Читать книгу Ergotherapie in der Psychiatrie - Steffen Kersken - Страница 11
ОглавлениеDas Erstgespräch
Ich bin persönlich der Meinung, dass Patienten über die Ergotherapie, sowie deren Zweck, aufgeklärt werden sollten.
Ein Patient sollte die Hintergründe und Mechanismen der Ergotherapie kennenlernen. Warum gibt es die Ergo in psychiatrischen Einrichtungen und welchen Nutzen könnte ich daraus gewinnen? Nicht immer ist es ratsam, jeden therapeutischen Schritt zu erklären, gerade bei Patienten die zu viel bewerten oder Grübeln, steht der Handlungsprozess im Vordergrund. In der Praxis erlebe ich vorab aufgeklärte Patienten aber aktiver und sich der Ergo dadurch offener zugewandt.
Vor Therapiebeginn sollte die Aufklärung
über Ergotherapie erfolgen, damit Patienten
Sinn und Zweck erfassen. Sonst bleibt die Ergotherapie
einfach nur basteln, oder sich irgendwie zu beschäftigen.
Ich sitze deshalb vor der eigentlichen Therapie mit den Neulingen immer in einem Einzel oder einer Kleingruppe zusammen, mit folgendem Inhalt:
–Psychiatrische Hintergründe der Ergotherapie
–Theoretischer Ansatz mit Erklärungen zu den eigentlichen Trainingsbereichen: Selbständigkeit und aktives Handeln, Ausdruckzentrierte Therapie und Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten. Verhaltensmuster sichtbar machen.
–In welchen Therapieformaten findet die Ergo statt, also in welchen Gruppenformen und Inhaltsschwerpunkten.
–Therapieziele definieren und Themenfindung.
Das Erstgespräch vor der ersten Einheit oder kreativen Ergotherapie, könnte demnach folgenden Inhalt haben:
–Ich wollte ihnen heute ein wenig über die Ergotherapie erzählen, da zumindest die Gruppe der kreativen Ergotherapie (dazu folgend im Buch später mehr), sehr selbstständig läuft, also ich gehe als Therapeut nicht hin, und drücke Ihnen einen Speckstein in die Hand, mit dem Handlungsauftrag: Formen Sie doch mal aus dem Speckstein eine Figur, die nahe bringt, wie Sie sich gerade fühlen. Sind Sie eine Figur aufrecht stehend und kämpfend, grübelnd zusammen gesunken, oder wie eine kleine Maus. Ich moderiere die Gruppe auch nicht, nein, Sie sollten im Rahmen ihres Aufenthaltes immer wieder selbstständig kreative Projekte entwickeln, planen und Sie möglichst selbstständig durchführen. Leider zeigen unsere Statistiken, dass fast jeder zweite Patient, der zu uns in die Therapie kommt, sein eigenständiges Handeln, wie auch sein Umfeld und soziale Kontakte einschränkt. Das kann die verschiedensten Gründe haben:
–Krankschreibung auf der Arbeit, damit Strukturverlust.
–Vermeidungsverhalten, da ich Panikattacken im Fitnessstudio bekomme, oder bei Menschenmassen Stress empfinde, oder ich das Gefühl habe beobachtet zu werden.
–Große Geburtstagsfeiern halte ich nicht aus, da bekomme ich Migräne, also alles ist mir zu viel. Fehlende Belastbarkeit.
–Egal was ich tue, da ist nur Gefühlsleere, ich empfinde keine Lebensfreude mehr, auch im Urlaub nicht. Also tue ich auch nichts mehr. Dahinter steckt Antriebsmangel und mangelnde Erlebnisfähigkeit.
–Deshalb sollten Sie im Rahmen der kreativen Ergo Ideen entwickeln, und mit sich in diesen 60 Minuten Ziel orientiert etwas anstellen, und zwar mit Fantasie und Kreativität. Man könnte sagen, Sie dürfen mal wieder aus dem Quark kommen!
