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Gene für die Persönlichkeit?

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Viele Gene haben für die Wissenschaft bereits ihre Funktion enthüllt, zum Beispiel für Haar- und Augenfarbe oder Erbkrankheiten. Doch gibt es auch Gene für unsere Persönlichkeit? Wird unser Charakter durch das Erbgut festgelegt? Ist die Entwicklung unserer Persönlichkeit genetisch festgelegt, analysier- und vorhersagbar? Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Veranlagung etwa die Hälfte unserer persönlichen Konstitution ausmacht. Intelligenz, Temperament und Charakter sind danach zu 50 Prozent genetisch bedingt. Gefunden hat jedoch bislang noch niemand diese speziellen Gene oder Gen-Kombinationen, die die Persönlichkeit bestimmen.

Dennoch würde heute niemand mehr behaupten, dass alles, was uns ausmacht, anerzogen ist. Vielmehr ist die Sache so komplex, dass man Persönlichkeitsmerkmale nicht an einzelnen Genen festmachen kann. „Es gibt keine Einbahnstraße vom Genom zur Persönlichkeit“, schreibt Jens B. Asendorpf, Professor für Persönlichkeitspsychologie von der Humboldt Universität Berlin, „sondern ein viele Aktivitätsebenen umspannendes Wirkungsnetz“ (siehe „Persönlichkeitspsychologie für Bachelor“, S. 147).

Dass Vererbung einen Anteil an unserer Persönlichkeit hat, steht heute jedoch fest. Nehmen wir es wie den Fall Aristoteles – Mendel: Aristoteles ahnte bereits 2000 Jahre vor der Entdeckung der Gene, dass Menschen etwas in sich tragen, das sie an künftige Generationen weitergeben. Wie konnte es sonst sein, dass der Sohn dem Vater oder der Mutter so ähnlich war? Ebenso gehen Wissenschaftler verschiedener Disziplinen heute davon aus, dass nicht nur unser Aussehen, sondern auch unsere Intelligenz, unser Charakter und unser Temperament zumindest teilweise angeboren sind.

Vererbung und Umwelteinfluss

Auch wenn die Bausteine für unsere Persönlichkeit noch nicht gefunden sind, ist klar, dass wir nicht nur durch unser Umfeld geformt sind. Diese Annahme aus den 1960er-Jahren, bei der so weit gegangen wurde, zu behaupten, dass nur Erziehung und Umwelt aus einem Mädchen ein Mädchen und aus einem Jungen einen Jungen machen, ist hinlänglich widerlegt. Und mal ehrlich: Welche Eltern haben das nicht selbst an ihren Kindern beobachtet: Da ziehen sie ihr Töchterchen bewusst nicht rosa Schühchen an, um sie nicht in das Klein-Mädchen-Schema zu pressen. Und womit liegt die Kleine ihnen dann ständig in den Ohren? Mit den pinkfarbenen Ballerinas. Und der Bruder? Schnappt sich auf dem Spazierweg ein Stöckchen und macht: „Peng! Peng!“

Der Kern Ihrer Persönlichkeit

Wir kommen nicht als unbeschriebenes Blatt auf die Welt. Wissenschaftler gehen von folgender Annahme aus: Jeder Mensch hat einen genetisch festgelegten Kern seiner Persönlichkeit. Das bedeutet für Sie: Teile Ihres Temperaments, Ihrer Art zu denken, Ihres Charakters, Ihrer Intelligenz sind angeboren. Das erklärt auch, warum mehrere Menschen, die in derselben Umgebung aufwachsen, sich völlig unterschiedlich entwickeln. Geschwister, die von denselben Eltern erzogen wurden, streben in völlig unterschiedliche Richtungen, benehmen sich unterschiedlich, bilden sogar krasse Gegensätze. Der Kern ihrer Persönlichkeit unterscheidet sie voneinander und die gleiche Umwelt macht aus ihnen nicht automatisch gleiche Menschen. Selbst wenn sie miteinander verwandt sind – ihr Erbgut ist in einem Maße verschieden, dass sie sich unterschiedlich entwickeln und ihre ureigene Persönlichkeit ausleben. Nur eineiige Zwillinge stellen einen Sonderfall dar: Ihr Erbgut ist im Gegensatz zu anderen Verwandten identisch. Eineiige Zwillinge, die in verschiedenen Umgebungen aufwachsen, entwickeln daher zum Teil dieselben Vorlieben, Abneigungen, ja sogar Ticks oder Macken. Ihr übereinstimmender genetisch veranlagter Persönlichkeitskern sorgt dafür.

Umwelt und Erziehung

Gleichzeitig ist es sonnenklar, dass wir nicht unter einer sterilen Vakuum-Glocke aufwachsen. Bereits im Mutterleib werden wir mit unzähligen Impulsen konfrontiert: mit Berührungen, Geräuschen, Temperaturschwankungen. Wir agieren, reagieren, interagieren – permanent. Später kommen die Sinne voll zum Einsatz: Wir hören, sehen, fühlen, riechen und schmecken. Auch das permanent. Dabei unterliegt das, was wir hören, sehen, fühlen, riechen und schmecken – kurz: was wir wahrnehmen –, unserem persönlichen Filter.

