Читать книгу Tiara - Stefanie Worbs - Страница 10

Оглавление

6

Er ging voraus und einen schmalen Trampelpfad entlang. Es hätte auch ein Wildwechsel sein können, doch Tia erkannte an Ilkays sicheren Schritten, dass er öfter hier entlang lief. Er führte sie durch einen kleinen Wald und einen Hügel hinauf. Weiter oben lichteten sich die Bäume. Dort reichte er ihr eine Hand, um ihr bei einem etwas steileren Stück zu helfen. Seine Finger umschlossen ihre und sofort spürte Tia wieder dieses Kribbeln im Bauch. Oben angekommen, drehte Ilkay sie in die Richtung, aus der sie gekommen waren und ihr stockte der Atem.

Der Ausblick war traumhaft. Die untergehende Sonne tauchte die Landschaft in ein warmes Orange-Rot. Das Lager unter ihnen lag still da und der Wald darum herum, bildete einen wunderschönen, dunklen Kontrast zu den hellen Zelten und freien Plätzen. Links vom Lager lag Griza, deren Gebäude länger werdende Schatten warfen und ebenso orange leuchteten wie der Himmel. Dies und ihre unmittelbare Umgebung gaben Tia ein Gefühl von Frieden.

„Und? Habe ich zu viel versprochen?“, fragte Ilkay und sie konnte ihn dabei lächeln hören.

„Nein. Es ist unbeschreiblich.“

„Komm, setz dich. Den Sonnenuntergang solltest du nicht verpassen.“

Sie ließen sich im Gras nieder und eine angenehme Stille stellte sich ein. Tia genoss die Ruhe. Sonst waren immer irgendwelche Leute um sie herum oder Pferde wieherten. Irgendwer machte immer Lärm. Doch hier war es einfach nur still. Ab und zu sang ein Vogel, doch das störte überhaupt nicht.

„Das Lager ist echt riesig“, brach sie schließlich das Schweigen. „Es muss ewig gedauert haben, es aufzubauen.“

„Fast drei Jahre. Anfangs gab es nur das da vorn.“ Ilkay deutete auf den Teil des Lagers, in dem sie angekommen waren. „Wir haben immer mehr Truppen rekrutiert, also brauchten wir immer mehr Platz. Wenn du genau hinschaust, kannst du erkennen, welche Teile die Neueren sind.“

Tia versuchte, die Unterschiede auszumachen, und sah, was er meinte. Von hier oben konnte man gut sehen, welche Truppen zusammengehörten. Jede hatte eine andere Art ihre Zelte zu stellen oder die Feuer anzulegen. Sie sah auch ihre Kavallerie. Der Boden war noch nicht richtig festgetreten und der Platz, wo ihre Zelte standen, war noch grün. Weiter zu den Kommandozelten hin wurde er immer dunkler.

„Wie viel Mann umfasst das Heer jetzt?“, wollte sie wissen und versuchte es selbst zu schätzen.

„Ungefähr 5000 Mann, wenn man wirklich alle mitzählt. Also auch die Bediensteten und Schmiede und so weiter.“

„Und wie viele Einheiten gibt es?“

„Drei Bataillone Fußsoldaten, meine Reiter und euch.“

„Nur? Kommen noch mehr?“

Er schmunzelte kurz, wurde dann aber ernster. „Wir hatten noch Nachrichten in den Süden gesandt. Dort tummeln sich ähnliche Trupps, wie ihr es seid. Doch von denen kam noch keine Antwort. Wir gehen davon aus, dass keiner mehr kommt.“

„Warum ruft ihr eigentlich alle zusammen?“

Ilkay sah sie verwirrt an. „Hat Heras euch das nicht gesagt?“

„Er weiß es?“

„Natürlich. Es stand in der Nachricht. Wir wollen die Ahen endgültig zerschlagen. Es gibt Berichte über ihre Truppen im Norden und vom Ost-Gebirge her. Wir müssen verhindern, dass sie uns einkesseln und vernichten.“

