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KAPITEL 4 ǀ EIN FAST VOLLKOMMENES PARADIES

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Eine Woche später sollte sich meine Glückssträhne fortsetzen, als mir Estefania erzählte, dass sie für drei Wochen nach Argentinien machte und mich fragte, ob ich nicht auch an der Rezeption arbeiten wollte, um mir noch etwas dazu zu verdienen. Bisher hatte ich mir zwar die Miete gespart, aber mit einem Tag Arbeit die Woche im Hostel für hundert Dollar ließ sich nicht viel Geld auf die Seite legen.

„Ach ja, und willst du die Internetbuchungen fürs Backpackers auch noch übernehmen? Sam nervt mich voll, ruft mich dauernd an und ich will mir den Stress echt nicht mehr antun. Das wäre ja auch noch ein bisschen Geld für dich und es ist nicht so viel Arbeit.“, fragte sie gleich hinterher, als ich mal wieder bei ihr an der Rezeption vorbei geschaut hatte.

„Echt? Auf jeden Fall.“, erwiderte ich hocherfreut.

Das war kaum zu glauben. Ich hatte mir in so kurzer Zeit nicht nur eine freie Unterkunft ergattert, für die ich ein paar Mal die Woche abends Leute einchecken und die Küche sauber halten musste, sondern auch einen Job an der Rezeption im selben Haus drei bis vier Mal die Woche und ich übernahm die Internetbuchungen für hundert Dollar pro Woche. Langsam fing es an, mir zu gefallen. Nicht zu vergessen, dass ich nur eine Minute vom Strand entfernt wohnte.

Also flog Estefania nach Argentinien und ich übernahm so ziemlich alle ihre Tätigkeiten. Nach kürzester Zeit sah ich mich in der Arbeit versunken. Entweder arbeitete ich an der Rezeption im Beach Inn und rannte danach, bevor ich night managen musste, zum Backpackers, um alle Online-Buchungen einzugeben oder ich befand mich gleich an der Rezeption im Backpackers und lief nach Schichtende schnell heim, um meinen Night Manager Pflichten im Beach Inn nachzugehen.

Viel Zeit für Freizeit blieb nicht, aber das brauchte ich auch in diesem Moment gar nicht. Mir war es doch wichtiger, mich finanziell erst mal wieder auf die Beine zu stellen und es tat gut, bei den wenigen Freunden, die ich noch vor Ort hatte, ständig beschäftigt zu sein.

So vergingen die Wochen und ich hatte absolut nichts mehr mit der Backpackers-Crew zu tun. Ab und zu traf ich mich mit Steve und Carla, doch das sollte auch bald vorbei sein.

An einem meiner freien Tage nahm mich Steve mit raus zum surfen. Er hatte erst ein nagelneues Brett geschenkt bekommen und konnte mir so sein altes Board leihen und mir das Surfen beibringen.

Es war ein wunderschöner Tag. Die Sonne zeigte sich von ihrer besten Seite, der Sand war weicher denn je und die Wellen waren perfekt. Nicht zu rau und nicht zu flach, genau richtig, um einem deutschen Mädel das Surfen schmackhaft zu machen.

Zuerst ließ ich mich flach auf dem Bauch liegend von einer Welle mitnehmen. Was für ein Rausch das war. Ich hätte nie gedacht, dass sich das so toll anfühlen konnte. Sofort war mir klar, warum so viele diesem Sport nachgingen. Es war ein fantastisches Gefühl.

Nachdem ich wieder zurück gepaddelt war, erklärte mir Steve die grundlegenden Schritte, um auf dem Brett stehen zu können, nachdem man eine Welle erwischt hatte. Völlig motiviert und aufgeregt schaute ich ihm zu, wie er sich auf eine Welle vorbereitete, sie bekam und davon ritt.

