Читать книгу Die Intelligenz der Pflanzen - Stefano Mancuso - Страница 5

ERSTES KAPITEL Die Wurzeln des Problems

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IM ANFANG WAR DAS GRÜN: ein Chaos aus pflanzlichen Zellen. Dann schuf Gott die Tiere und zum Schluss das erhabenste unter ihnen: den Menschen. Wie in zahlreichen anderen Schöpfungsmythen ist der Mensch in der Bibel die Krone der Schöpfung. Er erscheint erst, als die Schöpfung beinahe vollendet, als alles für ihn bereit ist: auf dass sich der »Herrscher der Erde« die Schöpfung untertan mache.

Bekanntlich vollendet Gott sein Werk in einem Zeitraum von sieben Tagen. Die Pflanzen werden am dritten Tag erschaffen, während das überheblichste der Geschöpfe erst ganz zuletzt, am sechsten Tag, das Licht der Welt erblickt. Die Reihenfolge ihres Erscheinens auf der Erde entspricht in etwa dem derzeitigen wissenschaftlichen Stand: Danach gab es auf unserem Planeten bereits vor dreieinhalb Milliarden Jahren die ersten Zellen, die zur Fotosynthese in der Lage waren, während der Homo sapiens, der sogenannte »moderne Mensch«, seine ersten Spuren erst vor zweihunderttausend Jahren hinterließ – nach den Maßstäben der Evolution also erst vor wenigen Augenblicken. Dass der Mensch als Letzter auf der Erde erschien, hinderte ihn allerdings nicht daran, sich als privilegiertes Wesen zu begreifen – obwohl die neuesten Erkenntnisse auf dem Gebiet der Evolution seine Stellung als »Weltenherrscher« dramatisch beschnitten haben und ihm die wesentlich weniger prestigeträchtige Rolle des »zuletzt Erschienenen« zuweisen. Die sichert ihm keineswegs mehr a priori die Herrschaft über alle anderen Arten, auch wenn uns zahlreiche kulturelle Konditionierungen genau das glauben machen wollen.

Im Lauf der Jahrhunderte haben viele Philosophen und Wissenschaftler die Vorstellung vertreten, Pflanzen besäßen ein »Gehirn« und eine »Seele« und noch die einfachsten pflanzlichen Organismen könnten äußere Reize wahrnehmen und darauf reagieren. Einige der genialsten Köpfe ihrer Zeit, von Platon bis Demokrit und von Fechner bis Darwin, sahen in den Pflanzen intelligente Wesen. Manche glaubten an ihre Fähigkeit zu fühlen, andere stellten sie sich als Menschen vor, die kopfüber in der Erde stecken: als sensible, intelligente Lebewesen, die über alle menschlichen Fähigkeiten verfügen, mit Ausnahme derer, die ihnen durch ihre befremdliche Position verwehrt sind.

Dutzende großer Denker haben die Intelligenz der Pflanzen theoretisch untermauert und dokumentiert. Dennoch tritt in allen Kulturen der Welt wie auch in unserem täglichen Verhalten immer wieder die scheinbar unüberwindbare Überzeugung zutage, Pflanzen seien noch weniger intelligent und entwickelt als Wirbellose und ständen auf der »Evolutionsleiter« gerade einmal eine Stufe über den unbelebten Objekten. Für diese Leiter fehlt, nebenbei gesagt, jeder Beweis, und doch ist die Hypothese in unser aller Köpfen fest verankert. Es konnten sich noch so viele Stimmen erheben, die anhand wissenschaftlicher Experimente und Entdeckungen die Intelligenz der Pflanzen belegten, stets fanden sich noch mehr Stimmen, die der These widersprachen. Als gäbe es eine stille Übereinkunft, haben Religion, Literatur, Philosophie und moderne Wissenschaft in der westlichen Welt an der Verbreitung der Vorstellung mitgewirkt, Pflanzen seien niedrigere Lebewesen als andere – von Intelligenz ganz zu schweigen.

Die Intelligenz der Pflanzen

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