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Über die Unheil stiftende Wirkung der Wahrheit am Beispiel eines schönheitschirurgischen Eingriffes.

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Wie angekündigt nun also noch rasch eine Anekdote zum leidigen Thema Wahrheit, die mir eine Dame während einer Bahnfahrt von Szolnok nach Debrecen erzählte. Für die geografisch Ungebildeten: die Orte liegen in Ungarn – aber den Geografiebanausen unter euch dürfte das leider wie alle interessanten geografischen Zusammenhänge ziemlich Wurscht sein. Und so möchte ich die Tatsache, dass es eine ausgezeichnete Wurstspezialität, die nach dem Ort Debrecen benannt ist, auch gar nicht erwähnen und Wissenswertes über Szolnok werdet ihr von mir auch nicht erfahren.

Dieser Dame, sie war vielleicht Mitte der Dreißiger und zierte durch ihr gefälliges Aussehen jedes noch so muffige Zugabteil, dieser Dame also hatte sich die Wahrheit einmal mit einer derartigen Penetranz aufgedrängt, dass auch ihr sagen werdet: das ist ja schier unglaublich!

Sie lebte wie leider viele Zeitgenossen in dem Wahn, dass sie ihren Körper durch chirurgische Eingriffe perfektionieren lassen sollte, um so eine noch liebreizendere Erscheinung abzugeben. Insbesondere ihr Steiß war ihr ein Quell dauernden Verdrusses. Kurz, sie hielt ihn für eindeutig überdimensioniert. Auch der Hinweis eines katholischen Geistlichen, dass unser Schöpfer hin und wieder mal einen sehr freigiebigen Tag hat und beherzt in die Kiste mit Modelliermasse greift, um große Brüste, dicke Hintern oder üppige Wampen zu erschaffen und so die Artenvielfalt auf der Erde ein wenig aufzupeppen, war ihr kein Trost.

Nein, der Umfang ihres Arsches (verzeiht die Ausdrucksweise, aber so nannte sie den ungeliebten Körperteil) musste um jeden Preis reduziert werden. Also suchte sie einen sogenannten Schönheitschirurgen auf und schilderte diesem ihr Anliegen. Der Mediziner nahm das Objekt des Anstoßes in Augenschein, schaute den Steiß aus allen möglichen Perspektiven an, vermaß beide Backen, unangenehmerweise auch den Spalt zwischen diesen, machte sich Notizen, zog Tabellen zu Rat, stellte komplizierte Berechnungen an, bat die Dame einige Schritte durch den Raum zu machen, um die dynamische Wirkung ihres Hinterns zu prüfen und kam schließlich nach gut einer halben Stunde zu einem verblüffenden Ergebnis.

Und nun Obacht! Jetzt nähern wir uns dem eigentlichen Grund, weswegen ich euch diese wahre Begebenheit erzähle. Der Medikus konfrontierte die Dame nämlich mit einer Wahrheit, die sie eigentlich gar nicht erfahren wollte. Er bat sie, sich wieder anzukleiden und Platz zu nehmen. Ihr gegenüber nahm er gleichfalls Platz und begann ihr seine Diagnose zu erläutern. Vorher jedoch schaute er sie unangenehm lange wortlos an, wobei er ganz leicht mit dem Kopf nickte. Dann räusperte er sich und erklärte ihr, dass ihr Gesäß nicht etwa zu groß, sondern eindeutig zu klein sei und dringend einer Unterfütterung mit stattlichen Silikonkissen bedürfe, um gängigen Schönheitsidealen nahe zu kommen.

