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Die Väter der Botanik: Linné und Darwin

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Die Klassifizierung der Pflanzen machte den Arzt, Forschungsreisenden und Naturkundler, der besser unter dem Namen Carl von Linné (1707–1778) bekannt ist, weltberühmt – und brachte ihm den Ruf des »großen Systematikers« ein. Allerdings wird ihm der Ruf nur teilweise gerecht, denn Linné widmete sich, neben seiner bedeutenden Klassifizierungstätigkeit, ein Leben lang der Forschung.

Linné war ein überaus origineller Denker. So bestimmte er die »Fortpflanzungsorgane« und das »Sexualsystem« der Pflanzen als grundlegendes Kriterium seiner Taxonomie – was ihm kurioserweise zugleich einen Universitätslehrstuhl und eine Verurteilung wegen »Unmoral« einbrachte. Denn es war zwar bekannt, dass Pflanzen ein Geschlecht besitzen, doch die Erforschung desselben zu Klassifizierungszwecken löste einen Skandal aus. Und Linné vertrat noch eine andere neuartige Theorie, die nur aus purem Zufall nicht ebenso angegriffen wurde. Er behauptete nämlich schlicht und einfach, dass Pflanzen schlafen.

Nicht einmal im Titel der kurzen Abhandlung Somnus plantarum (Der Schlaf der Pflanzen) von 1755 ließ Linné die übliche Vorsicht walten, mit der Wissenschaftler sich damals vor möglichen Angriffen schützten. In dem Werk ging er einfach vom damaligen Forschungsstand und eigenen Beobachtungen der veränderten nächtlichen Blattstellung aus und folgerte lapidar, dass Pflanzen schlafen. Anmerken muss man vielleicht, dass Wissenschaftler erst heute im Schlaf eine grundlegende biologische Funktion sehen, die mit hoch entwickelten Gehirnaktivitäten zusammenhängt. Doch wie auch immer – Linnés Idee stieß jedenfalls auf keinerlei Widerspruch. Heute dagegen wird seine Theorie vielfach angezweifelt; und wären Linné die vielfältigen Funktionen des Schlafes bekannt gewesen, wer weiß, ob er seine Beobachtungen nicht selbst anders interpretiert und Pflanzen jede mit Tieren vergleichbare Aktivität abgesprochen hätte. In einem Fall hat er zumindest genau das getan: nämlich bei den fleischfressenden Pflanzen. Linné kannte einige fleischfressende Pflanzen sehr gut, beispielsweise die Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula), und hat zweifellos beobachtet, wie sich die Pflanze über einem Insekt schließt und es verdaut. Eine insektenfressende Pflanze war für ihn jedoch so wenig mit der starren Rangordnung der Natur – und der niederen Stufe der Pflanzen – vereinbar, dass er wie andere seiner Zeitgenossen zahllose Erklärungen ersann, um nicht zugeben zu müssen, was offensichtlich war. Er stellte, ohne irgendeinen wissenschaftlichen Nachweis, die abenteuerlichsten Behauptungen auf: Die Insekten sterben gar nicht, sie halten sich freiwillig oder aus Bequemlichkeit im Inneren der Pflanze auf, sie besuchen die Pflanze aus purem Zufall und nicht, weil sie bewusst angelockt werden, oder die Pflanzenfalle klappt rein zufällig zu. Nie und nimmer sei die Pflanze jedenfalls in der Lage, ein Tier zu erbeuten. Ganz offensichtlich war das widersprüchliche Bild der Pflanzenwelt im Kopf des großen schwedischen Botanikers noch höchst lebendig.

Erst mit Charles Darwin und seiner Abhandlung Insectenfressende Pflanzen von 1875 sollten sich die Dinge wandeln. Darwin erkannte schließlich an, dass sich pflanzliche Organismen auch von Tieren ernähren. Mit der ihm eigenen Vorsicht ging er allerdings nicht so weit, solche Pflanzen, wie heute, als »fleischfressend« zu bezeichnen – obwohl er sogar Mega-Fleischfresser wie Nepenthes-Arten kannte, die Kleintiere wie Ratten und andere verspeisen. Von wegen »Insektenfresser«!

Doch wir sollten uns nicht über Darwin und seine Vorsicht mokieren – ebenso wenig wie über Galileo Galilei und andere Wissenschaftler vergangener Jahrhunderte. Gerade ihre »Diplomatie« sorgte nämlich dafür, dass sich manch revolutionäre Idee langsam, aber sicher ihren Weg ins allgemeine Bewusstsein – und das der extrem konservativen Wissenschaftszirkel – bahnen konnte.

Was Linné betrifft, stellt sich natürlich die Frage, warum er für seine dreiste Behauptung, dass Pflanzen schlafen, nicht angegriffen oder aus der Wissenschaftswelt ausgeschlossen wurde. Die Antwort liegt eigentlich auf der Hand. Seine Theorie galt lange Zeit als dermaßen unsinnig, dass man es nicht für nötig befand, sie anzufechten. Und wen interessierte schon, ob Pflanzen schlafen oder nicht, wenn dem Schlaf keine besondere Funktion zukam?

Heute kennen wir die lebenswichtigen zerebralen Funktionen, die mit diesem physiologischen Vorgang zusammenhängen. Doch noch vor zehn Jahren dachte selbst die Wissenschaft, nur höher entwickelte Tiere würden schlafen. Bis der italienische Neurowissenschaftler Giulio Tononi den Gegenbeweis erbrachte: Im Jahr 2000 wies er nach, dass sogar ein einfaches Insekt wie die Fruchtfliege (Drosophila melanogaster) in einen wohlverdienten Schlaf fällt.

Nur Pflanzen sollen also nicht schlafen? Die einzig plausible Erklärung dafür ist, dass schlafende Pflanzen nicht in das Bild passen, das wir uns vom Pflanzenreich machen.

Die Intelligenz der Pflanzen

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