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Halbschlaf

Ein Handy klingelt. Scheiße! Beim Versuch, meinen Oberkörper aufzurichten, stürze ich vom Bett. Es knallt und bebt.

»Autsch!«

Ich habe mir den Kopf angeschlagen. Stehe auf. Ich kann meine Augen kaum öffnen. Reibe mir durchs Gesicht und sehe vor mir diesen Knäuel an Menschen. Arme. Beine. Gesichter. Haare. Wundervoll. Ich mache mich daran, sie zu zählen, und komme auf fünf. Hätte nicht gedacht, dass so viele in mein Bett passen. Wieder was dazugelernt. Suche Odette. Ach ja, da ist sie ja. Ganz unten vergraben unter Cesar und Abla. Wie süß sie aussieht, wenn sie schläft. Werfe ihr einen Luftkuss zu. Plötzlich wird dieser schnucklige Moment von einem Schnarchen ruiniert. Es kommt von Simon. Verdrehe die Augen. Wie ich diesen Kerl hasse! Gehe in die Küche, hole den Minirevolver und komme zurück. Wie mache ich das am besten? Nehme ein Kissen, drücke es auf seinen Kopf und dann die Pistole. Ich möchte ja niemanden aufwecken. Spanne den Hahn und drücke ab. Es knallt nicht allzu laut. Gut gemacht. Die anderen schlafen noch. Langsam verfärbt sich das Kissen. Das ist natürlich blöd. Jetzt muss das in die Reinigung. Dort bin ich bereits Stammkunde. Leider bleibt das alles nur Kopfkino. Er schnarcht weiter. Ich verlasse den Raum und gehe ins Wohnzimmer. Trete auf einen Dildo, der zur Seite wegspringt. Halte mich gerade noch an der Wand fest. Das ist ja ein Minenfeld hier. Überall liegt etwas herum. Unterwäsche. Sexspielzeug. Nackte Menschen. Und ein kleiner Hund. Wie kommt der denn hierher? Den hab ich gestern gar nicht bemerkt. An was kann ich mich überhaupt noch erinnern? Alles ist ein wenig verschwommen. Ist der echt? Ja. Es ist ein Zwergdackel. Der ist ja süß. Mir kommen gleich die Tränen. Springe völlig euphorisch über all die Fallen auf dem Boden und beuge mich runter zu ihm.

»Du bist ja niedlich.«

Er wedelt mit seinem kleinen Schwanz. Nehme ihn auf den Arm und streichle sein Fell. Er gähnt mit seinem süßen Maul. Ich drücke meinen Kopf auf seinen Körper und kuschele mit ihm.

»Braves Kerlchen. Ganz brav.«

Stehe auf und trage ihn in die Küche. Ich brauche unbedingt einen Espresso. Auch die Küche ist voll mit nackten Menschen. Ich fasse es nicht. Es ist immer das Gleiche mit den beiden. Wenn sie eine Party schmeißen, endet es in einer Orgie. Die Wände mussten schon einmal komplett neu gestrichen werden. Kibum schläft auf dem Herd. Da muss ich aber eigentlich ran. Schaue den Zwergdackel an.

»Na, mein Kleiner. Das ändern wir gleich mal, oder?«

Er zieht den Kopf ein. Ich könnte ihn auffressen, so süß ist er. Gehe an die Herdplatte und drehe auf Stufe zwölf. Den Rest bereite ich schon vor. Schnappe mir die Mokkakanne. Fülle sie mit Wasser, Kaffee rein und zudrehen. Es kommt noch keine Reaktion. Ich grinse. Der Zwergdackel quietscht. Ob auch Hunde ein Faible für schwarzen Humor haben? Setze mich hin und warte auf den großen Moment. Der Hund legt sich auf den Küchentisch. Schon quillt ein wenig Rauch unter der Hose hervor. Merkwürdig. Er sollte es eigentlich merken. Ich bin erstaunt. Die Küchenuhr tickt. Das ist der große Countdown. Plötzlich verzieht er das Gesicht und reibt seine Nase. Jetzt reißt er die Augen auf. Er schreit und springt auf. Fasst sich an den Hintern und hampelt hin und her. Mein kleiner Zwergdackel erschreckt sich und wird zu einer Kampfmaschine. Eine neue Seite an ihm. Er springt vom Küchentisch und beißt Kibum in den Schritt. Kibum schreit nun noch lauter. Mein süßer kleiner Freund hängt zwischen seinen Beinen. Es ist ein wundervoller Anblick! Kibum ähnelt jetzt einem Karatekämpfer. Ich kann mir das Lachen nicht verkneifen. Und dazu knurrt auch noch der Hund. Ist das nicht zum Schießen!

»Bravo! Bravo!«

Kibum versucht, das Tier loszuwerden. Vergeblich.

»Fantastisch!«

Ich beginne zu klatschen. Nun rastet er völlig aus. Er läuft mitsamt dem Dackel im Schritt zum Gewürzschrank. Oh nein, was hat er vor? Er öffnet den Schrank und greift sich die Waffe. Shit.

