Читать книгу Tiara - Stefanie Worbs - Страница 7
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Ein Klopfen am Zeltpfosten weckte die Mädchen. Stöhnend rollte Tia sich herum. „Ja?“
„Heras befielt Aufstellung zu nehmen“, drang Quins Stimme herein.
„Wir kommen“, murrte sie und rappelte sich dann auf.
Die Einheit hatte am Weidezaun Stellung bezogen. Die Reiter saßen auf dem Zaun, im Gras oder standen herum. Tamara gesellte sich zu Imar und Fin, doch Tia hielt Abstand. Sie hatte keine Lust auf ihren Kampfgefährten. Killian befahl Ruhe und alle Aufmerksamkeit wandte sich Heras zu.
„Wie ihr sicher schon wisst, gibt es einige Änderungen“, begann der Hauptmann.
Tias Gedanken schweiften zum vergangenen Abend. Sie konnte nicht leugnen, dass Ilkay etwas in ihr auslöste und Fin hatte es bemerkt. Tamara ebenso. Sicher hatten es auch andere bemerkt, doch was auch immer es war, sie würde es nicht zulassen. Schon ihre Prinzipien ließen es nicht zu. Ihre Ausbildung und ihre Stellung genauso wenig. Außerdem wusste sie selbst nicht, was da überhaupt geschah.
Sie wusste, wie es sich anfühlte verliebt zu sein. Immerhin hatte sie bis vor Kurzem noch mit Kain, das Bett geteilt. Doch das hier war anders. Vielleicht würde sie noch herausfinden, was es war. Vielleicht würde sie es aber auch lieber lassen.
Heras erklärte noch immer, was ab sofort auf sie zukam, doch Tia hörte nur halb hin. Sie kannte die Pläne. Es war nicht das erste Mal, dass der Offizier sie erklärte. Allerdings fing etwas anderes ihre Aufmerksamkeit ein. Sie stöhnte innerlich auf. Ilkay kam, mit demselben Gefolge wie gestern, über den Rasen auf die Gruppe zu.
Tias Blick flog zu Fin, dessen Miene sich schlagartig verdüsterte, als auch er den Hauptmann sah. Dieser begrüßte Heras und sprach kurz mit ihm, dann trat Ilkay zurück und wartete, bis Hera seine Ansprache beendet hatte.
Der winkte Tia und Tamara zu sich. „Hauptmann Ilkay wird euch das Lager zeigen. Ihr müsst wissen, wo was zu finden ist. Ich mache das mit den Rest der Einheit später.“
„Ja, Hauptmann“, sagten die beiden Mädchen, dann grüßten sie Ilkay und folgten ihm. Tia blieb hinter ihm, an Tamaras Seite. Es dauerte jedoch nicht lange und er ließ sich auf ihre Höhe zurückfallen. Jetzt lief er neben ihr. Im Augenwinkel sah Tia ihre Freundin feixen.
„Habt ihr den Abend gut überstanden?“, fragte er lächelnd.
„Alles bestens“, antwortete Tamara, grinste breit und spähte an Tia vorbei zu ihm.
Ilkay sah auch Tia fragend an, doch sie nickte nur.
„Ich möchte gerne, dass ihr mich als Gleichgestellten betrachtet. Auch wenn ich euch ab und an Befehle geben muss. Mir wurde berichtet, wie eingeschworen eure Einheit ist und niemand hat vor, sie auseinanderzureißen. Wir brauchen nur etwas mehr Struktur, wenn ihr versteht.“
Die Mädchen nickten zustimmend.
Ilkay fuhr fort: „Wir werden sehr eng zusammenarbeiten müssen. Meine Kavallerie ist zwar um einiges größer als eure, doch ich denke, wir werden uns gegenseitig gut ergänzen.“
„Das denke ich auch“, grinste Tamara.
Tia verpasste ihr einen leichten Schlag mit dem Unterarm.
Ilkay grinste. „Das da ist ein Teil meiner Reiterei.“ Er wies auf eine Ansammlung Reiter, die verschiedene Formationen einnahmen. Sie übten offensichtlich.
„Ein Teil?“, fragte Tia. Allein die Anzahl dieser Reiter, übertraf ihre gesamte bei Weitem.