Sofort drehte ich mich auf dem Board rum und sah, wie meine perfekte Welle näher rückte. Ich konnte es spüren. Diese Welle würde mich aufstehen lassen. Ich drehte mich wieder rum, spürte die Wucht unter dem Brett, sprang in die Hocke und ließ mich sofort wieder fallen.

Damit hatte ich ja gar nicht gerechnet. Ich war so kurz davor, doch plötzlich tauchte Steve mit seinem Board direkt vor mir auf und ich war dabei, direkt auf ihn zu zustürmen. Ich hatte keine Ahnung, was ich machen sollte. Ich war Millisekunden davor, meinem besten Kumpel den Kopf abzureißen. Da ich absolut nicht reagierte, nahm das Board mir die Entscheidung ab, indem es wie rutschige Seife unter dem Bauch wegschmierte und nach rechts wegflog.

Nach gefühlten Stunden unter dem Wasser kam ich wieder an die Oberfläche und ohne großartig Luft zu holen, hielt ich nach Steve Ausschau.

„Steve, Steve, ist alles ok? Oh mein Gott, ich hatte keine Ahnung, dass du genau vor mir auftauchen wirst. Fuck. Es tut mir so leid. Geht‘s dir gut?”, schrie ich nur so um mich.

„Sag mal spinnst du?”, keifte er zurück.

„Was ist passiert? Geht‘s dir gut? Hat mein Board dich getroffen?” Ich war völlig mit den Nerven am Ende.

„Mit mir ist alles in Ordnung, aber schau dir mein Brett an. Schau dir diese Delle an. Fuuuuuck!”, schrie er mich an.

„Oh shit. Ey, so sorry, Steve, aber ich wusste nicht, dass du genau vor mir bist. Ich dachte, du bist mehr nach links weggesurft, man.”, versuchte ich mich zu erklären.

Das war das letzte, was ich an diesem Tag zu Steve sagen sollte. Wie ein Tsunami stürmte er aus dem Wasser. Ich rief ihm zich mal hinterher, entschuldigte mich, aber keine Reaktion. Mir war wirklich nach heulen zumute.

Konnte man das denn nicht reparieren? Und war es nicht auch ein bisschen seine eigene Schuld? Ich bin doch diejenige, die keine Ahnung vom Surfen hat. Sollte er das nicht beachten und mir aus dem Weg gehen? Sonst sind doch auch immer tausend Leute im Wasser und jeder nimmt die Welle, die er kriegen kann und man geht sich irgendwie aus dem Weg. Man, genau davor hatte ich immer Angst, deswegen wollte ich es nie ausprobieren und zack, zehn Minuten später ruiniere ich das nagelneue Surfbrett von meinem besten Freund. Nie mehr geh ich surfen, nie mehr.

Tausend Gedanken strömten durch mein aufgewühltes Gehirn.

Total verängstigt schlich ich Steve hinterher in die Wohnung, sah wie er die Tür zum Bad zuknallte und hörte, wie die Dusche anging. Ich glaub, ich mach lieber, dass ich hier wegkomme, bevor er aus dem Bad wieder kommt. Das letzte, was er jetzt sehen will, bin ich, die irgendwie in der Gegend rumstammelt, überlegte ich mir, während ich versuchte, mir im Wohnzimmer den superangeklebten Neoprenanzug vom Leib zu reißen und mir dabei noch fast die Füße brach. Wie diese Surfer das jeden Tag mitmachen konnten, ging mir nicht ein. Ich litt ja nicht an Klaustrophobie, aber konnte mir dadurch doch ein gutes Bild davon machen. Schnell schlüpfte ich in meine Sachen und verschwand durch die Hintertür in der Küche.

Ohne Zeit zu verlieren, lief ich in den ersten Surfshop, den ich fand und erkundigte mich, wie viel es kostete, so eine Delle zu reparieren. Und es war ja mal wieder klar, dass die Surfer Boys, die dort arbeiteten, anfingen zu fachsimpeln und mir zu verstehen gaben, dass man das ja nicht so genau sagen konnte, ohne das Board und die besagte Delle gesehen zu haben.