–Deshalb lebe ich Ihnen auch keine Handlungsaufträge vor, oder nehme Sie an die Hand. Im Ergoraum finden sich deshalb auch Materialien, die Sie vielleicht gar nicht kennen, oder in ihrem Interessenbereich liegen. Alles was neu ist, bedeutet für das Gehirn eine Herausforderung und das können auch kleine Dinge sein, wie ein Acrylbild. Wir haben zeichnerische Medien, wie Acryl, Pastellfarben etc., Seidentücher, aber auch gestalterische Medien wie Speckstein und Ton.
–Übertragen auf den Alltag bedeutet das: Zu trainieren wie ich wieder aktiv Tätigkeiten entwickeln und durchführen kann.
–Zu wissen, was tut mir gut, was sind meine Bedürfnisse und mit welchen Tätigkeiten fördere ich sie? Welche Kontakte sollte ich pflegen, und wie kann ich Kontakte für mich besser nutzen.
–Den Umgang mit neuen Situationen erlernen.
–Kreatives Handeln trainieren und Ideen entwickeln.
Der zweite Trainingsaspekt der Ergo nennt sich Ausdruck zentrierte Therapie, basierend auf psychoanalytische Ansätze durch Jung und Freud. Jung, ein Psychiater, und der Tiefenpsychologe Freud haben sich, Ende des 18. Jahrhunderts und zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts, mit der Psyche des Menschen beschäftigt. Unsere Psyche funktioniert demnach in zwei Instanzen, einmal das Bewusstsein, mit dem wir über unsere Sinneskanäle über das Hören, Sehen, Fühlen, Schmecken und Riechen, unsere Umwelt und was darin passiert wahrnehmen. Damit nehmen wir Farben wahr oder erkennen etwas vor uns, aber auch Konflikte, oder negative und positive Erlebnisse nehmen wir über unser Bewusstsein wahr. Die Gefühle, die dabei entstehen, sind in ihrer Verarbeitung aber sehr komplex, und wenn wir uns sofort damit beschäftigen würden, dann könnten wir nicht weiter funktionieren oder uns weiterhin dem widmen, was gerade vor uns liegt. Ein Beispiel sind Konfliktsituationen: Wenn wir Wut und Zorn, hervorgerufen durch unser Streitgespräch mit dem Chef, sofort verarbeiten würden, dann könnten wir nicht weiterarbeiten. Da wir den Stift nicht hinlegen und gehen, sondern weiter arbeiten möchten, harmonisieren wir, stehen wir stramm oder schweigen. Wir verdrängen also das Gefühl, verletzt zu sein, oder die Wut. Wenn ich mich mit meinem Partner streite, fahre ich trotzdem erst meine Kinder zur Schule, und dann widme ich mich erst meinen Gefühlen. Wir neigen also dazu, funktionieren zu wollen, oder funktionieren zu müssen. Das Gehirn unterstützt diese Eigenschaft, deshalb verdrängt es extreme Gefühle. Das Gehirn möchte auch funktionieren, wenn wir körperlich erkranken. Wenn ich als Rechtshänder einen Schlaganfall mit Lähmung rechts erleide, dann dauert es nicht lange, bis das Gehirn der linken Seite antrainiert, das Butterbrot morgens mit der linken Hand zu schmieren, weil es funktionieren möchte. Auch wenn wir die rechte Seite noch ein wenig bewegen könnten, neigen wir dazu, alles mit links zu machen, wodurch die rechte Muskulatur verkümmert. So ähnlich läuft es auch psychologisch betrachtet, wir verdrängen Gefühle, um zu funktionieren, dabei verkümmern aber unserer wahren Bedürfnisse. Beliebte Verdrängungsmechanismen sind Alkohol, nicht Nein sagen können, Perfektionismus, in die Arbeit stürzen oder Schweigen. Man könnte sagen, wir sind Verdrängungsweltmeister. Die verdrängten Gefühle und Gedanken landen deshalb in der zweiten Instanz, dem Unterbewusstsein. Da ist so ein kleines Fässchen drin, da fällt alles rein und wartet auf Verarbeitung. Dummerweise lässt unser Alltag wenig Zeit für Verarbeitung zu, Überstunden oder hohe Arbeitszeiten, Verantwortlichkeiten in der Familie, Erreichbarkeit und Hektik im Alltag unterstützen nicht gerade das Reflektieren und zur Ruhe kommen. Hinzu kommt, das manche Menschen schon sehr früh anfangen zu verdrängen und schon prägende Erfahrungen in der Kindheit und Jugend erleben. Missbrauchserfahrungen, Trennungen, Trauerverarbeitung, extremer Leistungsdruck oder extreme Bestrafungen, führen oft zu extremen Gefühlen. In der Regel verlassen wir aber die Rolle des Kindes unserer Eltern nicht, sondern verdrängen Gefühle wie Angst, nicht geliebt werden, etc., um in der Rolle weiterleben zu können.