Tia starrte ihn fassungslos an. „Heras hat kein Wort darüber gesagt!“

„Er hätte euch unterrichten sollen. Ihr seid also hier und wisst gar nicht warum? Das ist nicht gut. Ich werde das ansprechen müssen.“

„Ja“, brachte sie nur heraus. Sie war perplex. Heras hatte nichts gesagt. Nur, dass der General darum gebeten hatte, sie sollten in den Osten kommen und sich dem Heer vorerst anschließen. Dass die Ahen schon Stellungen im Norden und den östlichen Bergen hatten, hatte er nie erwähnt.

„Ich frage mich, warum er es euch nicht erzählt hat“, überlegte Ilkay laut.

Tia grübelte ebenfalls. „Vielleicht dachte er, wir würden ihm nicht folgen.“

„Warum denn?“

„Wir haben uns zusammengeschlossen, um den Westen zu verteidigen. Jetzt sind wir im Osten. Niemand ist mehr da um Jolan, Mertes oder Lohven zu schützen. Ganz zu schweigen von den unzähligen Dörfern, die nicht mal den Vorzug einer Stadtmauer genießen. Ich kann mir vorstellen, dass sich mindestens die Hälfte der Reiter von der Kavallerie getrennt hätte, um dortzubleiben.“

„Warum seid ihr ihm gefolgt? Was hat Heras euch erzählt?“

„Nur dass wir gebeten wurden herzukommen und uns euch anzuschließen. Um ehrlich zu sein, hat niemand damit gerechnet, dass wir lange hierbleiben. Wir dachten, es gäbe ein paar Aufträge für uns und da im Westen momentan alles ruhig ist, sind wir hergekommen. Wir können unser Land nicht ewig sich selbst überlassen, Ilkay“, gab sie ihm zu bedenken.

Er schwieg kurz. „Wärst du dageblieben, wenn du es gewusst hättest?“

Sie sah ihn an, dann senkte sie den Blick. „Ich denke schon.“ Sie spürte, wie er sie beobachtete.

„Wenn das so ist, bin ich froh, dass er euch nichts gesagt hat.“

Sie schloss die Augen. Da war es. Sie hatte es im Gefühl gehabt. Schon die ganze Zeit, seit er sie bei ihrer Ankunft hier berührt hatte. Es waren nicht mal drei Tage seitdem vergangen, doch sie fühlte sich in seiner Gegenwart schon, als würde sie ihn Jahre kennen. Wieder stieg das Kribbeln in ihr auf. Es war nicht richtig. Es durfte nicht sein.

Er sagte nichts weiter. Irgendwann hob sie den Blick zum Horizont und erhaschte gerade noch die letzten Strahlen der Sonne. Eine leichte Kühle legte sich auf Tias Haut, als sie endgültig hinter den Bäumen verschwand.

„Wir sollten zurückgehen“, sagte sie leise.

„Das sollten wir.“ Der Hauptmann stand auf und hielt ihr eine Hand hin. Wider aller guten Vorsätze nahm Tia sie und ließ sich hochhelfen. Sie folgte ihm den Weg zurück, der nun im Dämmerlicht lag. Die beiden erreichten den Zaun und Ilkay schob die zwei Stämme nach innen, damit sie hinein konnte, dann folgte er ihr. Er hatte ihre Hand die ganze Zeit festgehalten, doch nun entzog Tia sie ihm sanft, als die Stämme wieder an ihren Platz zurückgeschwungen waren. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und musste seinen enttäuschten Blick verdauen.

Es ist nicht richtig, versteh das doch, dachte Tia und schaute betreten zu Boden.

„Danke, dass du mir das gezeigt hast“, flüsterte sie.