Diese unerwartete Konfrontation mit der Wahrheit verwirrte die Dame derart, dass sie die Fassung verlor und ihn unter Tränen bat, ihr zu helfen. Milde lächelnd erwiderte dieser, dass er dafür ja da sei und dass die moderne Medizin da wahre Wunder vollbringen könne. Er habe schon so manches Hinterteil auf ein Mehrfaches seines natürlichen Volumens bringen können und erhalte fortlaufend begeisterte Dankesschreiben von glücklichen Patientinnen. Dann zeigte er ihr ein Fotoalbum mit den Ergebnissen seiner Heilkunst: viele ausladende Pos, deren Besitzerinnen der Kleidung nach zu urteilen anscheinend alle aus dem arabischen Raum stammten.

Dass in anderen Kulturräumen offenbar andere Schönheitsideale en vogue sind, fiel der Dame wegen ihres emotionalen Ausnahmezustandes nicht auf. Ihr depressiver Zustand der Fassungslosigkeit wurde nun rasch durch eine manisch-euphorische Stimmung abgelöst und so bat sie den Hinterteilexperten um einen baldigen Operationstermin und entschied sich für extragroße Implantate. Auch wenn diese einiges mehr kosten würden als die Normalausführung, das war egal, denn am eigenen Körper soll man nicht sparen. Der Mediziner sah dies ganz genauso und beglückwünschte sie zu diesem mutigen Entschluss, der ihr Leben sicher verändern werde. Dies trat dann auch ein, allerdings anders, als von der Patientin erhofft.

Einige Tage nach dem erfolgreich vorgenommenen chirurgischen Eingriff beschlichen die Dame erste Bedenken hinsichtlich der ästhetischen Wirkung der Povergrößerung. Einige spitze Bemerkungen sogenannter guter Freundinnen taten ein Übriges, um die Entscheidung ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Was jedoch der Hauptgrund dafür war, sich die Silikonpolster einige Wochen später wieder entfernen zu lassen, waren hartnäckige Sitzbeschwerden. Durch die Aufpolsterung des Hinterteils hatte ihre Sitzhöhe derart zugenommen, dass sie mit den Beinen unter keinen Tisch mehr passte und die Mahlzeiten am häuslichen Esstisch nur noch auf einem Kinderstühlchen sitzend einnehmen konnte.

Arge Probleme stellten sich auch bei Autofahrten ein. Durch die flexiblen Silikonpolster fand sie während der Fahrt keinen vernünftigen Halt auf dem Beifahrersitz, schwankte vielmehr wie ein Ozeandampfer auf und ab, hin und her, vor und zurück und landete in Rechtskurven regelmäßig mit ihrem Kopf auf den Knien des Fahrers. Zwar hatte ihr Mann sich schon daran gewöhnt und schob sie mit geübtem Handgriff immer wieder auf die korrekte Sitzposition. Ein Taxifahrer missdeutete ihren abrupten Ortswechsel jedoch als spontanen Versuch einer oralerotischen Avance und konnte nur durch längere Erklärungen und Befühlen des Silikonsteißes davon überzeugt werden, dass der Grund für die heftige Annäherung allein physikalischer Natur war und nicht biologistisch zu interpretieren sei.

Auch in sexueller Hinsicht forderten die Silikonbacken den Eheleuten einiges ab. Der Ehemann der Dame wurde beim Geschlechtsakt regelmäßig seekrank, weil ihm auf ihr liegend einfach kein geregelter Bewegungsablauf der üblichen Art mehr gelang. Auch hier verursachte das hin und her schwappende Silikon eine solche Dynamik, dass er in gefährliche Schlingerbewegungen geriet und nur mit Mühe seinen Mageninhalt bei sich behalten konnte.

Während ich diesem erschütternden Bericht auf der Fahrt zwischen Szolnok und Debrecen kopfschüttelnd lauschte, ging mir durch den Kopf, dass die Dame bei alledem noch von Glück sprechen konnte, dass ihr Ehemann nicht wie Herr Wüntenberg während des ehelichen Verkehrs aus therapeutischen Gründen Marmelade löffelte, was erfahrungsgemäß bei hohem Seegang zu üblen Magenverstimmungen und damit unausweichlich zur Katastrophe führt.

Eine zugige Existenz

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