Auch Beziehungserfahrungen und spätere Situationen auf der Arbeit, wie Mobbing oder Kränkungen werden oft verdrängt, nicht selten versuchen wir erst einmal zu harmonisieren oder Konflikte auszuhalten, als den Stift auf der Arbeit hinzulegen und die Situation zu verlassen, oder gar dem Chef seine Meinung zu blasen.
Dummerweise ist das Fässchen im Unterbewusstsein nicht unendlich füllbar, irgendwann müssen wir uns darum kümmern, was darin verborgen liegt. Aber tun wir dieses nicht, bekommen wir ein Problem, denn dann entscheidet das Bewusstsein wiederum:
„Okay, dann tu ich es für dich, wenn du keine Zeit hast, oder nicht möchtest! “. Es greift dann hinein und zieht, gerne per Zufall, etwas hinaus und beginnt mit der Verarbeitung von Erlebtem. Die Gefühle die zu der verarbeiteten Situation passen, erleben wir dann häufig sehr präsent. Dummerweise passen die Gefühle nicht immer zu den realen Lebenssituationen, in denen ich mich gerade befinde. Ich sitze also auf einer Grillparty und empfinde keine Lebensfreude, sondern bin vielleicht tot traurig, weil ich eventuell unterbewusst mit der Trennung von meinem Partner vor fünfzehn Jahren beschäftigt bin. Ich gehe in einen Supermarkt, da läuft auch kein Löwe herum, aber ich fühle mich bedroht und bekomme eine Panikattacke, weil ich mich, wie vor einem Jahr auf der Arbeit, beobachtet fühle und soziale Kontakte für mich nun Angst behaftet sind. Ich bin also gar nicht mehr in der Lage Gefühle zu regulieren oder Einfluss auf sie zu nehmen, im Gegenteil, sie beherrschen mich. Im Grunde nennen wir das: Depression, Burn-out, Panik- oder Zwangsstörung, also eine psychiatrische Erkrankung.
Wir müssen also zusehen, dass wir uns mit unserem Fässchen beschäftigen, um das Überlaufen zu verhindern, oder wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, wieder Platz zu schaffen.
Wie können wir das aber? Freud und Jung haben einen Blick darauf geworfen, wie wir das tun, oder tun könnten. Jung hat unsere Träume unter die Lupe genommen und einen biologischen Mechanismus der Aufarbeitung entdeckt. Jeder Mensch träumt, nur nicht jeder erinnert sich daran, aber das Unterbewusstsein durchlebt erneut Situationen aus dem Leben und teilt sich uns über wirre Träume mit, indem wir von etwas hinunterfallen, oder durch einen Tunnel fahren. Es spricht kein Deutsch, sondern wählt diese Kommunikation mit uns, die Freud versucht hat zu übersetzen.
Menschen mit ähnlichen Lebenserfahrungen und Gefühlswelten träumen demnach von ähnlichen Dingen, wodurch eine Übersetzung entstanden ist, die viele Therapeuten und Psychologen zur Traumdeutung nutzen, um Bewusstseinsprozesse anzuregen.
Scheinbar reicht das Träumen zur Verarbeitung von Verdrängtem und unterbewussten Prozessen nicht aus, wir müssen also aktiv mehr dafür tun. Jung entdeckte weitere Mechanismen der Reflexion und Verarbeitungsmöglichkeit:
–Das Verbalisieren
Viele Menschen tun das bereits mit Therapeuten, Freunden, Partnern oder Bekannten:
Über Erlebtes sprechen. Damit ist nicht gemeint, dass wir am Abendtisch sitzen und fragen: „Na, wie war dein Tag? “.