»Nein! Mach das nicht!«

Er drückt ab. Meine flüchtige Bekanntschaft fällt zu Boden. Ich hebe die Hand vor den Mund. Kibum atmet hysterisch. Er hat den Gesichtsausdruck eines Mörders. Noch immer richtet er den Revolver auf das kleine Kerlchen. Was für eine Szene. Ich bin total geschockt.

»Du bist doch verrückt geworden!«

Er reagiert nicht. Er steht noch völlig neben sich.

Ich frage: »Na toll. Weißt du wenigstens, wem der gehört?«

So langsam beruhigt er sich wieder.

»Nein. Ja, doch! Ich glaub, der ist von Susi. Oder doch von Cesar. Ach, was weiß ich.«

»Du bist so durch. Wenn ich in Zukunft einen Auftragskiller brauche, melde ich mich bei dir. Du warst nicht zufällig … wie heißt noch gleich diese kriminelle Bande, da, wo du herkommst?«

»Du meinst Yakuza? Das ist Japan! Ich komme aus Südkorea.«

»Ach so. Stimmt.«

Er verdreht die Augen.

»Tut mir leid.«

»Ja, ist schon okay.«

»Überleg dir besser mal, was wir mit dem Hund machen sollen.«

Er kratzt sich im Schritt.

»Es tut immer noch weh.«

Ich nicke verständnisvoll. Dann plötzlich Geräusche aus dem Wohnzimmer.

»Schnell, beeil dich. Der Schuss muss sie geweckt haben. Mach was!«

»Was denn?«

»Na irgendwas!«

Er dreht sich verzweifelt im Kreis. Plötzlich hält er sich den Revolver an die Schläfe und kneift die Augen zusammen. Ich springe auf.

»Wow. Wow. Komm runter!«

Reiße ihm die Waffe aus der Hand und lege sie zurück in den Schrank.

»Du Spinner, ey.«

Schnappe mir den Köter, öffne das Fenster und werfe ihn so weit weg, wie ich nur kann. Schließe schnell wieder das Fenster. Plötzlich hören wir einen lauten Knall auf der Straße. Verdammt. Verstecke mich unter dem Fenstersims. Erhebe mich leicht, um etwas sehen zu können.

»Das sind wirklich zwei Autos gewesen. Scheiße.«

»Habt ihr das gehört? Draußen muss wohl ’n Unfall gewesen sein.«

Wir erschrecken und drehen uns um. Es ist Odette, die die Küche betritt.

»Wie seht ihr denn aus?«

Sie lacht.

»Wart ihr etwa die ganze Zeit wach?«

Kibum nickt angespannt mit dem Kopf. Odette schaut ihn mit abwertendem Blick an. Den hat sie drauf. Dann richtet sie ihre Augen auf mich. Und schon ändert sich das ganze Gesicht. Was für eine Diva!

Ich lächle sie an und sage: »Ach, Süße. Die Pille, die du mir gegeben hast, die lässt mich ja gar nicht mehr schlafen.«

»Das ist merkwürdig. Eigentlich sollte die Wirkung nicht so lange dauern.«

»Das nennt man anhalten.«

»Das machen doch der Zug oder das Auto?«

»Ja, so ist nun mal die deutsche Sprache. Manche Wörter haben mehrere Bedeutungen.«

Okay. Dann eben – anhalten.«

Giftig, die Kleine. Ich mache eine Klaue und fauche ihr zu. Sie lächelt. Auf der Straße schreien Menschen entsetzt durch die Gegend.

»Ich sollte mich wieder hinlegen.«

Kibum steht völlig fassungslos da. Eigentlich ein lustiger Anblick. Rauche ich noch eine Zigarette? Ja. Greife mir die Schachtel, die auf dem Küchentisch liegt. Die beiden schauen mir zu. Drücke die Slim auf die heiße Herdplatte und verteile den Rauch in der Luft. Gebe Kibum ein High Five und Odette einen Kuss auf den Mund.

»Mach’s gut, meine Süße.«

Sie zwinkert mir zu.

Als ich die Küche verlassen will, hält sie mich zurück.

»Kate.«

»Ja?«

»Ich hab ’nen Auftrag für dich.«

»Einen Auftrag? Schon wieder?«

»Ja. Außer es ist dir zu viel gerade?«

»Nein. Nein. So hab ich das nicht gemeint. Ich brauch das Geld.«

»Sehr gut. Ich hab Fabio schon alle Informationen gegeben. Sprich mit ihm, wenn du wieder fit bist.«

»Okay.«

Sie wirft mir einen Luftkuss zu. Ich erwidere ihn und gehe in mein Zimmer. Werfe alle aus meinem Bett und lege mich schlafen. Auch wenn ich nicht wirklich müde bin, will ich wenigstens so tun. Dann verschwinden sie endlich. Ich habe für heute genug von Menschen. Und besonders von Simon! Trete ihm noch einmal in die Kniekehle, so dass er hinfällt. Ich lasse es so aussehen, als hätte ich mich im Schlaf gedreht. Lache in mein Kissen.

Kate Glory Lie

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