Was kann es denn für zich verschiedene Dellen in einem Surfbrett geben?, fragte ich mich super genervt. „Kann man denn nicht ungefähr sagen, was es generell kostet, eine Delle auszubeulen?“, fragte ich leicht gereizt. Ich hatte ja nicht unbedingt einen Goldesel zu Hause und trotz der vielen Jobs hatte ich noch nicht wirklich viel Geld gespart. Ich hatte ja alle Ersparnisse für den Flug ausgegeben und die erste Woche davon gelebt. Da kann ich mich nicht wirklich überraschen lassen. Ich musste schon ziemlich genau wissen, was da auf mich zukam.

„Ja das kann zwischen $50 und $150 kosten, je nachdem, wie tief die Delle ist und wie sehr das Material beschädigt ist“, erklärte mir einer der mega gutaussehenden, langhaarigen Surfertypen.

Mit diesen wagen Infos lief ich aus dem Geschäft und rief sofort Steve an, um ihm anzubieten, es reparieren zu lassen. Doch er versicherte mir, dass es schon ok war und er sich selbst drum kümmern wollte. Ich bat ihm vier Mal an, mindestens die Hälfte dafür zu bezahlen, wenigstens etwas, wenn er schon nicht wollte, dass ich es komplett übernahm, aber er lehnte immer wieder ab.


Zwei Wochen hatte ich nichts von ihm gehört und als Carla mich bei einem Besuch dann noch blöd von der Seite anmachte, platzte mir der Kragen. Ich sollte mich nicht wundern, wenn ich mich nie richtig bei ihm entschuldigen konnte.

„Ich habe mich tausend Mal entschuldigt.“, rief ich empört.

„Ja, aber Steve meinte, es ist keine Entschuldigung, wenn danach immer gleich ein ‚aber‘ kommt.“, versuchte sie mir seine Sichtweise zu erläutern. Eindeutig mit einer Tendenz zur Parteiergreifung.

„Was? Was soll das denn? Ich meine ja damit nur, dass ich nicht wissen konnte, dass er genau vor mir auftaucht und ich hab es auch oft ohne einen Nebensatz gesagt. Das ist lächerlich.“, verteidigte ich mich mit Tränen in den Augen. Ich musste mich extrem zusammenreißen, dass meine Lippen vor

Aufregung nicht anfingen zu zittern.

„Ja und dafür bezahlen wolltest du auch keinen Pfennig.“, stichelte Karla plötzlich weiter.

Ich war wirklich baff. Ich konnte einfach nicht verstehen, was plötzlich in Karla geraten war. So kannte ich sie gar nicht. Noch nie hatte ich sie so fies erlebt. Es war, als hätte Steve sie hypnotisiert.

„Also, jetzt reicht‘s mir aber. Das ist überhaupt nicht wahr. Ich bin sofort in einen Laden gegangen, hab mich erkundigt, was eine Reparatur kostet und hab ihn sofort angerufen. Ich habe ihm auch mehrmals angeboten, dafür aufzukommen oder zumindest einen Teil zu tragen. Er hat aber immer wieder abgelehnt. Sag mal, was ist denn mit euch los?“

Das war eines der letzten Gespräche, die ich für einige Zeit mit Carla führen sollte. Sie entschloss sich kurzerhand, in die USA zurückzukehren und ließ Steve einfach zurück. So schnell konnte man seine besten Freunde verlieren, dachte ich zumindest.


Doch Steve tauchte nach einigen Wochen vor meiner Tür auf, nachdem ich Minuten zuvor seinen Anruf ignoriert hatte.

„Oh hey, Steve. Wie geht’s dir. Lange nicht gesehen.“, stammelte ich leicht nervös.

„Hey! Ja, gut und selbst?“, fragte er sichtlich verunsichert zurück.