„Ja. Ihr seht dort die rechte Flanke. Die Linke steht da.“ Er wies auf eine ebenso große Truppe, auf einem anderen Übungsplatz. „Und dort ist der Kern.“ Er deutete auf eine dritte Gruppe Reiter, die sich gerade zum Aufsitzen bereitmachte.
„Gibt es schon Pläne, wie wir eingesetzt werden sollen?“, wollte Tia wissen.
„Keine Konkreten. Wir brauchen erst eure genaue Anzahl von Schwertkämpfern und Bogenschützen. Ich dachte allerdings, dass ihr uns in der Front und im Rücken unterstützen könntet.“
„Wir sollen uns aufteilen“, stelle sie eher fest, als dass sie fragte.
„Wahrscheinlich.“
„Aber so kämpfen wir nicht.“
Er sah sie abschätzend an, dann lenkte er ein. „Ich sagte ja, die Pläne sind noch nicht konkret.“
Tia verzog das Gesicht. Sie hoffte, Heras würde diesem Plan nicht zustimmen. Die Westlichen zu trennen und noch dazu mit einer Schar fremder Reiter zwischen sich, würde nur schlecht funktionieren. Sie hatten durchaus schon getrennt gefochten. Doch das war eher selten gewesen. Zusammen waren sie unschlagbar. Wir werden sehen.
„Neben meiner Kavallerie befehlige ich ein Bataillon Fußsoldaten. Das sind diese dort.“ Er wies auf eine Ansammlung Kämpfer. „Das sind nicht alle. Es wäre nicht genug Platz, damit alle gleichzeitig trainieren. Ihr seht dort nur einen Bruchteil. Wir üben in Blöcken.“
„Dann weiß doch der Erste nicht, was der Letzte macht“, warf Tamara ein.
„Sie werden alle zwei Tage gemischt“, erklärte Ilkay.
„Ach so.“
„Ihr seid 153 Leute, richtig?“
Tia nickte. „Ja.“
„Heras kämpft mit euch?“
„Ja.“
„Hat jeder ein richtiges Streitross oder kämpfen eure Bogenschützen mit normalen Pferden?“
„Jeder hat ein Streitross und einen Zelter. Wir wechseln zwischen ihnen. Es kommt auf den Angriff an.“
„Sogar eure Bogenschützen haben alle Streitrösser?“ Ilkay schien verwundert.
„Wir kämpfen alle mit beiden Waffen“, warf Tamara ein.
„Wie wollt ihr euch dann aufteilen?“
„Jeder hat seine Stärken und wir wissen, wer was besser kann. Danach trennen wir dann“, erklärte sie.
„Auch wenn wir es lieber nicht tun würden“, wandte Tia ein.
„Verständlich.“ Ilkay nickte. „Ich werde sehen, dass ich euch nicht aufteilen muss. Versprechen kann ich es aber nicht.“
Sie nickte dankend. „Wir können auch nicht halbe-halbe machen. Wir haben mehr Schwertkämpfer als Bogenschützen.“
„Versucht es bitte. Je ausgewogener es ist, desto günstiger ist es für die Einteilung. Ihr werdet zwar trotzdem mit beiden Waffen weiterkämpfen, doch es wird so aussehen, dass sich jeder auf seine Stärke konzentriert.“
Sie gingen eine Weile schweigend weiter. Ab und zu erklärte der Hauptmann ihnen, wo was war und wies auf verschiedene Trainingstationen. Der Rundgang dauerte fast den ganzen Mittag. Tias Magen begann zu rumoren, als sie an den Kochzelten vorbeikamen.
„Wir werden etwas essen. Danach bitte ich euch, eure Auflistungen zu machen. Jeder für seine Abteilung. Wir müssen genau wissen, was ihr an Kämpfern, Tieren und Ausrüstung habt. Schreibt auch auf, ob ihr etwas für eure Unterkünfte braucht. Fragt eure Leute, ob sie persönliche Dinge benötigen. Scheut euch nicht davor. Es ist wichtig, dass alle gut ausgestattet sind. Wir werden möglich machen, was geht“, erklärte Ilkay, lächelte wieder und führte sie in eines der Kochzelte.