„Gerne. Ich bringe dich noch zu deinem Lager.“

„Nein danke, geht schon. Ich glaube, es ist besser, wenn wir uns hier trennen.“

Noch ein enttäuschter Blick. „Gut, wie du möchtest.“

Sie wandte sich um und ging davon. Seinen Blick im Rücken.

Das ist so falsch! Ich darf das nicht! Er darf das nicht! Wieso fühle ich so was überhaupt? Ich will das nicht! Es ist so falsch! Tia tat in dieser Nacht kein Auge zu. Tamara war nicht da gewesen, als sie angekommen war und so konnte sie wenigsten diesem Gespräch vorerst aus dem Weg gehen. Sie hoffte inständig, dass ihre Freundin keine Fragen stellen würde. Auch wenn diese Hoffnung vergebens war. Sie konnte sich zwar vor dem Verhör drücken und wusste auch, dass Tamara irgendwann aufgeben würde. Sie musste dafür nur lange genug durchhalten. Was aber noch wichtiger sein würde, war Ablenkung. Wenn sie zu viel darüber - über ihn - nachdachte, würde das überhaupt nichts besser machen.

Schuldgefühle stiegen in Tia auf, als sie an Kain dachte. Sie hatte ihn geliebt und verloren. Nach seinem Tod war sie davon ausgegangen, nie wieder jemanden so ins Herz schließen zu können. Und nun war da dieser Hauptmann mit den eisblauen Augen aufgetaucht. So plötzlich und so intensiv, dass es ihr sogar ein wenig Angst machte. Was würde geschehen, wenn sie diese Gefühle, nicht unter Kontrolle bekam?

Er war so schnell, so nah dran, in ihr Herz zu gelangen und wenn er erst drin war, hätte sie keine Chance mehr ihn rauszubekommen. Und das war so falsch. Es waren die falsche Zeit, der falsche Ort, die falschen Umstände. Nichts passte. Es würde und konnte nie passen. Aussichtslos beschrieb das alles am besten. Außerdem wollte sie nicht. Selbst wenn es erlaubt gewesen wäre.

Sie wälzte sich von einer Seite auf die andere, bis der Morgen graute. Ein neuer Tag. Heute würde sie alles anders machen. Sie musste Ilkay fernhalten, denn wenn er ständig in ihrer Nähe auftauchte, würde das nie vergehen. Also bereitete sie sich innerlich darauf vor, noch mehr enttäuschte Blicke zu ernten.

Eine Woche verging und Tia hielt eisern durch. Immer wenn der Hauptmann in der Nähe war, ließ sie sich etwas einfallen, um verschwinden zu können. Bis auf zwei Versammlungen im Kommandozelt konnte sie ihn gut auf Abstand halten.

In den ersten Tagen hatte er noch öfter versucht, sie zu erwischen, doch immer ohne Erfolg. Sie sah Tamara mit den Achseln zucken, als er einmal bei ihr ankam und Tia selbst so schnell verschwand, wie es ihr möglich gewesen war. Wenn er sie unter einem Vorwand zu sich rief, ließ sie sich Ausreden einfallen und schickte Tamara vor.

Ihre Freundin hatte natürlich alles versucht, um ihr Informationen über den Abend zu entlocken, an dem sie nicht gleich ins Lager zurückgekommen war. Doch auch das hatte Tia gemeistert, indem sie einfach alle Fragen oder Andeutungen standhaft ignoriert hatte. Schließlich hatte Tamara, wie erhofft, aufgegeben.

Nach dieser Woche war Tia nervlich einfach nur müde. Am liebsten wäre sie auf Dohan gestiegen und zurück nach Lohven geritten. Heras hatte der Kavallerie endlich alle Pläne offenbart. Und wie erwartet, gab es Empörungen und negative Ausrufe. Am Ende hatten sich jedoch alle fürs Bleiben entschieden. Die Kameradschaft war einfach stärker. Jetzt hofften sie alle nur, dass die bevorstehenden Schlachten schnell kamen und für sie positiv ausgingen, damit sie so schnell wie möglich zurückkehren konnten.

