr, um mich zu bestätigen. Es ist 15:27. Es klingelt noch mal. Gehe zur Tür und sehe, daneben steht ein Paket. Es ist nicht für uns. In meinem Kopf macht es Klick. Wir müssen ein Paket für die Nachbarn angenommen haben. Erlaube mir einen kleinen Streich und ziehe mich bis auf die Unterwäsche aus. Die Beine sind rasiert, also können sie nichts sagen. Auf dem Küchentisch liegt noch eine Latexmaske herum, die einen BVG-Kontrolleur darstellen soll. Die ist ja schrecklich! Sie hat Narben, Blut und alles, was einen schaudern lässt. Ziehe sie über. Es ziept ganz schön an den Haaren. Nehme das Paket und öffne die Tür.

Stürze auf meine Nachbarin zu und brülle sie an: »Wo ist Ihr Ticket?«

Sie reißt die Augen auf und schreit los. Ich schüttle das Paket. Sie zittert am ganzen Körper und ist schlagartig blass im Gesicht. Mit unverändert schockiertem Gesichtsausdruck steht sie da und bekommt keinen Ton mehr heraus. Es vergehen einige Sekunden. Merkwürdig. Was hat sie denn? Ob die gleich ohnmächtig wird?

»Hallo? Ist bei Ihnen alles in Ordnung?«

Keine Reaktion. Genauso wie Sebastião auf dem Klo. Das scheint der Sonntag wohl mit den Menschen zu machen. Ziehe mir die Maske vom Kopf und muss schmunzeln. Echt gute Idee mit dem Kontrolleur. Reiche ihr vorsichtig das Paket. Sie, noch immer apathisch, kann es gerade so entgegennehmen. Sie zeigt mir die Karte, auf der die Adresse und die Paketdaten geschrieben stehen. Als ob ich die sehen will.

Ich nicke und sage: »Alles gut, Kleine.«

Immer noch keine Reaktion. Sie ist wie erstarrt.

»Also. Dann noch ’nen schönen Tag.«

Mache einen Schritt nach hinten und schließe langsam die Tür. Habe ich merkwürdige Nachbarn. Ach ja, ich sollte mich später noch bei meinen beiden für die schöne Überraschungsparty bedanken. Gehe in mein Zimmer und versuche, mein Leben wieder in den Griff zu bekommen.

Kate Glory Lie

Подняться наверх