Читать книгу DIE SUCHE NACH DER MACHT - Stefan Sethe - Страница 3
Vorwort
ОглавлениеHabe nun, ach! Wirtschaft, Philosophie,
Juristerei und Soziologie,
Und leider auch Politik
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor
Jeder kennt die Monologe in Goethes „Faust“:
„Geschrieben steht: Im Anfang war das Wort!“
Und weiter geht es:
„Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort?“
Leider habe ich sehr spät „gestockt“ und zu lange „das Wort“ in mein Leben einfließen lassen: Bin Presse- und Regierungssprecher geworden, glaubte oft, mit Worten gegen Windmühlenflügel kämpfen zu können. Inzwischen weiß ich:
„Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen,
Ich muss es anders übersetzen, …
Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft?
Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft!“
Ein von Goethe vielleicht etwas zu stiefmütterlich behandelter Kernsatz, denn ohne Kraft ist keine Bewegung möglich, und die Kraft ist es, die meistens fehlt. Um Veränderungen zu bewirken und Worte in Taten umzusetzen, muss man vor allem auch physisch und psychisch dazu in der Lage sein. Letztlich hatte der alte Geheimrat aber doch sehr richtig erkannt:
„Mir hilft der Geist! Auf einmal seh ich Rat
Und schreibe getrost: Im Anfang war die Tat!“
Möge es künftig mehr Menschen beschieden sein, Kräfte zu mobilisieren, die zur Erneuerungen führen! Nicht im Stile dumpf protestierender „Wutbürger“, sondern als Vernunftbürger, die gezielt vor gehen gegen die allgemeine Pflichtvergessenheit, gegen die Verantwortungsscheue von Politikern und Verwaltung und gegen die Verantwortungslosigkeit unserer Wohlstandsgesellschaft! - Um jedoch den hehren teutonischen Weisheiten des Verwaltungsjuristen Goethe ein wenig mehr Leichtigkeit zu verleihen, sei noch der Moralist und Skeptiker Erich Kästner zitiert, der Goethes Drama auf die eingängige Formel brachte: „Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es!“
Es geht in diesem Buch nicht darum, den Stein der Weisen zu finden oder gar gefunden zu haben. Natürlich irre ich mich in vielem, und natürlich gibt es zu jedem Thema inzwischen profiliertere und ausführlichere Darstellungen. Ich bitte, meine Beiträge, Artikel und Erinnerungen aus 40jähriger politischer und Verwaltungstätigkeit daher vor allem als Anregungen zu verstehen, über den Tellerrand hinaus zu schauen, sich selbst infrage zu stellen, Vorurteile immer wieder zu überprüfen, kritisch und kreativ andere Sichtweisen zuzulassen, ständig nach neuen Lösungen zu suchen – und ggf. dafür zu kämpfen.
Betriebsblindheit gepaart mit Routine und Veränderungsängsten haben in den letzten Jahrzehnten gesellschaftliche Verkrustungen geschaffen, die immer schwerer aufzubrechen sind, und die Industriestaaten, namentlich Deutschland, in lähmende Zwangslagen gebracht haben, aus der sie sich nur noch sehr schwer befreien können. Es muss deshalb darum gehen, sich die geistige und wirtschaftliche Unabhängigkeit zu bewahren. Es mag trivial klingen, doch nur wer sein Herz nicht an materielle Güter hängt, wer Reklame ignoriert, wer Sachzwänge belächelt, nur der bewahrt sich die geistige Freiheit und Frische, die eine Gesellschaft braucht, um sich zu erneuern und zu entwickeln.