Читать книгу Das fragmentierte Denken - Stephan Fölske - Страница 5

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Transparenz! Nicht wirklich!

Wem soll ich denn nun glauben, mit Ausnahme von mir selbst?

Doch wenn ich wünsche, ureigenes Vorurteil durch fundiertes Wissen zu ersetzen, habe ich ein riesiges Problem: Wo liegt die Wahrheit? Theoretisch müsste ich in die Zukunft sowie in die Vergangenheit reisen, um die wissenschaftlichen Erkenntnisse überprüfen zu können. Das Beispiel kann ich am Pluto, nicht der Disney-Figur, erklären, denn ist er nun ein Planet oder nicht? Haben Wahrheit und Wissen immer ihre vergängliche, variable Zeitphase? Tja, nun bin ich nicht viel weiter, wie soll ich nun etwas wissen, und muss ich dabei auch noch auf die Uhr schauen, ob der Zeitpunkt passt? Wissenschaft ist demnach vergänglich, weil sie sich selbst infrage stellt, oder wie muss ich das verstehen?

In vielen wissenschaftlichen Texten zu neuen Erkenntnissen wird gerne die Formulierung „daher ist davon auszugehen, dass es sich so verhält“ angewendet.

Mein Problem, also die Ursache dieses Textes: Irgendeine Person stellt bisherige Erkenntnisse sowie wissenschaftliche Theorien infrage. Im Regelfall ist mir das in vielerlei Hinsicht egal, weil ich mich nicht direkt dafür interessiere oder meine bisherige Sicht die neue These nicht infrage stellt.

Mir geht es vielmehr darum, aus welchen Quellen, und damit sind heute einmal nicht die aus meinem Hirn gemeint, sich Thesen speisen. Ein wunderbares Beispiel ist die aktuelle Diskussion über Dieselfahrverbote. Okay, Diesel selbst fährt nicht, sondern wird meist durch Leitungen transportiert, aber ich glaube, du verstehst mich.

Spaß beiseite, denn es handelt sich um ein echtes Problem für mich. Zunächst stehen überall an definierten Orten Messstationen herum, welche die Luftwerte messen. Aufgrund dieser Ergebnisse gibt es Institutionen, die versuchen, Fahrverbote gerichtlich durchzusetzen. Das Verbannen von Schadstoffen in der Luft ist eine sehr löbliche Angelegenheit und sollte vom Grundsatz her unterstützt werden.

Aktuell stellte sich jedoch wohl heraus, dass einige dieser Messstationen nicht richtig messen, denn sie haben Werte ermittelt, die nicht zur Verkehrslage passen. Sie meldeten eine Überschreitung der Grenzwerte, obwohl am jeweiligen Tag ein Stadtmarathon an besagter Ecke stattfand und kein Fahrzeug dort fuhr. Am Rande sei erwähnt, dass ich nicht glaube, dass die Läufer selbst für die erhöhten NOx-Werte sorgten, denn eine Kippe im Mundwinkel ist nicht gut in Sachen Gesundheit und Laufen. Also, was nun?

Wer überprüft die Messergebnisse der Stationen auf Richtigkeit? Sind die Geräte redundant und liefern Kontrollwerte, um die Stationen zu prüfen? Wem soll ich denn nun glauben?

Wurden zur derzeitigen Diskussion nur Fragmente aus wissenschaftlichen Texten wiedergegeben? Ist es also ähnlich wie bei den Zeugen Jehovas, die sich mit ihrer Interpretation der Bibel auf Mitgliedersuche machen?

Oder ist es wie bei den sogenannten0 Reichsbürgern, die ebenfalls versuchen, ihre krude Wahrheit anhand von Gesetzesinterpretation zu erzeugen? Bleibt mir für meine Meinungs- und Wissensbildung nur übrig, selbst Professoren, Techniker und wissenschaftliche Texte zurate zu ziehen? Grundsätzlich wohl schon, das wird schwierig, aber ist nicht unmöglich! Da kommen wir ebenfalls wieder zum Thema Transparenz.

„Oh Gott, wie soll ich das nun anstellen, denn anfangs muss ich also herausbekommen, wer hinter den Interessengruppen steckt?“

Erst die Frage nach Lobbygruppen stellen, um zu wissen, welche Interessen hier vielleicht vertreten werden? Im kleinen Kreis geht das einfacher, denn da ich die Menschen aus meinem Umfeld persönlich kenne, kann ich einschätzen, was sie zu einer Aussage oder Meinung bewegt.