„Ja, man lebt, ne. Alles in Ordnung soweit. Setz dich doch.“

So richtig vermisst hatte ich ihn ja nicht gerade. Er war nie einer meiner umgänglichsten Freunde gewesen. Sein Humor war sehr gewöhnungsbedürftig und seine Sprüche oft unterste Schublade. Kein Wunder, dass er sich blendend mit Jim und Ed verstand.

Es hatte sich ziemlich schnell, wie jeden Spätnachmittag, meine Beach Inn

Crew um den Tisch im Innenhof versammelt, der sich direkt vor meiner Apartmenttür befand.

Da waren natürlich Jim und Brian, dann hatten sich kurz nach meiner Ankunft Ed und Sian einquartiert, genauso wie Cat, Dom und Albert.

Ed und Sian waren ein Pärchen aus England, das erst ein Jahr in Asien verbracht hatte und sich nun Australien anschauen wollte, wenn sie schon mal in der Ecke waren. Ed war eigentlich Personal Trainer und hatte Englisch in Asien gelehrt. Sian war Journalistin und schrieb für jede Zeitung, die sie auf der Reise anheurte. So landete sie in Asien auf einer Pressekonferenz mit Oasis, da sich keiner ihrer asiatischen Kollegen für diese unbekannte Band interessierte. Umso mehr freute sich Sian.

Ich verstand mich auf Anhieb mit den beiden und genoss jede Woche, die sie im Beach Inn verlängerten.

Cat und Dan waren da ein ganz anderes Kaliber. Cat kam ursprünglich aus Brisbane und Dan kam ganz aus der Nähe. Ein lustiges, alternatives, junges Pärchen. Allerdings merkte ich erst nach einiger Zeit, dass die beiden eher Ausreißer von zu Hause waren, als alt genug, um ein eigenständiges Leben zu führen. Cat war stolze Sozialhilfeempfängerin mit nur 17. Dan versuchte sich als Bauarbeiter, wenn er nicht verschlief.

Und dann war da noch Albert. Er wohnte im schönsten Zimmer. Es lag im obersten Stock, ganze vorne in der linken Ecke und hatte somit perfekten Meerblick. Das Zimmer war auch das geräumigste von allen Trio Räumen, da das Doppelstockbett nicht aus einem Metallgestell bestand, sondern aus Holz in die Wand eingebaut war. Auch hatte das Zimmer anders als die anderen Twins und Trios einen Tisch, einen Stuhl und einen Kühlschrank. So schnell zog Albert, der in einem Bioladen als Koch arbeitete, da nicht mehr aus.

Mir hatte es sofort seine ruhige, entspannte Art und sein sympathisches Lächeln angetan. Obwohl er schrecklich gemachte, viel zu dicke Dreads hatte und einen kleinen Bierbauch, war es wirklich seine ausgeglichene, super liebe Ausstrahlung, der ich nicht widerstehen konnte und mir Schmetterlinge im Bauch bereitete.

Meine kleine Truppe machte es mir natürlich super leicht, mich wieder mit Steve zu vertragen bzw. zu vergessen, was geschehen war und die Freundschaft einfach wieder so weiter zu führen wie zuvor. Steves Witze kamen gut an und unsere Gemeinschaft hatte sich um ein neues Mitglied erweitert.

So vergingen Tage, an denen ich mich fühlte wie im Paradies. Jeden Abend versammelten wir uns im Innenhof und genossen einen oder mehrere Feierabendjoints und –biere und quatschen bis zum Einschlafen. Nie war es langweilig und die wenigen, die sich im Winter nach Manly trauten, verstanden sich, zumindest im Beach Inn, blendend.

Ein weiteres Mitglied wurde aufgenommen, als coffee stain Andy eines Tages vor der Tür stand. Sein Name rührte daher, dass er beim Einchecken einen hellgrauen Pullover mit einem riesigen, braunen Fleck vorne drauf anhatte. Er hätte seinen Becher Kaffee am Morgen auf der Arbeit verschüttet. Das leuchtete natürlich ein. Harmlos und nett wirkte er.