Wir sollten mehr in die Tiefe gehen, erlebte Situationen schildern und die Gefühle, die dabei entstanden sind für sich entdecken. Wie war es also, als mein Vater mich damals in den Keller gesperrt hat, weil ich eine Fünf geschrieben habe. Was ist da in mir kaputt gegangen, was hat das mit meinem Bild von Erwartungshaltungen und gesunder Anerkennung gemacht? Wie wirkt sich das auf mein häutiges Verhalten und Bewertungsmuster aus? Oft können wir durch andere Menschen neue Impulse erhalten, also Gedanken und Positionen entstehen, die wir durch alleiniges Nachdenken und Grübeln nicht sichtbar machen können. In Projekt oder Ressourcengruppen, einige Teilbereiche der Ergotherapie, begegnet dem Ergo die Übungsform diese Übungsform häufiger.
–Das kreative Schreiben
Viele Menschen schreiben Tagebuch, dadurch können sie zurückblättern und feststellen, dass ich gestern auch mal einen guten Tag hatte, oder das mich an diesem Tag nicht nur Existenzangst beschäftigt hat. Da war auch mal etwas Schönes! Ich kann eine Lebensgeschichte oder eine Episode auch in Form eines Gedichtes zum Ausdruck bringen, oder gar einen Roman schreiben, der meine Gefühle wieder spiegelt. Patienten begegnet in der Ergotherapie ebenfalls kleine schriftliche Reflexionsübungen in Einzel- oder Kleingruppenformaten, die dem Nachdenken und benennen von Gefühlen dienen.
–Musik
Wir hören auf einer Party vielleicht eine bestimmte Musik, um Lebensfreude zu empfinden, aber wenn wir zu Hause traurig sitzen, eventuell eine andere Musik. Menschen drücken sich mithilfe von Melodien aus und schreiben Lieder. Wir lassen Wut und Zorn eventuell mit lauter Musik aus, und manchmal brauchen wir die leisen Töne. Auf jeden Fall berührt uns Musik emotional, deshalb können wir sie zur Verarbeitung nutzen. Die Ergotherapie nutzt auch musikalischen Ausdruck in Gestaltungsprozessen oder Entspannungsformen.
–Kreative Prozesse
Jung hat sich im Rahmen der Psychoanalyse mit der Ausdruckzentrierten Methode beschäftigt. Diese Methode beschreibt unterbewusste Prozesse, die in kreativen Gestaltungen oder Zeichnungen sichtbar werden. Demnach zeigten Studien, das Menschen mit ähnlichen Lebenserfahrungen, selbe Bilder in Büchern schön fanden oder emotional davon berührt waren. Menschen drückten ihre Gefühle auch durch ähnliche Farben, Geometrien oder Motiven aus, und zwar in verschiedenen Gestaltungen wie auch mithilfe von zeichnerischen Medien, wodurch eine Katalogisierung entstand, die der Traumdeutung nahekommt. Auch die Werbeindustrie weiß mittlerweile von dieser Studie und benutzt bestimmte Farben, Geometrien und Motive in ihren Werbespots, um bestimmte Gefühle beim Betrachter zu erzeugen. Gefühlsausdruck findet sich also in beiden Richtungen eines kreativen Prozesses wieder, in der Betrachtung und des Ausdruckes. Sinn und Zweck der kreativen Ergo ist also der Ausdruck von Gefühlen und Gedanken, mithilfe von Materialien, Gestaltungen oder zeichnerischen Medien. Welche Gefühle gehen gerade in mir vor, was blockiert mich, wie sieht Angst aus oder Einsamkeit? Ist Einsamkeit ein einsam treibendes Boot im Meer, ohne Land in Sicht? Was ist Wut? Ein Ausbruch eines Vulkans oder spiralen Formen, die mich aufsaugen? Welche Figur aus Speckstein kommt meiner Sicht auf mich selbst nahe? Im Rahmen der Ergo sollten sie also nicht zweihundert Osterhasen basteln, nur weil gerade Ostern ist, oder im Herbst fallen die Kastanien vom Baum, diese mit in die Ergo bringen und mit Zahnstochern töten. Versuchen Sie sich über Materialien sichtbar zu machen, konkreter Gefühle zu benennen und Gedanken zu manifestieren. Wir können hinterher die Werkstücke und Zeichnungen gemeinsam besprechen und reflektieren, eventuell entstehen Themen für die Gesprächsformate oder neue Gedankengänge. Natürlich können wir hierzu auch psychologische Interpretationen hinzuziehen und dadurch neue Aspekte und Gedanken herausarbeiten.