Tia trainierte ab dem dritten Tag der Woche wieder mit. Die kleineren Schnitte waren, dank Miras guter Behandlung, schnell verheilt und nur noch als rote Striemen sichtbar. Nur der große, genähte Schnitt durfte noch nicht belastet werden. Also übte Tia mit links und zog die Bogensehne nicht so weit wie üblich an.

Ihre Schützen machten große Fortschritte und sie genoss es, sich in diese Aufgabe zu stürzen. Es lenkte sie ab. Trotzdem erwischte sie sich selbst immer wieder dabei, wie sie unauffällig die Umgebung nach den eisblauen Augen absuchte. Als Ilkay schließlich aufzugeben schien und sich von ihr fernhielt, musste sie sich eingestehen, dass es sie enttäuschte. Allerdings schob sie dieses Gefühl sofort beiseite. Sie wollte ja, dass er es tat.

Die zweite Woche brach dann mit Regen und Stürmen an, was Tia allerdings nicht davon abhielt, ihre Leute trainieren zu lassen. Sie murrten und beschwerten sich, doch sie gab nicht nach. Das schlechte Wetter bot eine gute Gelegenheit, auch mit schlechter Sicht zu üben. Sie würden auch bei Regen kämpfen müssen. Bei starkem Wind, Ziele zu treffen, war eine Kunst die Tia beherrschte und weitervermitteln wollte. Außerdem brauchte sie die Beschäftigung. Wenn sie jetzt irgendwo herumsaß, würde sie nur wieder an das denken, was sie vermeiden wollte.

Die Übungen liefen besser als gedacht und Tia war sich sicher, dass sich ihre Schützen die größte Mühe gaben. Sie konnte fast spüren, wie alle innerlich hofften, sie würde das Training bald wieder beenden, damit sie ins Warme kamen. Sie hatte jedoch nicht vor, schon so bald zurückzugehen.

Eines der Ziele kippte im Wind um und Tia lief los, um es aufzustellen. Gerade hatte sie es wieder fest im Boden verankert und wollte zurückgehen, als sie ihn bei Donens stehen sah. Automatisch wurde sie langsamer. Sie hoffte, Ilkay würde sie nicht bemerken, doch Donens hob die Hand und wies in ihre Richtung. Sie seufzte.

Der Hauptmann bedankte sich und kam auf sie zu. Resigniert blieb sie stehen. Als er bei ihr ankam, erkannte sie ein klein wenig Verbitterung in seinen Zügen. Die Lippen fest aufeinandergepresst, blieb er vor ihr stehen und sah sie eine kleine Weile einfach an.

„Bist du hier, um mich anzustarren, oder willst du was?“, fragte sie schnippischer als gewollt und setzte ein Herr Hauptmann dazu, als ihr wieder einfiel, dass er ja im Rang höher war als sie.

Er sah kurz zu Boden und dann an ihr vorbei auf die Scheibe, von der sie gerade gekommen war. „Was machst du hier?“, wollte er wissen und sah nicht glücklich aus.

„Wonach sieht es denn aus? Wir trainieren, Hauptmann.“

„Lass das!“, fuhr er sie an.

Sie starrte ihn verdutzt an. „Das Training? Aber es ist effektiv.“

„Das auch. Es ist ein Sauwetter. Ihr solltet nicht draußen sein.“

„Ich wollte die Gelegenheit nutzen, Hauptmann.“

„Du sollst das lassen.“ Jetzt klang er wieder enttäuscht.