Verschiedene Wahrnehmungsfilter

Dieser Filter entsteht durch die Erfahrungen, die wir machen, und die Schlüsse, die wir daraus ziehen. Weil wir unfähig sind, die Millionen von Eindrücken zu verarbeiten, die sekündlich auf uns einprasseln, haben wir uns darauf verlegt, eine Auswahl zu treffen. Wir nehmen etwas wahr (das nur ein geringer Teil dessen ist, was wirklich passiert) und leiten daraus eine Bedeutung (die nur eine Möglichkeit aus vielen ist) ab. Tatsächlich passiert gleichzeitig sehr viel mehr, was wir gar nicht wahrgenommen haben. Und es sind immer mehrere Bedeutungen dessen möglich, was wir wahrgenommen haben. Das ist der Grund, warum verschiedene Menschen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen: Aufgrund ihrer unterschiedlichen Veranlagung und ihres individuellen Erfahrungshintergrunds haben sie unterschiedliche Filter entwickelt – dazu ein Beispiel:

Verschiedene Erfahrungen – verschiedene Wahrnehmungsfilter

■ Sophie sieht, dass Mama böse guckt. Sie hat gelernt, dass jemand, der böse guckt, verärgert ist und dass es dafür einen Grund gibt. Sophie verfügt in ihrem Erfahrungsschatz über diverse Erinnerungen, in denen sie Anlass zu Verärgerung gegeben zu haben glaubt. Sie folgert daraus: „Ich habe etwas falsch gemacht. Ich war nicht brav genug. Ich muss mich entschuldigen.“

■ Ihre Schwester Klara geht da ganz anders vor: „Mama guckt böse? Ach, sie ist mal wieder schlecht drauf. Wahrscheinlich hat sie zu wenig geschlafen oder Ärger bei der Arbeit. Ich gehe mal besser in mein Zimmer und lasse sie in Ruhe.“

■ Der kleine Bruder, Paul, zieht seinerseits wiederum einen anderen Schluss: „Mama geht es nicht gut. Das macht mich traurig. Ich unternehme etwas, dann geht es ihr wieder gut.“ Er geht in den Garten und kommt mit einem Strauß Gänseblümchen zurück.

So nützlich unser Filter ist, um uns vor Reizüberflutung und Überforderung zu schützen, so wichtig ist es für Sie zu wissen, dass der Filter nur Ihre persönliche Sicht auf die Dinge zulässt. Er behindert Sie immer dann, wenn Sie:

■ das ganze Bild sehen wollen,

■ andere Menschen verstehen wollen,

■ Klarheit gewinnen wollen oder

■ sich neue Wahlmöglichkeiten eröffnen möchten.

SELBSTCOACHING-TOOL

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Filter öffnen, um festzustellen, was von Ihrem persönlichen Blickwinkel ausgeblendet wird

Immer dann, wenn Sie

■ die Antwort auf eine Frage nicht finden,

■ Sie das Gefühl haben, im Nebel zu versinken,

■ sich über andere wundern oder aufregen,

■ wichtige Entscheidungen treffen müssen,

■ sich schlecht, unfähig oder minderwertig fühlen oder

■ sich neue Handlungsmöglichkeiten erschließen wollen,

erinnern Sie sich an den Filter in Ihrem Kopf!

Darum: Wenn es Ihnen hilft, stellen Sie sich die Belüftungsschlitze im Auto vor. Sie stellen sie normalerweise von Ihrem Platz für sich ein und meistens bleiben sie so – bis sich irgendwas ändert, es heiß wird und Sie mehr direkte Luft haben wollen. Dann fällt Ihnen ein, dass Sie die Schlitze auch nach oben, unten, rechts, links ausrichten können.

Und so machen Sie sich Ihren Filter bewusst:

■ Spielen Sie alle Möglichkeiten durch, wirklich alle, auch die scheinbar noch so idiotischen. Alles, was denkbar ist, ist eine Möglichkeit!

■ Mama guckt sauer? Was könnte alles ein Grund dafür sein? Sie ärgert sich. Sie ist müde. Sie konzentriert sich. Sie erinnert sich an ein Erlebnis. Sie denkt an ihren Chef. Sie ist im Stress wegen des Kindergeburtstages. Sie übt für ein Theaterstück. Sie zählt ihre Stirnfalten. Sie freut sich, will es aber nicht zeigen. Sie probt für ihre nächste Gehaltsverhandlung. Sie muss etwas reklamieren. Sie muss gleich jemanden anrufen, den sie nicht mag. Die Mikrowelle ist schon wieder kaputt. Die Waage hat das falsche Gewicht angezeigt. Die Werkstatt-Rechnung ist viel höher ausgefallen als erwartet.

Sie sehen, diese Liste ließe sich noch beliebig verlängern. Denken Sie daran: Auch wenn Sie sich sicher sind, richtigzuliegen: Es gibt immer auch noch andere Deutungsmöglichkeiten. Bevor Sie sich festlegen, verschaffen Sie sich lieber Klarheit. Interpretieren Sie nicht so viel, prüfen Sie die Fakten. Besonders, wenn andere Menschen betroffen sind. Fragen Sie lieber nach, bevor Sie Ihre Schlüsse ziehen. Vielleicht ist alles ganz anders. Ob und was Sie daraus machen, ist eine andere Frage. Allein die Tatsache, dass Sie Ihren Filter öffnen, unterscheidet Sie von den meisten anderen Menschen.

Also: Das nächste Mal, wenn

■ Sie keine andere Lösung sehen,

■ Sie nicht wissen, was Sie tun sollen,

■ Sie etwas nicht nachvollziehen können,

■ Sie denken, Sie wüssten, wie etwas wirklich ist,

erinnern Sie sich daran, dass Ihr Filter Ihnen die Sicht auf andere Möglichkeiten versperrt.

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