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KAPITEL 3 EIN HOLPRIGER START IM MANLY BEACH INN

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Sam war überhaupt nicht böse, als ich ihm davon erzählte. Night managen war ein total beliebter Job im Hostel, denn jeder wollte irgendwie Miete sparen. Auch wenn Maria nein gesagt hätte, hätte er mit der Minute jemand anderen gefunden.

Gleich am nächsten Morgen machte ich mich auf den Weg zum Beach Inn, um mir das Apartment anzuschauen.

Ich hatte immer das Gefühl, es sah cooler aus. Von außen wirkte es immer so, als wäre es voll groß und neu. In der Realität war es ein kleines Zimmer mit einer Matratze in der Mitte. Gegenüber war die Küche, die aus einem Kühlschrank und einem Waschbecken mit einem Unterschränkchen bestand. Daneben der Fernseher und sogar ein DVD Player in einem musste ich zugeben, total schönen alten Holzregal mit Schwingtüren. Es hatte aus unerklärlichen Gründen drei Nachtschränkchen und über dem Bett waren zwei Surfbretter auf einem Gestell verstaut, was den Raum schon sehr beachig und cool aussehen ließ. Das machte das ganze schon sehr australisch. Ich nahm an, sie gehörten Tim, was bedeutete, dass ich sie nicht ewig als Deko behalten konnte. Das war zwar schade, aber man konnte ja nicht alles haben. Neben dem Bett stand ein rot-orangener 60er-Jahre Sessel mit einem silbernen Fuß in der Mitte. Der gefiel mir auch ganz gut. Das Bad bestand aus einer Toilette und einer Dusche, getrennt durch eine Wand. Schnell stellte ich fest, dass alles insgesamt sehr dreckig war und ich putzen musste wie ein Weltmeister, um mich jemals wohl zu fühlen.

„Ich glaube, dieses Zimmer wurde seit mindestens einem Jahr nicht mehr geputzt“, sagte Estefania völlig außer sich, während wir uns so umschauten.

Die Wand neben der Schiebetür begann zu schimmeln und das Holz brach raus.

„Da gibt es einiges zu tun“, bemerkte ich.

„Oh ja, aber wenn es einmal geputzt ist, ist es bestimmt ziemlich nett.“

Estefania war offensichtlich sehr geschockt darüber, wie die beiden Männer das Zimmer verwahrlosen ließen.

„Auf jeden Fall. Es ist zwar ziemlich dunkel hier drin, aber es wird alles meins sein. Meine Dusche, mein Klo, mein Kühlschrank, mein Fernseher.“, erwiderte ich optimistisch.

„Ja, dann sag ich Belinda mal Bescheid und sag Michael, das er ausziehen muss.“

„Okay.“


„Michael meinte, er muss sich ja was anderes suchen und braucht noch ein paar Tage, aber Belinda will, dass du den Job gleich übernimmst und solange eins der Zimmer im Beach Inn bekommst“, erklärte mir Estefania ein paar Stunden später am Telefon.

Belinda, die zur gleichen Zeit, als Sam das Hostel übernahm, das Beach Inn gekauft hatte, schien mir schon immer eine nettere Chefin gewesen zu sein. So ließ ich das Hostel hinter mir und zog am nächsten Tag in Nummer 12 ein, einem schönen Doppelzimmer in der obersten Etage, zwar ohne Bad und Küche, aber mit viel Licht und einem großen Bett. Das hätte mir auch gut gefallen.

Am Nachmittag lief mir der erste Gast in der Küche über den Weg. Er sah südländisch aus. Er hatte schwarze, kurz rasierte Haare, fast schon schwarze Augen und war braun gebrannt. Ich fuhr ja auf solche Typen gar nicht ab und dazu kam er mir leider auch noch so eingebildet vor.

„Hey, wie geht’s? Ich bin Adam, bist du jetzt Night Manager? Gott sei Dank, Michael ist so ein Loser.“, fing er im Nu an, mit heftigen Gestikulationen auf mich ein zu quasseln.

„Ja, heute ist mein erster Abend. Mal schauen, wie es läuft. Hatte zwar vor, ins Boatshed zu gehen, da ist jeden Mittwoch Songwriter-Kontest, aber meine Freundin ist krank und hat abgesagt.“, erzählte ich ihm, um etwas zu small talken.

„Boatshed, oh man. Naja, vielleicht hab ich ja später Lust.“, erwiderte er und machte auf zu cool für diese Welt.

Er sprach ziemlich laut, aber schien im Großen und Ganzen eigentlich ganz nett zu sein.

Später traf ich noch ein paar weitere Gäste bei einer Zigarette im Innenhof. Jim, ein Ur-Aussi, Mitte fünfzig, wohnte schon seit fast einem Jahr hier im Beach Inn. Er arbeitete im Krankenhaus in Manly als Pfleger. Er hatte grau-schwarzes, dünnes Haar, wie die meisten älteren Australier viele Falten im Gesicht und einen Totenkopf auf seinem Unterarm tätowiert. Er sah aus, als wäre er vor seiner Krankenpfleger-Karriere Koch auf einem Piratenschiff gewesen.