Wieder sah sie ihn verwirrt an. „Was denn?“

„Das Hauptmann.“

„Aber du bist Hauptmann.“

„Ich weiß. Aber nicht deiner, also hör auf mich so zu nennen. Bitte.“

„Wie soll ich dich sonst ansprechen? Du bist ein Vorgesetzter, wenn auch kein direkter.“

„Ilkay reicht mir vollkommen.“

„Tut mir leid, aber meine Ausbildung ...“

„Ist mir egal“, unterbrach er sie. „Ich kann es dir auch befehlen, wenn du es so haben willst. Ich möchte es aber nicht. Bitte.“

Sie schwieg kurz und fragte dann: „Wolltest du was Bestimmtes oder mich nur mal zusammenstauchen?“

Seine faszinierenden Augen fixierten ihre. „Ich wollte dich nicht zusammenstauchen.“

„Hast du aber.“

„Tut mir leid.“ Er senkte den Kopf etwas und sah sie dann leicht von unten her an. „Ich war bei euch im Lager und dieser Fin meinte, du bist hier. Ich wollte dich sehen“, erklärte er recht kleinlaut.

„Und warum?“

Jetzt schwieg er einen Moment. „Einfach so.“

„Tia?“ Fin kam auf die beiden zugelaufen und Ilkay drehte sich, um zu sehen, wer sie störte.

„Fin, ist alles in Ordnung?“, fragte sie und runzelte die Stirn.

„Heras will dich sehen. Du sollst sofort das Training abbrechen.“

Sie verdrehte die Augen. „Ich komme.“ Dann schob sie sich an Ilkay vorbei, doch er hielt sie fest.

„Tia.“

„Du hast mich ja jetzt gesehen.“ Sie verkniff sich anzufügen und du kannst mich jeden Tag hier wiederfinden. Er lockerte den Griff und sie entzog ihm sanft ihren Arm. Fin wartete auf sie und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zurück ins Lager.

„Wenn er dich nervt, sag es mir.“

„Was willst du dann tun? Ihn verhauen?“

„Vielleicht.“

„Fin.“ Sie verdrehte die Augen.

„Was denn? Ich sehe doch, wie er dir nachstellt. Wenn du das nicht willst, kann ich was dagegen tun.“

„Und riskieren, rauszufliegen.“

„Das wäre es mir wert.“

„Als könntest du ohne die Kämpfe leben“, meinte sie vollkommen ernst.

„Es gibt noch andere Einheiten.“

„Die dich mit Kusshand aufnehmen würden, wenn sie erfahren, dass du einen Hauptmann verdroschen hast.“

Er lachte. „Es muss ja nichts Militärisches sein. Außerdem würde meine Strafe sicher milde ausfallen, wenn ich es betrunken tue.“

Sie starrte ihn an. „Du wirst ihn weder betrunken noch nüchtern verprügeln, klar?“

„Wie du willst. Aber das Angebot steht.“

Jetzt musste sie auch lachen und stieß ihn kameradschaftlich zur Seite. Er sah es kommen und wich leicht aus. Dann legte er ihr einen Arm um. Sie warf einen Blick über die Schulter zu Ilkay zurück. Er stand noch immer da, während der Regen ihn durchnässte, und sah ihr nach. Sein Blick war finster, doch die Enttäuschung, die er ausstrahlte, drang bis zu Tia herüber.

Die komplette Woche war verregnet und Heras hatte ihr verboten, die Schützen noch weiter bei diesem Wetter üben zu lassen. Alle ihre Argumente wurden abgeschmettert und so blieb ihr nichts anderes übrig, als die Tage irgendwie anders rumzubekommen. Als es am Ende der Woche endlich aufhörte zu regnen, entschied sie, Armar etwas Bewegung zu verschaffen. Ihr Streitross war ziemlich aus der Übung, denn er hatte fast nur gestanden, um seinen Huf zu schonen. Jetzt ging es ihm wieder so weit gut und Tia wollte das Training zu Pferd wieder aufnehmen.

Sie ließ ihre Schützen ebenfalls aufsitzen und gemeinsam ritten sie zum Übungsplatz. Sie mussten kurz warten, denn Ilkays Kavalleristen probten noch. Insgeheim wünschte sie sich, sie wäre später aufgebrochen, denn er war natürlich auch hier. Sie sah ihn schon von Weitem. Als sie ihre Leute Aufstellung beziehen ließ, um zu warten, bis sie genug Platz hatten, warf er ihr nur einen schnellen Blick zu, drehte sich aber wieder weg und beobachtete seine Leute.