„Geht klar“, gab ihm Tamara in einem leichten Singsang zurück. Wieder konnte Tia nur den Kopf schütteln. Auch wenn er gesagt hatte, sie sollten ihn als gleichgestellt betrachten, war er immer noch der erste Hauptmann dieses Heeres. Über ihm gab es nur noch den General. Tamara schien das zu vergessen. Bei Gelegenheit würde Tia ihrer Freundin gehörig den Kopf waschen müssen.
Sie aßen schweigend, verabschiedeten sich dann und gingen zurück zu ihrem Lager. Tia hatte einen groben Überblick über die Aufteilung des Hauptlagers im Kopf. Gedanklich machte sie sich ein Bild aus der Vogelperspektive. Ohne den Rundgang hätte sie sich mit Sicherheit verlaufen.
Die Kavalleristen des Westens lümmelten mehr oder weniger faul, vor ihren Zelten oder duellierten sich spielerisch. Tia und Tamara holten sich Schreibsachen und machten sich auf den Weg zu Timar und Killian. Die beiden würden ihnen bei der Auflistung helfen müssen.
Am Ende des Tages hatte jedes der Mädchen einen Stapel Papiere in den Händen. Sie hatten die Einheit aufgeteilt, doch leider nicht so gleichmäßig wie Ilkay es gewünscht hatte. Die meisten waren nun mal Schwertkämpfer, auch wenn sie mit dem Bogen umgehen konnten. Wirklich gut konnten es gerade mal 43. Tia nahm trotzdem zehn weitere Kämpfer zu sich, von denen sie glaubte, sie würden das Bogenschießen relativ schnell perfektionieren können.
So hatte sie selbst nun 53 Mann unter sich und Tamara 95. Killian, Timar und Heras zählten natürlich nicht mit dazu. Sie würden sich irgendeiner Gruppe anschließen. Je nachdem wo Heras sie haben wollte.
Tia ging gerade die Listen noch mal durch, als Quin auf sie zu trat. Er hatte Dohan am Zügel. „Du sollst zum Kommandozelt kommen und deine Auflistung mitbringen.“ Er reichte ihr die Zügel, die sie verwundert entgegennahm.
„Mit Pferd?“
„Es ist weit.“ Quin grinste. „Sie haben wohl keine Lust zu warten, bis du spaziert kommst.“
Sie grinste zurück. „Dann wollen wir sie mal nicht warten lassen.“ Tia stieg auf und trieb Dohan in einen leichten Trab.
Vor dem Kommandozelt standen drei Pferde. Ein Knappe nahm Dohans Zügel und band ihn nahe Heras’ Stute fest. Die beiden beschnüffelten sich, doch Dohan wich zurück. Tia registrierte es und machte den Knappen darauf aufmerksam. Der tat jedoch nichts, um die Situation zu entschärfen. Am liebsten hätte Tia selbst etwas getan, doch Killian kam aus dem Zelt und winkte ihr, sich zu beeilen. Sie trat ein.
„Wird ja auch Zeit“, giftete Heras und streckte die Hand nach den Papieren aus.
Tia reichte sie ihm. „Hauptmann.“
Er überflog die Liste und warf ihr einen scharfen Blick zu. „Nur 53 Bogenschützen? Wir haben mehr!“
Oh, heute also wieder ganz der Alte, dachte sie, blieb aber ruhig. „43 voll ausgebildete und zehn, die fast perfekt sind. Ich denke wir ...“
„Es interessiert mich nicht was du denkst. Hauptmann Ilkay hat klargemacht, dass es so gleichmäßig wie möglich geteilt werden soll! Oder etwa nicht?“
Hinter ihm rührte Ilkay sich, sagte aber nichts.
„Das hat er. Aber wir ...“
„Nichts aber! Ich will eine neue Aufstellung!“
„Ja, Hauptmann.“
„Hast du die Liste mit den Tieren?“
„Ja. Die zweite Seite.“
Er blätterte um und überflog auch diese Liste. „Gut.“ Er reichte die Erste an sie zurück und die Zweite an Ilkay. „150 Reiter. Die Aufteilung wird erneuert. Mit meinen Tieren haben wir 352 Pferde. Davon 153 Zelter, die aber durchaus auch für kleinere Schlachten geeignet sind. Jeder Mann hat zusätzlich ein Streitross. Außerdem sind 16 Ersatz-Streitrösser vorhanden. 30 Packpferde, die nicht für den Kampf geeignet sind. Wo ist die Liste mit der Ausrüstung?“, wandte er sich erneut an Tia.