(Zu Interpretationen mehr am Ende des Buches).
Ergotherapie und Verhaltensmuster
Verhaltenstherapie/ Therapie bedeutet auch auf eigene Denk- und Handlungsmuster zu schauen, also welche Macken und Anteile ich selber an mir entdecken und bewusst machen kann. Ich kann diese Muster dann im zweiten Schritt verändern. Die kreative Ergotherapie bietet dafür hervorragende Trainingsansätze:
Es gibt zwei Verhaltensmuster, die im Rahmen der kreativen Prozesse immer wieder hervorstechen:
1. Die Hanns Dampf in allen Gassen
Menschen, die auf der Arbeit 110 % geben und immer perfektionistisch Handeln. Sie können schlecht Nein sagen oder Verantwortung abgeben. Nach der Arbeit noch schnell die Wohnung geputzt, auf das Enkelkind aufgepasst und abends ein drei Gänge Menü gekocht. Dann ist der Tag plötzlich um, er hat ja nur 24 Stunden, aber leider hat dieser Typ Mensch nichts für sich, oder seine eigenen Bedürfnisse an diesem Tag getan. Er hat weder eine nette Begegnung gehabt, ein Hobby gelebt oder für Entspannung gesorgt. Die eigenen Bedürfnisse wurden immer hinten an gestellt. Dieser Typ Mensch kippt irgendwann mit Depression, Burn-out oder Panikstörung um. Das sollte klar sein! Dieser Patient sollte nicht in die kreative Ergo marschieren und folgendes Denkmuster entwickeln: „Ich bin ja Manager und habe schon immer Verantwortung im Job und Familie übernommen, wenn ich jetzt hier in der Therapie etwas Kreatives machen soll, dann nehme ich mir jetzt dieses Picasso Buch raus, denn es muss ja ein besonderes Bild sein und wenn es fertig ist, hänge ich es auf jeden Fall in meiner Wohnung auf! “. Dieses Denken erlebe ich leider immer wieder, aber damit schlägt der Patient wieder voll in seine Macke oder Muster ein, das am Ende zur Überbelastung führt. Zielorientierte Projekte wären für ihn eher Bedürfnis orientierte Tätigkeiten, also mal Erinnerungen zu zeichnen, die mit positiven Gefühlen zu tun haben, oder er sieht etwas Schönes auf einem Spaziergang und zeichnet es mit Pastell schwammig in der Ergo nach. Das Bild wird dann auch nicht perfektionistisch, oder es entsteht der Druck, es unbedingt aufhängen zu müssen. Dieser Typ Patient könnte auch einen Speckstein nehmen und einfach anfangen, sodass der Stein entscheidet, was er letztendlich wird, und er übergibt die Verantwortung dafür an den Stein. Er möchte schließlich trainieren Verantwortung abzugeben.
2. Depressive Stimmung und Grübler
Verletzungen, Kränkungen und Trauer führen häufig zu Schlafstörungen und Grübeln, bis hin zu depressiven Gefühlszuständen und Gefühlsleere. Als Patient beschäftigten mich meine Probleme vielleicht 24 Stunden tagsüber und in der Nacht. Ist es in der Ergotherapie deshalb sinnvoll, zwanzig Bilder in Schwarz zu malen? Also hier in der Therapie die Traurigkeit weiter auszubreiten? In einem gewissen Rahmen ja, eventuell um Trauer oder Gefühle zu rationalisieren, aber wenn ich wieder Glück, Kraft oder Stärke empfinden möchte, dann sollte ich diese Themen auch kreativ umsetzen, mich diesen Themen wieder zuwenden.
Der Patient beginnt in der kreativen Ergo bereits zu überprüfen:
–Wie sehe ich mich?