Nur darüber hinaus ist es sehr viel schwieriger, denn ich muss mich in den absoluten Misstrauens-Menschen verwandeln. Vorerst einfach niemandem glauben? Da zeigt sich schon wieder der Geist in Sachen Paranoia aufgrund der Informationsblase.

„Hilfe, was kann ich tun?“

Das Denken kann, ja will ich nicht aufgeben, denn ich bin zwar psychisch beeinträchtigt, aber nicht suizidgefährdet! Ich kann nun zwar besser nachvollziehen, wie sich Verschwörungstheorien entwickeln, was mir nicht weiterhilft, denn kannst du mir erklären, wem ich glauben soll?

Was ist so schwer daran, Tatsachen und Erkenntnisse sachlich formuliert und wissenschaftlich fundiert zu veröffentlichen? Aus der Anzahl der unterschiedlichen Stellungnahmen kann ich mir vielleicht dann mein Wissen bilden, selbst, wenn ich einfach auszähle, wie viele Wissenschaftlicher oder Sachkundige, die selbe Ansicht haben. Rein demokratisch, die Mehrheit hat gewonnen?

Um kurz auf das Dieselthema und Messstationen zurückzukommen, ich habe mich an die Deutsche Umwelthilfe gewandt, nachgefragt und keine Antwort erhalten. Dabei wollte ich doch nur wissen, auf welchen Grundlagen die Fahrverbote bei Gericht durchgesetzt werden oder wurden sowie, wer die Hauptspender des Vereins sind. Vorsichtshalber wurde daraufhin gar nicht reagiert. Prima, das nenne ich Transparenz. Aber ich möchte nicht nur auf der Deutschen Umwelthilfe herumhacken, denn das Umweltministerium Niedersachsen hat sich auf meine Anfrage nach der Überprüfbarkeit der Messstationen ebenfalls in Schweigen gehüllt. Okay, wir armen Niedersachsen haben noch nicht das neue Transparenzgesetz umgesetzt, denn scheinbar schaffen wir es hier im hohen Norden nicht, es in kurzer Zeit einzuführen. Was soll ich dazu sagen? Viel schlimmer noch, was soll ich nun glauben?

Weder möchte ich hier Verschwörungstheorien befeuern, noch bitterlich weinen, ich bin schlichtweg enttäuscht. Dann bleibt mir nichts Anderes übrig, als mich mit eigenen Thesen und Vorurteilen zu füttern und über zivilen Ungehorsam nachzudenken, wenn es in Oldenburg ein Fahrverbot geben wird. Große Chancen sehe ich allerdings nicht, denn was kann ich kleiner Mensch schon ausrichten?

Was ist bloß so schwer daran, ein paar Fragen per Mail zu beantworten? Es macht mich rasend, dass jeder aus allem ein Geheimnis zu machen scheint. Natürlich gibt es wichtige Dinge, die nicht öffentlich gemacht werden sollten, aber sobald ein öffentliches Interesse besteht, sollte es veröffentlicht werden. Wegen meiner können persönliche Daten geschützt und daher geschwärzt werden, aber keine Inhalte.

Gestern habe ich einen Bericht gesehen, in dem es um ein Verbrechen in Schweden ging. Dabei wurde gezeigt, dass jeder Bürger das Recht hat, sogar Polizeiakten und Ermittlungsergebnisse einzusehen. Das ist mal echt transparent, oder? Nun möchte ich nicht die Schweden loben, weil sie Transparenz in diesem Bereich praktizieren und für mich ein tolles Auto gebaut haben, zumal ich sonst nicht viel über die rechtlichen Regelungen in Schweden weiß. Das war allerdings schon mal ein interessanter Aspekt und eine sehr schöne Form von Veröffentlichung.

Ich finde, dass wir das in ganz Europa anwenden sollten, weil wir als Bürger die Gehälter der Staatsbediensteten indirekt zahlen und wissen sollten, was sie da so machen. Ich glaube, in der Wirtschaft wäre ein „Chef“ nicht sehr angetan, wenn seine Mitarbeiter ihm nicht ihre Arbeit offenlegten, oder? Jedoch kann ich nicht oft genug erwähnen, dass der Schutz der Persönlichkeit niemals verletzt werden darf!