„Die vierte Seite, Hauptmann.“
Er zog sie hervor und reichte sie weiter. „Das hat jeder an Rüstzeug und das brauchen wir.“ Er reichte auch die nächste Seite weiter. „Hat Tamara auch irgendwas gemacht?“, fragte er grunzend.
„Ja. Ich habe nur die Rüstungsliste übernommen, weil sie mehr Leute auf ihrer hatte.“
„Gut also hat sie die Aufzählung der nicht-militärischen Dinge?“
„Ja.“
„Ich hoffe, wenigstens die ist ordentlich geführt.“
„Fehlt denn was, Herr Hauptmann?“, fragte sie, unterdrückte ihre Genervtheit und wusste genau, dass nichts fehlte.
„Sie hätte ordentlicher sein können. Das kann ja keiner lesen.“
Tia verkniff sich eine Rechtfertigung. Ohne Schreibbrett auf einem Bein oder dem Rücken anderer zu schreiben, verursachte nun mal etwas Gekritzel. Sie wollte die Listen ins Reine bringen, doch da hatte Quin sie schon aufgefordert zu gehen.
„Merk dir, als Vorgesetzter muss man Ordnung halten!“
„Ja, Hauptmann.“
„Gut. Ich denke, dass ...“
Ein lautes Wiehern, gefolgt von Scheppern und dem Geräusch, als würde etwas einstürzen, drang von draußen herein. Tia erkannte Dohan und stürmte, ohne den Befehl abzuwarten, nach draußen. Sie hatte eine schlimme Vorahnung.
Diese wurde bestätigt, als sie das Chaos draußen sah. Alle vier Pferde hatten sich losgerissen. Dohans Zügel schwangen in zwei Teilen lose vom Halfter, während er wie wild stieg. Die Stute, die neben ihm gestanden hatte, war davongeprescht und hatte im Lauf eine Zeltstange vom Nachbarzelt umgerissen.
Die Plane lag in einem wirren Haufen am Boden und Männer kämpften sich darunter hervor. Das dritte Pferd stand etwas abseits, schien aber nur aus der Gefahrenzone geflüchtet zu sein. Es betrachtete aufmerksam das Spektakel um sich herum. Vom Vierten war nichts mehr zu sehen.
Hinter Tia kamen nun auch alle anderen aus dem Zelt. Heras zeterte vor sich hin und fluchte laut. Tia trat auf Dohan zu, beruhigte ihn, griff seine Zügel und zwang ihn damit, unten zu bleiben, damit er nicht noch irgendwen verletzte. Sie sah Ilkay zu dem anderen Hengst gehen, der ruhig dastand. Das Tier trottete sogar auf ihn zu, als er näherkam. Der General allerdings, schaute sich vergebens nach seinem Pferd um.
„Tiara!“, rief Heras und trat energisch auf sie zu. „Was soll das? Was ist hier passiert?“ Zorn stand ihm ins Gesicht geschrieben.
„Dohan und Eure Stute haben sich nicht vertragen. Ich habe es dem Knappen gesagt, aber ...“
„Schon wieder aber! Ich will das nicht hören! So etwas darf nicht passieren! Halte dein Pferd im Zaum!“
„Das tue ich doch!“, erwiderte sie und bemerkte zu spät, dass ihre Stimme zu scharf klang. „Herr Hauptmann“, setzte sie kleinlaut an, doch für Beschwichtigung war es zu spät. Heras lief noch dunkler an, wenn das überhaupt möglich war.
„Sofort zurück ins Lager! Das hat Konsequenzen!“, fauchte er.
Sie saß auf. „Hauptmann Heras, General Utah, Hauptmann Ilkay“, verabschiedete sie sich, dann trieb sie Dohan an und ließ ihn im Galopp zurück zum Lager laufen.