–Was sind meine Muster?
–Was sind meine Gefühle?
–Was möchte ich erreichen?
Viele Menschen haben Schwierigkeiten, konkret Projekte eigenständig zu entwickeln. Ich werde Ihnen dabei helfen, Tipps geben, aber ich werde Ihnen nicht wie auf einer Volkshochschule Stepp by Stepp etwas beibringen! Denn darum geht es auch nicht, die Materialien sind nur dazu da, um sich darüber zum Ausdruck zu bringen. Wir haben eine kleine Kiste mit Büchern, Anregungen, Anleitungen, Fotos und Bildern zu jedem Thema. Sie können da erst mal rein schauen und in Ruhe Ideen entwickeln. Sie entscheiden letztendlich, wann sie anfangen und womit Sie arbeiten. Ich begleite das Ganze. Sie können auch Materialien mitbringen, aber hier gilt: Wenn Sie zu Hause stricken, sich momentan damit Ihre Stimmung nicht verändert, dann sollten sie hier einfach mal etwas andere ausprobieren!
Der letzte Trainingsbereich bezieht sich auf die kognitiven Fähigkeiten, wie Ausdauer, Konzentration oder Belastbarkeit. Beginnt das Unterbewusstsein mit Gefühlsverarbeitung, dann tut es das gerne Tags und nachts, es leistet dadurch mehr als sonst. Deshalb fährt es an anderer Stelle herunter, in dem Falle leider bei den kognitiven Fähigkeiten. Laut unserer Statistik ist davon fast jeder zweite Patient betroffen. Unser Gehirn funktioniert nicht über Zettel, sondern über unsere Sinnesorgane, was wir gut in der frühkindlichen Entwicklung beobachten können:
Kinder nehmen in den Mund, machen Dreck, springen und hüpfen, wodurch die Gehirnareale für die kognitiven Fähigkeiten ausgebildet werden. Wir können unsere Fähigkeiten deshalb im erwachsenen Alter auch mit Sport oder kreativen Tätigkeiten, also immer dann, wenn wir mit unserem Körper und Sinnesorganen tätig sind, wieder aktivieren. Zumeist besser als mit schriftlichen Übungen oder Rätselheften. Die kreative Ergo eignet sich dafür besonders gut, und zwar immer dann, wenn ich handwerklich kreativ bin. Es eignen sich dafür Ton, Speckstein, Peddig oder Holzarbeiten besonders.
Sie als Patient entscheiden letztendlich, in welchen Trainingsbereichen Sie mit Ihren Projekten landen:
–Ausdruck zentriert
–Kognitiv orientiert
Ich gebe Ihnen nun zum Abschluss noch einmal eine Übersicht mit unseren Ergogruppen mit, und welche Inhalte damit trainiert werden. Sie finden dadurch eventuell auch noch mal Themen oder Zielformulierungen, die Sie dann praktisch umsetzen können.
(Formblatt Tabelle Seite 19: Gruppen und Eigenschaften).
Zeit des Erstgespräches: 45 Minuten
Format: Einzel oder Kleingruppe
Das Erstgespräch muss natürlich nicht so ausführlich sein, wie hier beschrieben. Es kann auch nur auf einzelne Bereiche oder Gruppen beschränkt sein. Ich denke aber, das gerade die kreative Ergotherapie transparent gemacht werden sollte, da viele Patienten wenig kreativ im Alltag tätig sind. Die kreative Form stößt deshalb häufig auf Unverständnis, oder wird sogar als lästig empfunden. Gerade Patienten aus sozial hoch gestellten Berufen entwerten oft die kreative Ergotherapie.
AH SO! Aufklärung und das Erstgespräch bieten folgende Möglichkeiten:
–Abbau von Vorurteilen gegenüber Therapie und Ergo
–Sie verhindern vorzeitige Abwertung der Ergo
–Der Patient versteht therapeutische Zusammenhänge
–Der Reflexionsprozess des Patienten beginnt
–Die therapeutische Verantwortung wird auch dem Patienten
übertragen, was die Aktivierung fördert
–Sinn und Zweck der Ergo werden erkannt
Meine persönlichen Erfahrungen sprechen für ein Erstgespräch.