Wieder spürte sie die Enttäuschung in sich aufsteigen, doch abermals kämpfte sie sie herunter. Es war besser so. Sie hatten sich die ganze Woche nicht mehr gesehen, wobei Tia auch darauf geachtet hatte, sich nicht zu weit von ihrem Zelt wegzubewegen. Allerdings war er auch nicht noch mal in ihr Lager gekommen.

Endlich ließ er seine Reiter absitzen und ihre Pferde vom Platz führen. Tia gab den Befehl und ihre Leute nahmen in zwei Reihen Aufstellung. Sie ritt die Reihen entlang und teilte sie in kleine Gruppen ein. Sie würden nacheinander an ihren Zielen vorbeireiten und versuchen, sie aus dem Ritt heraus zu treffen.

Tia selbst machte erst ein paar Übungen aus dem Stand von Armars Rücken aus. Ihr Hengst war untrainiert und musste sich erst wieder auf die Situation einstellen. Sie traf jedes Ziel mit Leichtigkeit in der Mitte. Und auch Armar hatte sich schnell wieder daran gewöhnt, nur mit den Beinen gelenkt zu werden und nicht auszubrechen, wenn Tia die Zügel losließ, um den Bogen halten zu können. Zufrieden stellte sie fest, dass er bis auf eine leichte Konditionsschwäche keine Probleme hatte. Also verlegte sie sich auf den Trab und ließ ihn Runde um Runde an den Scheiben vorbeilaufen, während sie schoss. Auch diesmal traf jeder Pfeil ins Schwarze.

Als Armar zu schnaufen begann, stellte sie sich etwas weiter entfernt auf und beobachtete ihre Leute bei deren Übungen. Es dauerte nicht lange und Ilkay ritt heran. Sie hatte bemerkt, wie er sie beobachtet hatte. Schon die ganze Zeit über. Doch glücklicherweise konnte sie sich trotzdem gut konzentrieren und hatte sich keine blamablen Fehlschüsse geleistet.

„Ihr seid richtig gut“, gab er zu und beobachtete ebenfalls ihre Schützen.

„Danke.“

„Du bist eine gute Kommandantin.“

„Danke.“ Sie senkte die Stimme. „Aber das konnten sie schon vor mir. Das hier ist nur Spielerei, um nicht aus der Übung zu kommen.“

„Trotzdem. Du hast sie gut im Griff.“

„Das hätte jeder. Es hat nur mich getroffen.“

„Einige meiner Leute könnten sich eine Scheibe von eurer Disziplin abschneiden“, meinte er.

„Schick sie doch mal her, dann zeigen wir ihnen was Gehorsam heißt.“ Sie lächelte und wandte ihm den Blick zu.

„Ich sagte nicht, dass sie nicht gehorsam sind.“ Er lächelte ebenfalls. „Allerdings seid ihr ein gutes Beispiel, wie man es noch besser machen kann.“

„Nochmals danke.“ Sie schenkte ihm ein weiteres Lächeln, das er erwiderte.

„Hast du heute Abend Zeit?“

Sie wandte den Blick ab. Vorbei war die nette Plauderei. „Nein. Ein paar von uns wollen in die Stadt. Fin hat mich eingeladen, mitzukommen.“

„Mhh“, brummte er und Unmut schwang neben Missfallen hörbar mit.

Sie sah ihn wieder an, doch er hielt den Blick gesenkt. Jemand rief nach ihm, er schaute zu dem Rufer und dann zu ihr. „Ich muss los.“

Sie nickte und er ritt davon. Irgendwie hatte sie im Gefühl, dass sie ihn heute nicht zum letzten Mal gesehen hatte.

Tiara

Подняться наверх