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d) Die Schaffung eines europäischen Binnenmarktes
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In seiner ersten Phase trug das Europarecht stark zu einer Liberalisierung des nationalen Wirtschaftsrechts bei, indem die nationalen wirtschaftsrechtlichen Vorschriften häufig als unverhältnismäßige Behinderung des Binnenmarktes eingestuft wurden[39]. Zunehmend gestaltete die EU aber auch aktiv ganze Sektoren um und öffnete sie für den Binnenmarkt. Erst unter dem Einfluss Brüsseler Vorgaben kam es zur Privatisierung vormals staatlicher Monopole im Bereich der Daseinsvorsorge, beginnend mit der Telekommunikation (s. Rn 498). Nicht immer wurde dies in Deutschland aber wahrgenommen. Die Liberalisierung der Kapitalmärkte und des Bankenwesens beispielsweise hatte in anderen Mitgliedstaaten erhebliche Auswirkungen; in Deutschland blieben die anfänglichen Entwicklungen zunächst praktisch unbemerkt, weil die ersten Richtlinien auf entsprechend freie Märkte trafen.
Auch die Vollendung des Binnenmarktes lässt sich nicht nur mit dem politischen Ziel der Einigung Europas, sondern ebenfalls mit gängigen ökonomischen Theorien und Vorstellungen begründen. Der Gedanke, dass das grenzüberschreitend arbeitsteilige Wirtschaften für alle Beteiligten wirtschaftlich vorteilhaft ist, geht bereits auf Adam Smith und David Ricardo zurück[40]. Gerade für den europäischen Kapitalmarkt haben aktuelle ökonomische Studien[41], die erheblichen Einfluss auf die Konzepte der Kommission haben, die Integration der nationalen Märkte als Wachstumsfaktor betont, nicht zuletzt als Voraussetzung für die Positionierung der europäischen Wirtschaft angesichts der Herausforderungen der Globalisierung. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber, dass auch die Auslegung von Marktfreiheiten und europäischem Wettbewerbsrecht stark von ökonomischen Vorstellungen geprägt ist, in denen sich letztlich das Ringen um den Ausgleich von wirtschaftlicher Freiheit des Einzelnen und staatlicher bzw europäischer Kontrolle wiederholt. Innovationsanreize lassen sich allerdings – auch nach Ansicht von Wirtschaftswissenschaftlern – nicht nur durch Regulierungsfreistellung, sondern durch zusätzliche, aber an ökonomischen Grundsätzen orientierte Regulierung schaffen. Beschränkt sich aber auch das Unionsrecht insgesamt nicht auf eine („reine“) Marktwirtschaft, so relativiert sich auch die Frage einer europarechtlichen Überformung der deutschen „Wirtschaftsverfassung“[42].