Wer darf, muss und kann Transparenz nutzen? Wir, als Bevölkerung sind augenscheinlich gesetzlich angehalten, uns in vielen Bereich überwachen zu lassen und Daten offenzulegen. Wer das nicht gerne möchte, gilt als verdächtig. Auf Basis dieser Angst machen wir mit, weil wir uns gebetsmühlenartig der Aussage „Ich habe nichts zu verbergen!“ unterwerfen. Ein heftiger Irrglaube schleicht durch das Land, denn da liegt zum einen das richtige Problem: Wen geht es etwas an, was ich mache, wo ich mich wie lange aufhalte?

Gesichtserkennung wird getestet, die eine exorbitante Fehlerquote hat, die kaum durch Menschen ausbügelbar ist, aber wir machen mit und begehren nicht auf. Gut, muss wohl jeder selber wissen, aber steckt hinter diesen Erlassen und Gesetzen, die angeblich zum Schutz von uns allen dienen, etwas Anderes?

Vor allem scheinen sich Behörden, öffentliche Einrichtungen und Regierungen nicht an solche Transparenzangelegenheiten zu halten, denn wenn ein Bürger nachfragt, bekommt er entweder keine oder eine zensierte Antwort. Sehr verwunderlich, weil: Wo ist das Problem? Die meisten berechtigten Anfragen von uns an die Regierung sollten wohl nicht immer vom Top-Secret-Stempel abgesegnet worden sein, oder?

Was spricht dagegen, wenn eine Umwelteinrichtung bei einer Brüsseler Behörde um Einsicht in ein Gutachten über Pestizide und Insektizide bittet, das die Zulassung erhalten hat und ab 2019 in der Landwirtschaft eingesetzt werden darf? Da kommt dann ein ellenlanges Gutachten, was überwiegend aus Schwärzungen besteht und überhaupt nicht mehr prüfbar ist. Warum auch, denn der Hersteller des neuen, besseren Giftes hat doch gesagt, dass Hummeln, Bienen und anderen nützlichen Insekten nicht mehr so viel Schaden droht. Das muss reichen, oder?

Die Brüsseler Behörde beruft sich darauf, dass der Hersteller nicht wünscht, dass das Gutachten veröffentlicht wird. Prima, das scheint doch der richtige Weg zu sein, wenn die Regierung sich auf die Wirtschaft verlässt.

Dann klappt es auch mit der weiteren Vernichtung von Tieren und Pflanzen. Aber keiner will es hinterher gewesen sein, weil die Wirtschaftsunternehmen doch ihre Daten der Regierung zur Prüfung übergeben haben und diese eine Zulassung durchgeführt hat. Wer ist denn nun, wenn sich herausstellt, dass es doch nicht so gesund ist, wie angenommen, schuld? Ist die Frage nach der Schuld überhaupt noch wichtig?

Nein, denn es geht in erster Linie doch eher um Bekämpfung der Ursache und deren Vermeidung, oder? Das würde prima klappen, wenn unabhängige Gutachten zusätzlich erstellt würden, damit ein Dialog und Wissensaustausch entstünde, der Probleme bereits an der Wurzel packt.

Aber dies scheint zu langwierig oder zu teuer oder gar einfach nicht gewünscht zu sein. Noch viel besser ist, wenn dann doch jemand dahinterkommt, dass das zugelassene Zeug genauso schädlich ist wie das vorherige, dann wurde es schon tonnenweise auf den Feldern ausgebracht und hat die Kosten eingespielt.

Dann kann gerne eine neue Überprüfung stattfinden, die ein erneutes Verbot nach sich zieht, weil dann ein neues Produkt hermuss, und wer produziert das, wer lässt es zu? Ein immerwährender Kreis entsteht, der zulasten der Tiere, Pflanzen und Menschen geht, aber Geld ist nun einmal viel mehr wert, und Wirtschaftsbosse essen keinen Honig und freuen sich, wenn ihre SUVs keinen Insektenfriedhof auf der Windschutzscheibe haben. Ich weiß es nicht!

Gruselig ist das schon, denn selbst, wenn wir darüber informiert werden, gehen diese Informationen in der unendlichen und wahnsinnigen Menge an Nachrichten, die wir täglich, in allen Lebenslagen, erhalten, einfach unter. Eine Diskussion wird selten geführt, weil die keinen Like-Button hat, und viel Schreiben ist auch nicht schick.

Das fragmentierte Denken

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