Ein Zimmer im Erdgeschoss ist ausreichend, geben wir ihm halt ein paar Tage, dachte ich mir damals insgeheim.

Geblieben war er ein paar Monate. Coffee stain Andy kam aus einem winzigen Dorf an der Küste südlich von Adelaide. Wie sich später herausstellte, machte er sich aus dem Staub, da er mit dem Recht in Konflikt gekommen war und ließ Frau und Kind dort zurück. Er hatte noch nie zuvor einen ausländischen Akzent wie meinen gehört, so klein schien das Dorf gewesen zu sein. Er lachte sich immer kaputt, wenn ich bestimmte Wörter benutzte oder Ausdrücke, die grammatikalisch nicht ganz richtig waren. Er hatte eine außergewöhnlich krächzende, helltönige Stimme und hatte auch immer einen Spruch auf Lager. So kam er einfach nicht drum herum, unser Hofnarr zu werden.

Estefania war mittlerweile wieder aus Argentinien zurückgekehrt, reichte aber sofort die Kündigung ein und überließ mir im wahrsten Sinne des Wortes alle ihre Jobs. Sie hatte eine Stelle als Buchhalterin gefunden.

Die Idylle war perfekt, bis Belinda an einem meiner freien Tage Peter eincheckte.

Peter war ein verdürrter, knochiger, braungebrannter Mann Mitte 50. Er zog in Zimmer 1 ein, das direkt gegenüber der Rezeption lag, mit dem Fenster neben der Eingangstür. Nicht wirklich eins der beliebtesten Zimmer, da das Fenster direkt an der Straße lag, im Erdgeschoss war und man jeden ein und ausgehen hörte, aber Peter schien dies alles nicht zu stören.

Ich kam mit ihm das erste Mal in der Küche ins Gespräch. Es stellte sich heraus, dass er eigentlich aus Stuttgart kam bzw. seine Eltern. Er wuchs in Australien auf, sprach perfekt den australischen Akzent, genauso aber auch schwäbisch. Er war wohl ein klassischer Chef in einer großen Firma gewesen, der in seiner Midlife-Crisis alles hinschmiss, weil er genug hatte. Das war zumindest die Story, die er mir damals von sich erzählte. So zog er es vor, zu reisen, früh um fünf am Strand Yoga zu machen und sich treiben zu lassen. Er war sehr nett und so dachte ich mir nichts dabei, ihm nach Arbeitsschluss ein bisschen die Gegend zu zeigen. Das stellte sich jedoch nach einiger Zeit als grober Fehler heraus.

Die Tage verstrichen und er wurde allen immer suspekter. Vor allem mir, da er jeden Morgen um fünf Uhr im Innenhof lauthals beim Radiohören alle Lieder mit grölte, die er über seine Kopfhörer hörte. Da meine Glastür im Innenhof direkt an der Sitzecke war und nicht sehr schalldicht, wurde ich so jeden Tag drei Stunden zu früh von einem krächzenden, alten Mann geweckt. Seine Kommentare, während wir so in der Runde saßen, wurden auch immer unverständlicher, seltsamer und angriffslustiger. Er saß nie normal da, musste immer seine Beine in merkwürdige Positionen verrenken. Zufälligerweise hatte ich dann auch noch die Chance, einen Blick in sein Zimmer zu werfen und es traf mich der Schlag. In kürzester Zeit hatte er es in einen Urwald von Gerümpel verwandelt. Seine Sachen waren einfach überall, sogar ein Fahrrad hing von der Decke. Es war nicht normal.

Als ich dann eines Tages in der Mittagspause eine Sprachnachricht von ihm auf meinem Handy abhörte, wurde mir klar, dass wirklich etwas nicht mit ihm in Ordnung war.