Und dann sollte ich auch Michael das erste Mal begegnen. Ich verstand gleich, was Estefania meinte mit „Eindruck machen“. Er hatte eine dieser billigen Jogginghosen an mit weißen Knöpfen an den Seiten, die vor Jahren mal in Mode waren. Er sah total abgemagert aus und hatte lange, blonde Haare und einen Dreitagebart, was ihn wie einen Obdachlosen wirken ließ. Seine knochigen Finger hielten eine der riesen VB Bierflaschen und er zündete sich eine selbstgerollte Zigarette an. Eine halbe Stunde später tauchte Adam auf. Jim und er schienen sich nicht sehr gut zu verstehen. Sie machten komische Anspielungen und es hörte sich nicht sehr freundlich an. „Also gehen wir dann ins Boatshed?“, fragte mich Adam.

„Ja, ich würde schon gerne gehen. Muss halt nur um 22 Uhr hier die Türen zumachen.“, erklärte ich verlegen, da ich nicht wollte, dass alle Gäste mitbekamen, dass ich weggehen wollte

„Ach, das macht der Jim schon für dich. Nicht wahr Jim?«. Adam drehte sich zu Jim und schaute ihn mit bestimmender Miene an. »Du sitzt eh immer länger hier draußen.“

„Ich mach hier nix. Was willst du denn?“, erwiderte Jim genervt.

„Ja ja, der macht das schon, mach dir keine Gedanken.“, beteuerte Adam.

Ich war mir nicht wirklich so sicher, aber Adam schien ihn besser zu kennen.

Die Bar war anders als sonst gut gefüllt und ich freute mich, mal wieder die lokalen Bands zu hören. Ja, das gute alte Boatshed, das sich wie ein U-Boot unter der Erde versteckte, mit alten Schwimmringen, Fischernetzen und einer alten Landkarte an der Wand, welche die Nordstrände zeigte und Preise und Dauer für die Fähre in den 50er Jahren. Süße Holztische und Stühle kuschelten in der Kerzenlichtatmosphäre.

Wir setzten uns rechts in die Raucherecke und nach einer halben Stunde musste ich leider feststellen, dass Adam nicht wegen der Musik gekommen war und anfing mich zu nerven. Er sprühte nicht sehr von Intelligenz und dachte, ich bin eine von denen, die man betrunken machen kann, um sie ins Bett zu kriegen.

Wie kam man am schnellsten aus solch einer Situation raus? Das war immer so eine Zwickmühle. Eigentlich konnte es einem ja scheißegal sein und man könnte einfach den Abflug machen, doch andererseits wollte man die Person nicht verletzten. Obwohl man sie kaum kannte, setzte trotzdem das Gewissen ein, ein guter Mensch sein zu wollen.

Naja, ich ließ mir erst mal nichts anmerken und versuchte der Musik zu lauschen. Als es null Uhr war, fragte ich ihn, ob wir gehen können. Es war doch schon spät und ich wollte sicher gehen, dass im Beach Inn alles in Ordnung war.

Da es aus Eimern schüttete, hielt Adam kurzerhand ein Taxi an und dann hatte er nicht mal Geld, um es zu bezahlen.

So schnell konnte der Fahrer gar nicht schauen, hatte er Adam’s Handy als Pfand in der Hand und Adam rannte ins Beach Inn. Ich konnte ihn von draußen hören, wie er über den Regen fluchte und dass er so nass geworden war. Als ich in den Gang lief, kam mir Brian, Belinda’s Freund entgegen, der vorübergehend auch im Beach Inn wohnte.

„Was ist denn hier los und wieso ist die Tür zum Innenhof noch auf?“, rief er mir entgegen.

Scheiße, das kann nicht wahr sein. Jim hat die Tür offen gelassen und jetzt ist es schon Mitternacht und Belinda hat mir noch erzählt, dass in letzter Zeit oft geklaut worden war, schoss es mir durch den Kopf.

Da stand er nun, ihr Freund und erwischte mich, wie ich an meinem ersten Abend nach Hause kam und nicht im Beach Inn aufgepasst hatte.

So ein Arsch von Adam, dachte ich mir wutentbrannt.

Nach einer verzweifelten Klarstellung der Situation, wimmelte ich Brian ab, schloss alle Türen und machte mich auf in den zweiten Stock. Ohne um meine Erlaubnis zu fragen, kam Adam einfach mit in mein Zimmer spaziert, um sich noch ein bisschen zu unterhalten. Seine schleimige und auch irgendwie schwule Ader ging mir immer mehr auf den Keks und nach zehn Minuten wollte ich ihm langsam klar machen, dass ich müde war.

„Okay, kein Thema.“, meinte er.

Er bewegte sich in Richtung Tür, blieb dann aber abrupt stehen und schaute mich verlegen an.

„Ach nichts.“, murmelte er vor sich hin.

Obwohl ich lieber die Tür zugehauen hätte, da ich gar nicht wissen wollte, was er mir noch zu sagen hatte, ging ich auf sein Spielchen ein.

„Was ist denn?“, fragte ich geduldig.

„Ach, ich wollte dir nur sagen, dass ich voll gerne heute Nacht bei dir…“, begann er.

„Nein danke.“, unterbrach ich ihn sogleich und schloss die Tür hinter ihm zu.

















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