„Sonja, ich habe dich gerade versucht, an der Rezeption aufzusuchen und du gehst nicht an dein Telefon wie es deine Verpflichtung als Night Manager ist. Ich glaube nicht, dass du ausreichend deinen Verpflichtungen nachgehst, vielleicht solltest du dir überlegen, einen anderen, passenderen Job zu suchen.“

Total baff blieb ich im Gang stehen und traute meinen Ohren nicht, was ich da gehört hatte. Da war ich nun, in meiner Mittagspause, wie es das Öffnungszeitenschild an der Rezeptionstür zeigte und sollte ans Telefon gehen, obwohl ich, wie es der Name ‚Night Manager‘ schon sagte, erst abends dazu verpflichtet war.

„Was fällt diesem Vollidioten eigentlich ein? Was ist denn mit dem los?“, rief ich in Richtung Jim, der in dem Moment um die Ecke gekommen war und deutete dabei auf die Tür von Zimmer 1.

„Ja, äh, der fragt jeden Tag nach dir, wenn du in der Mittagspause bist oder nicht da bist. Das geht schon seit Wochen so. Ich glaub, du hast dir einen Stalker angelacht.“, erwiderte Jim leicht verunsichert.

„Was? Wieso hat mir das denn keiner gesagt? Wieso kommst du erst jetzt damit an?“, fragte ich ihn total entgeistert.

„Äh, naja. Ich dachte, er wäre harmlos und hab mir nichts dabei gedacht.“, versuchte er sich herauszureden.

Leider wurde aus dem harmlosen, netten Mann ein verrückter, total durchgedrehter Schizo, der anscheinend seine Medikamente vor einiger Zeit abgesetzt hatte.

Da ich ihn einfach nicht einschätzen konnte, entschied ich, diesen Vorfall unter den Tisch fallen zu lassen und hoffte einfach nur, dass er sich wieder einkriegte. Leider kam er wenige Tage später total empört zur Rezeption und beschwerte sich völlig aufgelöst, wieso ich am Vorabend nicht alle zum DVD gucken in mein Apartment eingeladen hatte. Diese Aktion brachte das Fass endgültig zum überlaufen und ich explodierte and Ort und Stelle, zumindest innerlich. Mein Apartment war so groß wie manch anderer Badezimmer. Außerdem hatte ich endlich mal die Chance bekommen, mit Albert allein zu sein und war total happy, dass er überhaupt zugesagt hatte.

Es war unvorstellbar schwierig gewesen, eine Art Date mit ihm zu arrangieren, da wir so gut wie nie alleine waren. Es war immer jemand da. Sogar an diesem besagten Abend starrten uns alle an, als ich Albert fragte, ob er den Film nun gucken wollte und wir durch die Schiebetür verschwanden. Das war so unangenehm.

Natürlich war absolut nichts passiert, außer dass ich am nächsten Morgen vor einem wutentbrannten Verrückten saß, der es sich gerade auf dem Sofa gegenüber bequem gemacht hatte und mich erwartungsvoll anstarrte.

„Äh, erst mal ist meine Bude total klein, da passen nicht so viele Leute rein und außerdem, wieso sollte ich?“, gab ich zur Antwort.

„Ja, das ist voll unsozial von dir.“, patzte er mich an.

„Wieso? Albert und ich wollten einen Film anschauen. Niemand anderen hat es gestört, dass ich sie nicht eingeladen habe.“

„Woher weißt du das denn? Es hat mich gestört.“, sagte er immer noch wütend.

„Peter, was willst du eigentlich von mir? Ja gut. Es war ein Date, ok. Willst du das hören? Und wieso solltest du es auch nicht, du bist 56 Jahre alt, ich bin 22, was willst du von mir?“, schnauzte ich ihn an.

Völlig überrascht sah er mich an und verlies wortlos den Raum. Meine Hände zitterten unter der Tischplatte. Ich war schweißgebadet und vermutlich so weiß wie die Wand, vor der ich saß. Endlich war es raus. Endlich. Aber so konnte das wirklich nicht weiter gehen.













Australien. Auswandern. Ausklamüsern.

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